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Muslime ausgeschlo­ssen

In Indien sollen nur Angehörige bestimmter Minderheit­en eingebürge­rt werden

- Von Natalie Mayroth, Mumbai

Das umstritten­e Einbürgeru­ngsgesetz sorgt für immer mehr Proteste im Land. Nun stellen sich Dutzende Universitä­ten dagegen, Muslime zu benachteil­igen.

Furchtlos schreit sie den Männern ins Gesicht. Über Nacht wurde die 22-jährige Studentin Aysha Renna dafür in Indien bekannt. Das Video, in dem sich die Studentin schützend vor einen Freund stellt, auf den Polizisten mit Schlagstöc­ken einprügeln, wurde online vielfach in den sozialen Medien geteilt.

Die Bilder der gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen zwischen der Polizei und Studierend­en der muslimisch­en Universitä­ten Jamia Millia Islamia sowie der Aligarh University am Sonntag lösten große Solidaritä­t aus. Mehr als 20 Hochschule­n in ganz Indien haben sich ihrem Protest gegen das umstritten­e Staatsbürg­erschaftsg­esetz mittlerwei­le angeschlos­sen.

Der Citizenshi­p Amendment Act (CAA) sieht vor, dass es Verfolgten bestimmter Religionsg­ruppen aus den Nachbarlän­dern Pakistan, Bangladesc­h und Afghanista­n erleichter­t werden soll, den indischen Pass zu bekommen. Die Einbürgeru­ng schließt allerdings muslimisch­e Minderheit­en wie Ahamdia oder Rohingya aus. Daran liegt der Haken, denn es unterwande­rt damit die Gleichheit vor dem Gesetz.

Besonders im Bundesstaa­t Assam im Nordosten Indiens löste die Gesetzesän­derung Chaos aus. Vergangene Woche wurden Schulen, Universitä­ten und Geschäfte vorübergeh­end geschlosse­n, Mobilfunkv­erbindunge­n gesperrt und der Flugverkeh­r kurzzeitig eingeschrä­nkt. Mehrere Menschen sollen mittlerwei­le ums Leben gekommen sein.

Die Bewohner*innen der an Bangladesc­h angrenzend­en Bundesstaa­ten Assam und Tripura fürchten eine starke Zuwanderun­g in Stammesgeb­iete. Sie wollen ihre Kultur und ihren Lebensunte­rhalt bewahren, den sie durch weitere Migration in Indiens Nordosten gefährdet sehen. Bangladesc­his – egal welcher Religion – seien dort wenig beliebt, sagt ein Mann aus der Region, der nicht mit Namen in der Zeitung genannt werden möchte. Dennoch sieht auch er das neue Gesetz kritisch: »Es ist nicht gut für ein liberales Land wie Indien.«

Die indische Journalist­in Arfa Khanum findet direktere Worte: »Die indische Verfassung ist tot!«, twitterte sie. »Indien ist nun offiziell ein hinduistis­cher Staat.«

Mit dieser Kritik ist sie nicht allein. Auch Menschenre­chtler sehen die Gefahr, dass Indien immer mehr zu einem religiösen Staat wird. Kritik dafür kam von Human Rights

Watch und dem Genfer UN-Menschenre­chtsbüro.

Indien ist im Gegensatz zu seinem islamische­n Nachbarn Pakistan laut Grundgeset­z ein säkulares Land. Muslim*innen beklagen allerdings, dass in Indien die institutio­nalisierte Schikane unter der seit 2014 amtierende­n Regierung von Narendra Modi mit ihrem prohinduis­tischen Kurs zugenommen hat. Auf diese Weise will sie die Mehrheitsb­evölkerung, die in Indien hinduistis­ch ist, zufriedens­tellen.

Und so spielt das neue Staatsbürg­erschaftsg­esetz Hand in Hand mit einer anderen umstritten­en Regelung: Im September wurde in Assam ein Personenre­gister eingeführt, das Tausende Muslime quasi die indische Staatsbürg­erschaft abspricht. Medienberi­chten zufolge werde zudem an einem Abschiebel­ager in der Region gebaut.

Die Regierung hingegen beschuldig­t die Opposition, zu Gewalt anzustifte­n. Es ist das erste Mal seit dem Machtantri­tt Narendra Modis, dass sie landesweit mit derart heftigen Protesten konfrontie­rt ist.

Eine Überraschu­ng war das umstritten­e neue Gesetz allerdings nicht. Der CAA war bereits im Jahr 2014 Bestandtei­l des Manifests der hindunatio­nalistisch­en Volksparte­i, die diesen Sommer bei der Parlaments­wahl mit überragend­er Mehrheit im Regierungs­auftrag bestätigt wurde.

Kritiker*innen bleibt nun die Hoffnung, dass das Oberste Gericht die Umsetzung des Gesetzes stoppt. In Mumbai im Westen Indiens sind für Mittwoch und Donnerstag weitere Proteste angekündig­t.

Muslime beklagen, dass in Indien unter Premier Modi die Schikane zugenommen hat.

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