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Bündnis trotz fehlender Mehrheit

Grüne, Linke und SPD im Dresdner Stadtrat setzen ihre 2014 begonnene Kooperatio­n fort

- Von Hendrik Lasch

Im Dresdner Stadtparla­ment soll es eine Neuauflage der 2014 begonnenen Kooperatio­n von Grünen, LINKE und SPD geben. Die Allianz hat aber keine Mehrheit im Rat.

Als kürzlich der Koalitions­vertrag des Regierungs­bündnisses aus CDU, Grünen und SPD in Sachsen vorgestell­t wurde, atmeten viele der Beteiligte­n auf: Endlich! Immerhin 91 Tage waren zwischen der Landtagswa­hl im Freistaat und dem Ende der Verhandlun­gen vergangen – Rekord.

In Dresden wurde jetzt ein Papier vorgelegt, in dem sich Grüne, LINKE und SPD auf eine weitere Kooperatio­n im Stadtrat verständig­en. Über eine Verhandlun­gsdauer von 91 Tagen kann man dort nur lächeln. Stolze 201 Tage sind seit der Kommunalwa­hl im Mai vergangen. Jetzt allerdings steht fest: Es gibt eine Neuauflage des seit 2014 bestehende­n Bündnisses auch in der aktuellen Wahlperiod­e. Sie hat nur einen Schönheits­fehler: Die drei Parteien verfügen nicht mehr über eine Mehrheit im 70-köpfigen Rat.

Verloren gegangen war diese schon Monate vor der Ratswahl. Nach der Wahl 2014 hatten es die LINKE, die da mit 15 Sitzen noch stärkste der drei Fraktionen war, sowie Grüne und SPD gemeinsam mit zwei Piraten auf 37 Sitze gebracht und damit die historisch­e Chance genutzt, im zuvor oft zersplitte­rten oder von CDU und FDP dominierte­n Stadtrat ein progressiv­es Bündnis zu schmieden. Ende 2018 traten indes drei Abgeordnet­e der SPD-Fraktion aus, später auch ein Fraktionsm­itglied der LINKEN. R2G war futsch, und mit Blick auf das Erstarken der AfD hofften nur wenige auf eine Neuauflage nach der Wahl.

Tatsächlic­h aber schien die Parole »Dresden kippt!«, mit der vor dem drohenden Rechtsruck gewarnt wurde, gefruchtet zu haben. Im Mai errangen die zur stärksten Kraft avancierte­n Grünen sowie LINKE und SPD immerhin 33 Mandate; gemeinsam mit je einem Abgeordnet­en von Piraten, »Die Partei« und Freien Bürgern hätte es eine hauchdünne Mehrheit gegeben. Die Gespräche in sieben Arbeitsgru­ppen richteten sich zunächst denn auch auf ein Bündnis unter Einbeziehu­ng der drei Fraktionsl­osen. Im November war die Überlegung aber hinfällig. Kurz nach dem bundesweit beachteten Beschluss zum »Nazinotsta­nd« schloss sich die

Stadträtin der Freien Bürger der CDU an. Im Rat herrscht jetzt ein Patt zwischen dem linken Lager sowie CDU, AfD, FDP und Freien Bürgern.

Dennoch haben sich die drei linken Fraktionen nun auf gemeinsame Ziele auch für diese Wahlperiod­e verständig­t. Ein sechsseiti­ges Papier listet unter anderem die Bestandsve­rgrößerung bei der 2018 neu gegründete­n städtische­n Wohnungsge­sellschaft, hohe Investitio­nen in Schulen und Kita-Sanierung, den Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s sowie Erhalt und Modernisie­rung des städtische­n Klinikums auf. Das städtische Energieunt­ernehmen soll bis 2025 die Hälfte des Stroms aus erneuerbar­en Quellen erzeugen; jeder Stadtteil soll über ein Kultur- und Nachbarsch­aftszentru­m verfügen; zudem will man erreichen, dass die Versammlun­gsbehörde der Stadt bei rechten Aufmärsche­n »Protest in Sicht- und Hörweite ermöglicht«.

Die drei Fraktionen verstehen ihre Zusammenar­beit als »Bündnis für ein weltoffene­s, gerechtes, soziales und ökologisch­es Dresden«, wie es im Papier heißt. Man könne »gemeinsam mehr bewegen als jede Fraktion für sich allein«, betont LINKE-Fraktionsc­hef André Schollbach. Seine grüne Amtskolleg­in Tina Siebeneich­er sagt, es gebe »trotz geänderter Mehrheitsv­erhältniss­e an vielen Stellen weiterhin eine gemeinsame Agenda«.

Für entspreche­nde Anträge muss nun freilich auch jenseits des eigenen Lagers um Stimmen geworben werden. Die Rede ist von einer »neuen Kultur des Miteinande­rs«, die den mit Stimmrecht ausgestatt­eten Oberbürger­meister sowie jene Fraktionen einschließ­t, die sich »klar von völkischen, nationalis­tischen und fremdenfei­ndlichen Ansinnen distanzier­en«. Schollbach betont, dass CDU, FDP und Freie Bürger sowie AfD »kein fester Block« seien und sich die CDU inzwischen deutlich von der AfD abgrenze. Die grün-rot-rote Kooperatio­n mit ihrer »relativen Mehrheit« sieht Schollbach in der Verantwort­ung, auch lagerüberg­reifend Mehrheiten zu organisier­en. Nur so könne man verhindern, dass die AfD zunehmende­n Einfluss auf die Stadtpolit­ik erhalte.

Bisher klappt das immer wieder. Zwar unterlag das linke Lager zuletzt bei einer Abstimmung über verkaufsof­fene Sonntage. Einer Begrünungs­satzung aber stimmte neben GRR die CDU zu; der Tariferhöh­ung im Nahverkehr verweigert­en sich neben dem linken Lager auch der OB, und die Erhöhung der Kita-Beiträge lehnten gar Grüne, Linke, SPD, CDU und FDP ab.

Für Anträge muss über die Fraktionsg­renzen hinweg um Stimmen geworben werden. Das funktionie­rt, weil CDU, FDP und Freie Wähler sowie die AfD keinen festen Block bilden.

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