Arbeitskampf bei Privatbahn in Westfalen auch Weihnachten?
Am Dienstag demonstrierten die Streikenden in der Landeshauptstadt Düsseldorf vor der Keolis-Deutschlandzentrale
Die Bahngesellschaft SNCF wird nicht nur in Frankreich bestreikt. Seit gut einer Woche stehen in NRW Mitglieder der DGB-Gewerkschaft EVG bei der SNCF-Enkeltochter Keolis/Eurobahn im Arbeitskampf.
Der unbefristete Streik ist vorläufiger Höhepunkt eines monatelangen Tauziehens zwischen EVG und KeolisManagement um einen neuen Tarifvertrag, das von langen ergebnislosen Verhandlungen und Warnstreiks geprägt war. Im Sommer waren Vertreter der Belegschaft nach Paris gereist, um vor der Keolis-Konzernzentrale zu demonstrieren. Bei der jüngsten Urabstimmung hatten sich 94 Prozent der befragten Gewerkschaftsmitglieder für einen Erzwingungsstreik zur Durchsetzung ihrer Forderungen ausgesprochen.
Im Kern geht es der Gewerkschaft um einen eigenständigen Tarifvertrag, der sich nicht nur andenBe langender Trieb fahrzeugführer, sondern gleichermaßen auch an den Bedürfnissen von Werkstatt personal, Kunden betreuern und anderen Berufsgruppen orientiert. Die Gewerkschafter werfendem Management eine Ungleich behandlung verschiedener Gruppen innerhalb der Belegschaft vor und fordern eine Tariferhöhung für alle unabhängig von Berufsgruppen zugehörigkeit oder Erfahrungsstufe. Zudem drängt die EVG auf ein bei der Deutschen Bahn (DB) und anderen Unternehmen bereits erkämpftes Wahlmodell, nach dem die Beschäftigten individuell zwischen mehr Geld, mehr Urlaub ode reiner Arbeitszeit verkürzung wählen könnten.
»Es wäre leicht, diesen Konflikt zu lösen, wenn Keolis auf die Mitarbeiter
zugehen würde. Solange dies nicht geschieht, wird der Arbeitskampf andauern, bis ein verhandlungsfähiges Angebot auf dem Tisch liegt«, gibt sich EVG-Bundesgeschäftsführerin Cosima Ingenschay entschlossen. Solange das Management sich konstruktiven Verhandlungen verweigere, lasse es die Fahrgäste tagtäglich im Regen stehen. »Eine Ungleichbehandlung bei der Bezahlung wird es mit uns nicht geben«, so Ingenschay. Dabei könnten die Streikenden auf den Rückhalt der gesamten EVG zählen. »Wir haben einen langen Atem«, sagte sie.
Bei der Düsseldorfer Demo mit mehr als 200 Teilnehmern kritisierte der neue EVG-Chef Torsten Westphal den Versuch der Keolis-Manager, Leiharbeiter in bestreikten Werkstätten und Lokführer aus den benachbarten Niederlanden als Streikbrecher einzusetzen. »Es wird ihnen nicht gelingen, den Arbeitskampf zu unterlaufen. Wenn nötig, streiken wir bis ins neue Jahr«, rief er aus.
Keolis ist ein weltweit mit Bahnen und Bussen operierender Konzern. 70 Prozent der Anteile gehören der staatseigenen SNCF und 30 Prozent der kanadischen Caisse de dépôt et placement du Québec, einem institutionellen Anleger und Pensionsfonds. Die als Eurobahn firmierende Keolis-Deutschlandtochter gehört zu jenen Privatbahnen, die seit der Jahrtausendwende beim Vergabewettbewerb im staatlich subventionierten deutschen Nahverkehrsmarkt um lukrative öffentliche Aufträge kämpfen und dabei die bundeseigene Deutsche Bahn AG (DB) mit ihrer Tochter DB Regio zunehmend vom Gleis gestoßen haben.
Der Schwerpunkt der Eurobahn und somit auch des aktuellen Streiks liegt in Westfalen. In seinem ehrgeizigen Expansionsstreben in Nordrhein-Westfalen erlitt der deutsche SNCF-Ableger allerdings kürzlich einen Dämpfer. Eigentlich sollte die Eurobahn mit dem Fahrplanwechsel am vergangenen Sonntag die bisher von der DB betriebenen S-Bahn-Linien S1 und S4 übernehmen. Die S1 ist ein Rückgrat im öffentlichen Nahverkehr an Rhein und Ruhr und verläuft über 97 km von Solingen über Düsseldorf, Duisburg und Essen nach Dortmund. Die S4 verbindet Dortmund mit Unna. Doch damit waren die EurobahnManager offensichtlich überfordert. Als im September absehbar war, dass das Unternehmen bei weitem nicht genügend Lokführer hatte und somit keinen planmäßigen Betrieb garantieren konnte, zog der Verkehrsverbund VRR die Notbremse und kündigte die Verträge mit der Eurobahn. Nun betreibt die DB Regio per Notvergabe weiter die S1 und S4.