Bündnis trotz fehlender Mehrheit
Grüne, Linke und SPD im Dresdner Stadtrat setzen ihre 2014 begonnene Kooperation fort
Im Dresdner Stadtparlament soll es eine Neuauflage der 2014 begonnenen Kooperation von Grünen, LINKE und SPD geben. Die Allianz hat aber keine Mehrheit im Rat.
Als kürzlich der Koalitionsvertrag des Regierungsbündnisses aus CDU, Grünen und SPD in Sachsen vorgestellt wurde, atmeten viele der Beteiligten auf: Endlich! Immerhin 91 Tage waren zwischen der Landtagswahl im Freistaat und dem Ende der Verhandlungen vergangen – Rekord.
In Dresden wurde jetzt ein Papier vorgelegt, in dem sich Grüne, LINKE und SPD auf eine weitere Kooperation im Stadtrat verständigen. Über eine Verhandlungsdauer von 91 Tagen kann man dort nur lächeln. Stolze 201 Tage sind seit der Kommunalwahl im Mai vergangen. Jetzt allerdings steht fest: Es gibt eine Neuauflage des seit 2014 bestehenden Bündnisses auch in der aktuellen Wahlperiode. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Die drei Parteien verfügen nicht mehr über eine Mehrheit im 70-köpfigen Rat.
Verloren gegangen war diese schon Monate vor der Ratswahl. Nach der Wahl 2014 hatten es die LINKE, die da mit 15 Sitzen noch stärkste der drei Fraktionen war, sowie Grüne und SPD gemeinsam mit zwei Piraten auf 37 Sitze gebracht und damit die historische Chance genutzt, im zuvor oft zersplitterten oder von CDU und FDP dominierten Stadtrat ein progressives Bündnis zu schmieden. Ende 2018 traten indes drei Abgeordnete der SPD-Fraktion aus, später auch ein Fraktionsmitglied der LINKEN. R2G war futsch, und mit Blick auf das Erstarken der AfD hofften nur wenige auf eine Neuauflage nach der Wahl.
Tatsächlich aber schien die Parole »Dresden kippt!«, mit der vor dem drohenden Rechtsruck gewarnt wurde, gefruchtet zu haben. Im Mai errangen die zur stärksten Kraft avancierten Grünen sowie LINKE und SPD immerhin 33 Mandate; gemeinsam mit je einem Abgeordneten von Piraten, »Die Partei« und Freien Bürgern hätte es eine hauchdünne Mehrheit gegeben. Die Gespräche in sieben Arbeitsgruppen richteten sich zunächst denn auch auf ein Bündnis unter Einbeziehung der drei Fraktionslosen. Im November war die Überlegung aber hinfällig. Kurz nach dem bundesweit beachteten Beschluss zum »Nazinotstand« schloss sich die
Stadträtin der Freien Bürger der CDU an. Im Rat herrscht jetzt ein Patt zwischen dem linken Lager sowie CDU, AfD, FDP und Freien Bürgern.
Dennoch haben sich die drei linken Fraktionen nun auf gemeinsame Ziele auch für diese Wahlperiode verständigt. Ein sechsseitiges Papier listet unter anderem die Bestandsvergrößerung bei der 2018 neu gegründeten städtischen Wohnungsgesellschaft, hohe Investitionen in Schulen und Kita-Sanierung, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie Erhalt und Modernisierung des städtischen Klinikums auf. Das städtische Energieunternehmen soll bis 2025 die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugen; jeder Stadtteil soll über ein Kultur- und Nachbarschaftszentrum verfügen; zudem will man erreichen, dass die Versammlungsbehörde der Stadt bei rechten Aufmärschen »Protest in Sicht- und Hörweite ermöglicht«.
Die drei Fraktionen verstehen ihre Zusammenarbeit als »Bündnis für ein weltoffenes, gerechtes, soziales und ökologisches Dresden«, wie es im Papier heißt. Man könne »gemeinsam mehr bewegen als jede Fraktion für sich allein«, betont LINKE-Fraktionschef André Schollbach. Seine grüne Amtskollegin Tina Siebeneicher sagt, es gebe »trotz geänderter Mehrheitsverhältnisse an vielen Stellen weiterhin eine gemeinsame Agenda«.
Für entsprechende Anträge muss nun freilich auch jenseits des eigenen Lagers um Stimmen geworben werden. Die Rede ist von einer »neuen Kultur des Miteinanders«, die den mit Stimmrecht ausgestatteten Oberbürgermeister sowie jene Fraktionen einschließt, die sich »klar von völkischen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Ansinnen distanzieren«. Schollbach betont, dass CDU, FDP und Freie Bürger sowie AfD »kein fester Block« seien und sich die CDU inzwischen deutlich von der AfD abgrenze. Die grün-rot-rote Kooperation mit ihrer »relativen Mehrheit« sieht Schollbach in der Verantwortung, auch lagerübergreifend Mehrheiten zu organisieren. Nur so könne man verhindern, dass die AfD zunehmenden Einfluss auf die Stadtpolitik erhalte.
Bisher klappt das immer wieder. Zwar unterlag das linke Lager zuletzt bei einer Abstimmung über verkaufsoffene Sonntage. Einer Begrünungssatzung aber stimmte neben GRR die CDU zu; der Tariferhöhung im Nahverkehr verweigerten sich neben dem linken Lager auch der OB, und die Erhöhung der Kita-Beiträge lehnten gar Grüne, Linke, SPD, CDU und FDP ab.
Für Anträge muss über die Fraktionsgrenzen hinweg um Stimmen geworben werden. Das funktioniert, weil CDU, FDP und Freie Wähler sowie die AfD keinen festen Block bilden.