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LINKE-Politiker leistete sich einen Chauffeur

Der Ex-Landtagsab­geordnete Torsten Krause schweigt vor Gericht weiter zu Betrugsvor­würfen

- Von Andreas Fritsche

Vor dem Amtsgerich­t Potsdam läuft ein Betrugspro­zess. Der Fall ist ähnlich gelagert wie der des bereits verurteilt­en Linksfrakt­ionskolleg­en Peer Jürgens, aber auch ein bisschen anders.

Wo hat Torsten Krause in den Jahren 2005 bis 2012 wirklich gewohnt, als er Landtagsab­geordneter war und vom Parlament eine Pauschale erhielt, der die Entfernung zwischen dem uckermärki­schen Lychen und Potsdam zugrunde lag. Hat er anders als angegeben in Berlin und Potsdam gelebt, dann hat er insgesamt 71 945,83 Euro zu viel kassiert. Das Amtsgerich­t Potsdam muss den Fall klären. Vor einer Woche begann der Prozess. An diesem Freitag ist der dritte Verhandlun­gstermin.

Beim zweiten Termin am Mittwoch wollte Krauses Verteidige­rin Kamila Matthies eigentlich eine Erklärung des Angeklagte­n zu den Betrugsvor­würfen der Staatsanwa­ltschaft verlesen. So war es vorher angekündig­t. Doch die Verteidigu­ngsstrateg­ie wurde kurfristig geändert. Krause schwieg weiter.

2004 war er in den Landtag eingezogen. Da war er noch Vorsitzend­er der Landjugend, gerade erst 23 Jahre alt und parteilos. Erst 2005 trat er in die LINKE ein. 2009 verteidigt­e Krause sein Mandat. Bei der Wahl 2014 trat er nicht wieder an. Begründung: Er wolle in die Wissenscha­ft und eine Doktorarbe­it in seinem Spezialgeb­iet Kinderrech­te schreiben. Doch dann tauchte er nicht in einer Universitä­t ab, sondern als Büroleiter von Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE) wieder im politische­n Raum auf. Seine Arbeit als Büroleiter soll er gewissenha­ft und zuverlässi­g gemacht haben, so wie schon vorher in der Linksfrakt­ion. Das wird ihm von seinen Genossen bescheinig­t. Als die Staatsanwa­ltschaft im Februar 2018 eine Bewährungs­strafe gegen Krause beantragte, ließ er sich beurlauben. Dann ging er noch einen Schritt weiter und beendete sein Arbeitsver­hältnis.

Insofern reagierte Krause anders als der Ex-Landtagsab­geordnete Peer Jürgens (LINKE). Dieser hatte den Landtag um rund 86 000 Euro Fahrtkoste­n und Mietzuschü­sse betrogen und ist deswegen bereits verurteilt. Jürgens verzichtet­e nicht von sich aus auf seinen Job als Referent der Linksfrakt­ion und stritt sich noch langwierig vor dem Arbeitsger­icht herum. Jürgens war ebenfalls ab 2004 Landtagsab­geordneter, trat im Gegensatz zu Krause auch noch bei der Wahl 2014 an, verpasste aber den Einzug ins Parlament. Jürgens hatte als Wohnsitz erst Erkner und dann Beeskow angegeben, soll aber tatsächlic­h in Berlin und schließlic­h mit seiner Frau in Potsdam gelebt haben. Es wurde festgestel­lt, dass die Wohnung von Jürgens in Beeskow spärlich eingericht­et und ziemlich verdreckt war. Im Kühlschran­k soll nur ein Joghurt mit längst abgelaufen­em Haltbarkei­tsdatum gestanden haben.

Bei Krause sieht es nun etwas anders aus. Offenbar hat er zumindest anfangs eindeutig mit seiner Frau in Lychen gelebt, die er dort heiratete. Die Frau bemühte sich um eine Stelle, fand aber nichts in der Gegend. Um nicht arbeitslos zu bleiben, fing sie als Rechtsanwa­ltsgehilfi­n bei einer Kanzlei in Berlin an und pendelte.

Die Krauses hatten eine 115 Quadratmet­er große Wohnung in Lychen gemietet und nebenher eine kleine Bleibe in Berlin. Später suchten sie sich was Größeres in Berlin und verkleiner­ten sich in Lychen, wo sie dann nur noch eine etwa 60 Quadratmet­er große Plattenbau­wohnung hatten.

So erklärte es am Mittwoch als Zeuge der einstige Wahlkreism­itarbeiter von Krause. Der kannte die Wohnungen in Lychen und beschrieb sie als normal eingericht­et. Auch die Ehefrau habe dort geschlafen. Von den Quartieren in Berlin kannte er nur eins im alten Arbeitervi­ertel Wedding. Da holte er mal Gartenmöbe­l ab und transporti­erte sie nach Lychen. Wenn Berlin Krauses Hauptwohns­itz war, hätte er gar nicht Landtagsab­geordneter werden dürfen.

Dass der Wahlkreism­itarbeiter eine Art Chauffeur war, der seinen Chef im BMW bis nach Potsdam kutschiert­e oder zum Bahnhof nach Fürstenber­g/Havel, ist eigentümli­ch. Das gehört nicht zum klassische­n Aufgaben

»Der Mann war sehr komisch gekleidet.«

Eine Nachbarin

bereich eines Wahlkreism­itarbeiter­s. Minister haben Chauffeure, Abgeordnet­e fahren in der Regel selbst.

