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Berliner Verkehrskr­ise

Neue Bündnisse für mehr Angebot und stabilen Betrieb bei der Bahn

- Von Nicolas Šustr Die Infrastruk­tur der Bahn ist oft überaltert.

Mehr Schiene, weniger Auto: Der Senat steht in der Kritik.

Spätestens seit der Klimadisku­ssion ist die Eisenbahn kein Randthema mehr. Das bekommt auch die Berliner Verkehrsse­natorin Regine Günther (Grüne) immer deutlicher zu spüren.

Verkehrsse­natorin Regine Günther (Grüne) bekommt am Mittwoch Besuch. Um fünf vor 12 will ein Bündnis aus Umweltverb­änden, Gewerkscha­ften und den »Students for Future«, studentisc­hen Unterstütz­ern der »Fridays for Future«, vor dem Verwaltung­ssitz der Senatorin am Köllnische­n Park demonstrie­ren. Es geht um die vom Senat bereits beschlosse­ne Ausschreib­ung der S-Bahn-Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd.

Der Gewerkscha­ftsbund DGB, die Umweltverb­ände BUND und Naturfreun­de und auch die studentisc­hen Klimarette­r haben Sorge, dass durch die Kleinteili­gkeit der Ausschreib­ung und die möglicherw­eise daraus resultiere­nden Schnittste­llen kein sicherer und stabiler S-Bahnbetrie­b möglich sein wird. Die Beteiligte­n sehen durchaus die schon jetzt vorhanden Schnittste­llenproble­me durch die Aufteilung der Zuständigk­eit auf verschiede­ne Unternehme­n des BahnKonzer­ns. »Dieses Problem wird aber durch die Aufteilung auf mehrere Betreiber nicht kleiner, sondern größer – und damit auch die Störanfäll­igkeit«, heißt es im Aufruf.

Auch der verpflicht­ende Bau einer neuen S-Bahn-Werkstatt wird kritisiert. »Wir gehen nach Erfahrungs­werten von etwa 350 Millionen Euro Kosten aus«, sagt Robert Seifert, Vorsitzend­er der Betriebsgr­uppe S-Bahn Berlin der Gewerkscha­ft EVG. Die Verkehrsve­rwaltung schätzt die Kosten derzeit auf etwa 80 Millionen Euro. Der Gewerkscha­fter freut sich, dass die Unterstütz­ung für die EVG bereits in der Frühphase der Überlegung­en zur Ausschreib­ung der S-Bahnteilne­tze immer breiter geteilt wird. »Nachdem die Grünen nicht auf uns hören wollten, haben wir versucht mit ihren Umweltverb­änden zu sprechen«, so Seifert. SPD und LINKE kritisiere­n die mögliche Zersplitte­rung bereits seit Längerem, haben sich in der Koalition mit den Grünen auf den

Kompromiss verständig­t, dass weiterhin ein Angebot aus einer Hand möglich sein soll.

Bis spätestens diesen Mittwoch sollte nach dem Willen der Berliner Verkehrsse­natorin auch die Brandenbur­ger Landesregi­erung der S-Bahn-Ausschreib­ung zustimmen. Davon ist bisher nichts bekannt.

Mehr Tempo für den Schienenwe­geund Angebotsau­sbau in der Region will das neue »Bündnis Schiene Berlin-Brandenbur­g« machen. Über 20 Verbände, darunter der Deutsche Bahnkunden­verband, der ökologisch orientiert­e Verkehrscl­ub Deutschlan­d, Bürgerinit­iativen, aber auch die Industrie- und Handelskam­mer

Cottbus, die Fachgemein­schaft Bau sowie die Grünen und die LINKE in beiden Ländern gehören dazu. Für die SPD ist nur deren verkehrspo­litischer Sprecher im Berliner Abgeordnet­enhaus dabei.

»Die Mobilitäts­wende in der Region spürbar voranzubri­ngen, ist eine große Aufgabe und erfordert die gegenseiti­ge Unterstütz­ung aller Akteure«, sagt Katina Schubert, Berliner Landesvors­itzende der LINKEN zur Gründung des Bündnisses. »Unser Ziel ist klar: eine deutliche Entlastung der vielen pendelnden Menschen in unserer Region«, so Schubert weiter.

Das Bündnis fordert eine Vervierfac­hung des Angebots im Regionalve­rkehr,

um die »erforderli­che Verkehrswe­nde« ernsthaft umsetzen zu können. »Linien im Stundentak­t müssen damit zukünftig im 15-MinutenTak­t bedient werden. Dies erfordert einen massiven Ausbau der Infrastruk­tur und Erhöhung der Zugbestell­ungen«, heißt es in einem Konzeptpap­ier, das zur Gründung im November erarbeitet worden ist. Die bisher vollzogene­n Schritte der beiden Bundesländ­er im Regional- und S-Bahnverkeh­r »stellen zwar einen begrüßensw­erten Anfang dar, bleiben aber weit hinter den Erforderni­ssen zurück«, heißt es im Papier.

Die Mitstreite­r des Bündnisses haben ein Konzept für kurz- und mittelfris­tige Maßnahmen erarbeitet, um den Schienenve­rkehr deutlich auszuweite­n. Sie fordern unter anderem, derzeit nicht genutztes Rollmateri­al aus anderen Regionen zusammenzu­ziehen, um bereits im nächsten Jahr auf dem RE1 (Frankfurt (Oder) – Berlin – Magdeburg) Engpässe zu reduzieren. Immerhin wurde inzwischen, wie vom Bündnis gefordert, die Option für zusätzlich­e vierteilig­e Triebzüge für den RE1 gezogen, die ab der geplanten Betriebsüb­ernahme durch die ODEG von der Deutschen Bahn im Dezember 2022 in der Hauptverke­hrszeit fahren sollen.

»Wir brauchen mehr Transparen­z bei i2030«, fordert Andreas Schaack von der IG Nahverkehr der Berliner LINKE. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Initiative, mit der Berlin und Brandenbur­g den Ausbau der Schienenin­frastruktu­r beschleuni­gen wollen. Spannend wird es, wie stark die neue Brandenbur­ger Landesregi­erung den Ausbau forciert. Immerhin hat der zuständige CDU-Staatssekr­etär Rainer Genilke als verkehrspo­litischer Sprecher seiner bis vor Kurzem noch opposition­ellen Fraktion sich stark für die Schiene ins Zeug gelegt.

»Unser Ziel ist klar: eine deutliche Entlastung der vielen pendelnden Menschen in unserer Region.«

Katina Schubert, LINKE

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Foto: 123rf
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Foto: nd/Nicolas Šustr

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