Muslime ausgeschlossen
In Indien sollen nur Angehörige bestimmter Minderheiten eingebürgert werden
Das umstrittene Einbürgerungsgesetz sorgt für immer mehr Proteste im Land. Nun stellen sich Dutzende Universitäten dagegen, Muslime zu benachteiligen.
Furchtlos schreit sie den Männern ins Gesicht. Über Nacht wurde die 22-jährige Studentin Aysha Renna dafür in Indien bekannt. Das Video, in dem sich die Studentin schützend vor einen Freund stellt, auf den Polizisten mit Schlagstöcken einprügeln, wurde online vielfach in den sozialen Medien geteilt.
Die Bilder der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Studierenden der muslimischen Universitäten Jamia Millia Islamia sowie der Aligarh University am Sonntag lösten große Solidarität aus. Mehr als 20 Hochschulen in ganz Indien haben sich ihrem Protest gegen das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz mittlerweile angeschlossen.
Der Citizenship Amendment Act (CAA) sieht vor, dass es Verfolgten bestimmter Religionsgruppen aus den Nachbarländern Pakistan, Bangladesch und Afghanistan erleichtert werden soll, den indischen Pass zu bekommen. Die Einbürgerung schließt allerdings muslimische Minderheiten wie Ahamdia oder Rohingya aus. Daran liegt der Haken, denn es unterwandert damit die Gleichheit vor dem Gesetz.
Besonders im Bundesstaat Assam im Nordosten Indiens löste die Gesetzesänderung Chaos aus. Vergangene Woche wurden Schulen, Universitäten und Geschäfte vorübergehend geschlossen, Mobilfunkverbindungen gesperrt und der Flugverkehr kurzzeitig eingeschränkt. Mehrere Menschen sollen mittlerweile ums Leben gekommen sein.
Die Bewohner*innen der an Bangladesch angrenzenden Bundesstaaten Assam und Tripura fürchten eine starke Zuwanderung in Stammesgebiete. Sie wollen ihre Kultur und ihren Lebensunterhalt bewahren, den sie durch weitere Migration in Indiens Nordosten gefährdet sehen. Bangladeschis – egal welcher Religion – seien dort wenig beliebt, sagt ein Mann aus der Region, der nicht mit Namen in der Zeitung genannt werden möchte. Dennoch sieht auch er das neue Gesetz kritisch: »Es ist nicht gut für ein liberales Land wie Indien.«
Die indische Journalistin Arfa Khanum findet direktere Worte: »Die indische Verfassung ist tot!«, twitterte sie. »Indien ist nun offiziell ein hinduistischer Staat.«
Mit dieser Kritik ist sie nicht allein. Auch Menschenrechtler sehen die Gefahr, dass Indien immer mehr zu einem religiösen Staat wird. Kritik dafür kam von Human Rights
Watch und dem Genfer UN-Menschenrechtsbüro.
Indien ist im Gegensatz zu seinem islamischen Nachbarn Pakistan laut Grundgesetz ein säkulares Land. Muslim*innen beklagen allerdings, dass in Indien die institutionalisierte Schikane unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Narendra Modi mit ihrem prohinduistischen Kurs zugenommen hat. Auf diese Weise will sie die Mehrheitsbevölkerung, die in Indien hinduistisch ist, zufriedenstellen.
Und so spielt das neue Staatsbürgerschaftsgesetz Hand in Hand mit einer anderen umstrittenen Regelung: Im September wurde in Assam ein Personenregister eingeführt, das Tausende Muslime quasi die indische Staatsbürgerschaft abspricht. Medienberichten zufolge werde zudem an einem Abschiebelager in der Region gebaut.
Die Regierung hingegen beschuldigt die Opposition, zu Gewalt anzustiften. Es ist das erste Mal seit dem Machtantritt Narendra Modis, dass sie landesweit mit derart heftigen Protesten konfrontiert ist.
Eine Überraschung war das umstrittene neue Gesetz allerdings nicht. Der CAA war bereits im Jahr 2014 Bestandteil des Manifests der hindunationalistischen Volkspartei, die diesen Sommer bei der Parlamentswahl mit überragender Mehrheit im Regierungsauftrag bestätigt wurde.
Kritiker*innen bleibt nun die Hoffnung, dass das Oberste Gericht die Umsetzung des Gesetzes stoppt. In Mumbai im Westen Indiens sind für Mittwoch und Donnerstag weitere Proteste angekündigt.
Muslime beklagen, dass in Indien unter Premier Modi die Schikane zugenommen hat.