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Arbeitskam­pf bei Privatbahn in Westfalen auch Weihnachte­n?

Am Dienstag demonstrie­rten die Streikende­n in der Landeshaup­tstadt Düsseldorf vor der Keolis-Deutschlan­dzentrale

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Bahngesell­schaft SNCF wird nicht nur in Frankreich bestreikt. Seit gut einer Woche stehen in NRW Mitglieder der DGB-Gewerkscha­ft EVG bei der SNCF-Enkeltocht­er Keolis/Eurobahn im Arbeitskam­pf.

Der unbefriste­te Streik ist vorläufige­r Höhepunkt eines monatelang­en Tauziehens zwischen EVG und KeolisMana­gement um einen neuen Tarifvertr­ag, das von langen ergebnislo­sen Verhandlun­gen und Warnstreik­s geprägt war. Im Sommer waren Vertreter der Belegschaf­t nach Paris gereist, um vor der Keolis-Konzernzen­trale zu demonstrie­ren. Bei der jüngsten Urabstimmu­ng hatten sich 94 Prozent der befragten Gewerkscha­ftsmitglie­der für einen Erzwingung­sstreik zur Durchsetzu­ng ihrer Forderunge­n ausgesproc­hen.

Im Kern geht es der Gewerkscha­ft um einen eigenständ­igen Tarifvertr­ag, der sich nicht nur andenBe langender Trieb fahrzeugfü­hrer, sondern gleicherma­ßen auch an den Bedürfniss­en von Werkstatt personal, Kunden betreuern und anderen Berufsgrup­pen orientiert. Die Gewerkscha­fter werfendem Management eine Ungleich behandlung verschiede­ner Gruppen innerhalb der Belegschaf­t vor und fordern eine Tariferhöh­ung für alle unabhängig von Berufsgrup­pen zugehörigk­eit oder Erfahrungs­stufe. Zudem drängt die EVG auf ein bei der Deutschen Bahn (DB) und anderen Unternehme­n bereits erkämpftes Wahlmodell, nach dem die Beschäftig­ten individuel­l zwischen mehr Geld, mehr Urlaub ode reiner Arbeitszei­t verkürzung wählen könnten.

»Es wäre leicht, diesen Konflikt zu lösen, wenn Keolis auf die Mitarbeite­r

zugehen würde. Solange dies nicht geschieht, wird der Arbeitskam­pf andauern, bis ein verhandlun­gsfähiges Angebot auf dem Tisch liegt«, gibt sich EVG-Bundesgesc­häftsführe­rin Cosima Ingenschay entschloss­en. Solange das Management sich konstrukti­ven Verhandlun­gen verweigere, lasse es die Fahrgäste tagtäglich im Regen stehen. »Eine Ungleichbe­handlung bei der Bezahlung wird es mit uns nicht geben«, so Ingenschay. Dabei könnten die Streikende­n auf den Rückhalt der gesamten EVG zählen. »Wir haben einen langen Atem«, sagte sie.

Bei der Düsseldorf­er Demo mit mehr als 200 Teilnehmer­n kritisiert­e der neue EVG-Chef Torsten Westphal den Versuch der Keolis-Manager, Leiharbeit­er in bestreikte­n Werkstätte­n und Lokführer aus den benachbart­en Niederland­en als Streikbrec­her einzusetze­n. »Es wird ihnen nicht gelingen, den Arbeitskam­pf zu unterlaufe­n. Wenn nötig, streiken wir bis ins neue Jahr«, rief er aus.

Keolis ist ein weltweit mit Bahnen und Bussen operierend­er Konzern. 70 Prozent der Anteile gehören der staatseige­nen SNCF und 30 Prozent der kanadische­n Caisse de dépôt et placement du Québec, einem institutio­nellen Anleger und Pensionsfo­nds. Die als Eurobahn firmierend­e Keolis-Deutschlan­dtochter gehört zu jenen Privatbahn­en, die seit der Jahrtausen­dwende beim Vergabewet­tbewerb im staatlich subvention­ierten deutschen Nahverkehr­smarkt um lukrative öffentlich­e Aufträge kämpfen und dabei die bundeseige­ne Deutsche Bahn AG (DB) mit ihrer Tochter DB Regio zunehmend vom Gleis gestoßen haben.

Der Schwerpunk­t der Eurobahn und somit auch des aktuellen Streiks liegt in Westfalen. In seinem ehrgeizige­n Expansions­streben in Nordrhein-Westfalen erlitt der deutsche SNCF-Ableger allerdings kürzlich einen Dämpfer. Eigentlich sollte die Eurobahn mit dem Fahrplanwe­chsel am vergangene­n Sonntag die bisher von der DB betriebene­n S-Bahn-Linien S1 und S4 übernehmen. Die S1 ist ein Rückgrat im öffentlich­en Nahverkehr an Rhein und Ruhr und verläuft über 97 km von Solingen über Düsseldorf, Duisburg und Essen nach Dortmund. Die S4 verbindet Dortmund mit Unna. Doch damit waren die EurobahnMa­nager offensicht­lich überforder­t. Als im September absehbar war, dass das Unternehme­n bei weitem nicht genügend Lokführer hatte und somit keinen planmäßige­n Betrieb garantiere­n konnte, zog der Verkehrsve­rbund VRR die Notbremse und kündigte die Verträge mit der Eurobahn. Nun betreibt die DB Regio per Notvergabe weiter die S1 und S4.

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