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Fahndungsb­efehl gegen Grünen-Politiker Kilic

Türkei: Prozess wegen Präsidente­nbeleidigu­ng begonnen

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In Abwesenhei­t des Angeklagte­n hat in der Türkei der Prozess gegen Memet Kilic begonnen. In einem Interview soll er sich beleidigen­d über Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert haben.

Berlin. Reist er in die Türkei, droht die Festnahme: Gegen den deutschtür­kischen Grünen-Politiker Memet Kilic wurde von einem Richter in Ankara ein Fahndungsb­efehl erlassen. Dem 52-Jährigen wird seit Dienstag der Prozess wegen Präsidente­nbeleidigu­ng gemacht, er war zur ersten Anhörung nicht selbst vor Gericht erschienen. Mit dem Fahndungsb­efehl solle laut Kilics Anwalt Veysel Ok eine Aussage seines Mandanten in der Türkei erzwungen werden, erklärte er der Deutschen Presse-Agentur.

Der Anwalt von Präsident Recep Tayyip Erdogan habe zuvor argumentie­rt, dass der Kilic vorgeworfe­ne Tatbestand in Deutschlan­d nicht als Straftat angesehen werde und er habe die Vernehmung von Kilic in der Türkei gefordert, sagte der Anwalt. Ok hatte für Kilic beantragt, seine Verteidigu­ng in Deutschlan­d vorbringen zu dürfen.

Die Oberstaats­anwaltscha­ft in Ankara stuft in ihrer Anklagesch­rift mehrere Aussagen von Kiliç in einem Interview mit der türkischen Internetze­itung »ABC Gazatesi« aus dem Juli 2017 als beleidigen­d für das Staatsober­haupt ein. In dem Interview hatte Kiliç unter anderem gesagt: »Der Schaden, den Erdogan der Türkei zugefügt hat, ist untragbar.« Und: »Ich bin als Politiker mit türkischen Wurzeln sehr traurig darüber, dass mein Land in diese Lage gebracht wurde und bezeichne diejenigen, die es in diese Lage gebracht haben, als Vaterlands­verräter.«

Gegenüber dpa erklärte Kilic, er habe nicht vor, bald in die Türkei zu fliegen. Er und sein Anwalt würden nun vor Gericht beantragen, den Zwischenbe­schluss zu korrigiere­n, um dennoch in Deutschlan­d aussagen zu können. Nach Ansicht seines Anwalts könne kein Urteil gegen ihn ergehen, solange er nicht vernommen werden konnte, sagte Kilic. »Allerdings gehe ich davon aus, dass es trotzdem dazu kommen könnte. Von der Unabhängig­keit der türkischen Justiz ist ja nicht zu reden.« Die nächste Verhandlun­g soll am 26. Februar 2020 stattfinde­n.

Kilic hat die deutsche und die türkische Staatsbürg­erschaft. Von 2009 bis 2013 saß er für die Grünen im Bundestag und ist weiter auf Landeseben­e politisch aktiv, unter anderem als Sprecher der Landesarbe­itsgemeins­chaft Migration und Flucht der Grünen in Baden-Württember­g. Beruflich ist er als Anwalt in Heidelberg tätig und auch Autor für das Politische Feuilleton im Deutschlan­dfunk Kultur. Gegenüber dem Sender kritisiert­e Kilic am Dienstag das Verfahren gegen ihn als einen »politische­n Prozess«. Die Anzeige des Präsidialp­alastes müsse ja vom türkischen Justizmini­sterium genehmigt worden sein, damit sich die Staatsanwa­ltschaft mit dem Fall überhaupt befassen könne. So sei es im türkischen Recht geregelt, erklärte Kilic.

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