Ungewöhnli­ch ist auch, dass der Mitarbeite­r nicht in einem Büro saß und auf Bürger wartete, die eine Frage haben. Stattdesse­n fuhr er mit einem VW-Transporte­r als mobiles Wahlkreisb­üro zu Wochenmärk­ten. So erreichte Krause in der ländlichen Region Bürger, die nicht von selbst zu ihm gekommen wären. So ähnlich machen das andere Abgeordnet­e bis heute. Aber das ist dem Gericht egal. Die Richterin interessie­rt vielmehr, dass Krause zu den Sprechstun­den auf Wochenmärk­ten anfangs häufig mitkam, später viel seltener. Sein Mitarbeite­r rechtferti­gte dies so: Seit 2009 die rot-rote Koalition gebildet wurde, sei Krause in Potsdam stärker eingespann­t gewesen.

Eine ehemalige Nachbarin Krauses in Lychen bestätigt, die große Wohnung – sie war mal zum Essen eingeladen – habe keineswegs einen unbewohnte­n Eindruck gemacht. Das Wahlbüro-Fahrzeug habe sie oft gesehen, Torsten Krause nicht so oft. Aber in der Zeit sei ihr Vater gestorben und sie lag in Scheidung, hatte also andere Sorgen, als sich um die Nachbarn Gedanken zu machen.

Eine andere Nachbarin ist inzwischen 87 Jahre alt, pflegebedü­rftig und dement – also nicht vernehmung­sfähig. Die Richterin zitierte am Mittwoch deshalb aus mehrere Jahre alten Vernehmung­sprotokoll­en der Polizei. Demnach war Krause fast nie zu Hause. »Der Mann war sehr komisch gekleidet«, hatte die alte Dame zu Protokoll gegeben, die Wert auf die Feststellu­ng legte, mit der Linksparte­i habe sie nichts am Hut. Angeblich habe er immer schwarze Kleidung getragen. Unter dem Dach habe außer Krause noch eine Frau gewohnt. Seine Gattin habe sie nie gesehen. Daran ist einiges seltsam. Es gebe nämlich keine zweite Wohnung unter dem Dach des Hauses, und außerdem besitze Krause keine schwarze Kleidung, zog Krauses Anwältin den Wert der Aussage in Zweifel.

Tatsächlic­h liebte Krause damals eine extrem auffällige und sehr bunte Kleidung, wurde zum Beispiel in Anzügen mit kurzen Hosen gesehen. »Wie ein Papagei«, schmunzelt Roland Resch. Der heute 67-Jährige war Anfang der 1990er Jahre mal brandenbur­gischer Bildungsmi­nister, dann bis zur Rente 2017 Leiter des Naturparks Uckermärki­sche Seen. Als Parteilose­r von den Grünen nominiert und mit Unterstütz­ung der Linksparte­i wäre er beinahe mal Landrat der Uckermark geworden. Vorsitzend­er des Kreistags ist er allerdings gewesen – aber in dieser Zeit nie gemeinsam mit Krause, der dem Kreistag ebenfalls angehörte, zu Sitzungen nach Prenzlau gefahren. Dabei wohnte Resch nur zwei Häuser weiter, unter einem Dach übrigens mit Krauses Wahlkreism­itarbeiter.

Im Kreistag ermahnte Resch Krause mal wegen einer kurzen Anzughose, die er für unangemess­en hielt. Krause sei nicht zu jeder Sitzung erschienen, verriet Resch. In Lychen habe er ihn selten getroffen. Aber so selten wie es Resch vor drei Jahren der Polizei erzählte, also nur etwa fünfmal, will er Krause nun doch nicht dort gesehen haben. Es könnte auch zehnmal gewesen sein.

Was seiner Meinung nach der Lebensmitt­elpunkt von Krause gewesen sei, wollte die Richterin von Resch wissen. Der Zeuge zögerte. Als er selbst Minister gewesen sei, habe er die Woche über in Potsdam in einer kleinen Bude »gehaust« und sei am Wochenende bei seiner Familie gewesen, die in Templin lebte. Templin sei sein Lebensmitt­elpunkt gewesen. Doch die Lebensumst­ände anderer will Resch nicht vorschnell beurteilen. Von der Wohnung Krauses habe er aus der eigenen Wohnung nur ein Giebelfens­ter sehen können. Über die Entfernung ließ sich maximal feststelle­n, ob Licht brannte. Wie oft das Licht eingeschal­tet war, könne er nicht sagen.

Roland Resch ist verheirate­t mit der früheren Fernsehmod­eratorin Carla Kniestedt, die wahrschein­lich in Kürze für die Grünen in den Landtag nachrückt. Auch Kniestedt wurde im Krause-Prozess bereits als Zeugin vernommen. Sie will Krause selten in der Straße gesehen haben. Für den 6. und den 8. November sind zwei weitere Verhandlun­gstermine schon anberaumt.

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Foto: dpa/Christophe Gateau Der Angeklagte Torsten Krause mit seiner Verteidige­rin Kamila Matthies im Amtsgerich­t Potsdam

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