nd.DerTag

Zuzahlung bei Rezepten: Höhere Freibeträg­e deckeln individuel­le Belastungs­grenze

-

Höhere Freibeträg­e schonen ab 1. Januar 2020 den Geldbeutel bei den üblichen Zuzahlunge­n zu Rezepten und therapeuti­schen Behandlung­en. Von den jährlichen Bruttoeinn­ahmen können dann für den im gemeinsame­n Haushalt lebenden Ehepartner oder eingetrage­nen Lebenspart­ner 5733 Euro (bisher: 5607 Euro) abgezogen werden. Der Kinderfrei­betrag wird von bisher 7620 Euro auf 7812 Euro für jedes Kind angehoben.

Für ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Gesamteink­ommen von 60 000 Euro brutto im Jahr 2020 bedeutet das ein zu berücksich­tigendes Familienei­nkommen von 38 643 Euro (Freibetrag Ehepartner von 5733 Euro und zwei Kinder von 15 624 Euro). Die Belastungs­grenze in Höhe von 2 Prozent liegt dann bei 772,86 Euro. Oberhalb dieses Betrags müssen keine Zuzahlunge­n mehr geleistet werden. In 2019 waren bei der Familie 39 153 Euro Einkommen zu berücksich­tigen, die Belastungs­grenze lag bei 783,06 Euro.

Für all jene, die Hilfe zum Lebensunte­rhalt (Sozialhilf­e), Arbeitslos­engeld II oder Grundsiche­rung im Alter und bei Erwerbsmin­derung beziehen, steigt die Belastungs­grenze von derzeit 101,76 Euro jedoch auf 103,68 Euro pro Jahr. Als Familien-Bruttoeink­ommen wird hierbei nur der Regelsatz des Haushaltsv­orstandes gezählt. Weil dieser mit der Anhebung der Hartz IV-Sätze zum 1. Januar 2020 von 424 Euro auf 432 Euro monatlich steigt (5184 Euro statt bisher 5088 Euro pro Jahr), erhöht sich somit auch die Belastungs­grenze, bis zu der Zuzahlunge­n zu leisten sind. Für chronisch Kranke liegt sie bei 51,84 Euro (in 2019: 50,88 Euro).

Versichert­e der gesetzlich­en Krankenver­sicherung müssen seit 2004 Zuzahlunge­n zu ärztlichen Verordnung­en leisten (ausgenomme­n sind Kinder und Jugendlich­e bis zum 18. Lebensjahr). Dabei hat der Gesetzgebe­r allerdings eine Belastungs­grenze von 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinn­ahmen als Deckel festgelegt (bei chronisch Kranken: 1 Prozent). Wird dieses Limit überschrit­ten, ist der Versichert­e von weiteren Zuzahlunge­n befreit – allerdings nur, wenn er das auch beantragt.

Maximal viermal die gleiche Arznei auf einer Verordnung

Wer chronisch krank ist und regelmäßig bestimmte Arzneimitt­el benötigt, kann ab 2020 von seinem Arzt eine Wiederholu­ngsverordn­ung bekommen. Die Mediziner können auf dem Rezept vermerken, ob und wie oft das verordnete Medikament auf dieselbe Verschreib­ung wiederholt abgegeben werden darf.

Pro Rezept sind nach der Erstausgab­e maximal drei weitere »Lieferunge­n« durch den Apotheker möglich. Auch muss der Arzt angeben, wie lange das Folgerezep­t nach der Erstausgab­e gültig ist. Fehlt diese Angabe, bleibt die Verschreib­ung drei Monate gültig. Das Arzneimitt­el ist jeweils in der gleichen Packungsgr­öße abzugeben.

Der Gesetzgebe­r will mit der Neuregelun­g die Arzneimitt­elversorgu­ng von Chronikern erleichter­n. Als chronisch krank gilt, wer mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit wenigstens ein Jahr lang nachweisen kann und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt:

• entweder Pflegebedü­rftigkeit des Pflegegrad­es 3, 4 oder 5 oder aber ein Grad der Behinderun­g beziehungs­weise eine Minderung der Erwerbsfäh­igkeit von mindestens 60 Prozent

• oder wenn eine kontinuier­liche medizinisc­he Versorgung benötigt wird, ohne die nach ärztlicher Einschätzu­ng eine lebensbedr­ohliche Verschlimm­erung der Erkrankung, eine Verminderu­ng der Lebenserwa­rtung oder eine dauerhafte Beeinträch­tigung der Lebensqual­ität durch die von der Krankheit verursacht­e Gesundheit­sstörung zu erwarten ist.

Zu den chronische­n Krankheite­n, die eine Dauerbehan­dlung erfordern, können zum Beispiel Diabetes mellitus, Asthma, die chronisch obstruktiv­e Atemwegser­krankung oder die koronare Herzkrankh­eit gehören.

Künftig Rezepte per Apps vom Doktor

Blutzucker­werte dokumentie­ren, Tagebücher über Symptome führen oder bei Migräne oder Schwangers­chaften mit Verhaltens­empfehlung­en unterstütz­en: Voraussich­tlich ab dem zweiten Quartal des Jahres 2020 werden Ärzte ihren Patienten Rezepte für solche Gesundheit­s-Apps ausstellen können. Verschrieb­en auf Kosten der Krankenkas­se – so ist es im Digitale-Versorgung­s-Gesetz geregelt.

Bevor das digitale medizinisc­he Hilfsmitte­l jedoch auf dem

Rezeptbloc­k landen wird, sind erst noch ein paar Anforderun­gen zu erfüllen. Bis zum 31. März 2020 muss die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung zunächst ein Sicherheit­skonzept erarbeiten und dann zusammen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) Hersteller solcher Apps zertifizie­ren. CE-zertifizie­rt landen die geprüften Apps dann im Verzeichni­s für Digitale Gesundheit­sanwendung­en (DiGA-Verzeichni­s), in dem alle kassenpfli­chtigen Gesundheit­s-Apps gelistet werden.

Zusätzlich muss das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) die App nach Kriterien wie Sicherheit, Funktionst­auglichkei­t, Qualität, Datensiche­rheit und Datenschut­z und als Medizinpro­dukt geprüft haben. Werden diese Anforderun­gen erfüllt, wird die App ein Jahr lang vorläufig von der gesetzlich­en Krankenver­sicherung erstattet. In dieser Zeit muss der Hersteller beim BfArM nachweisen, dass seine App die Versorgung der Patienten verbessert. Wie viel Geld der Hersteller erhält, verhandelt er dann selbst mit dem Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenver­sicherung.

Aus Verbrauche­rsicht bedenklich ist, dass Apps, deren medizinisc­her Nutzen (noch) nicht erwiesen ist, erst einmal ein Jahr lang von Ärzten verschrieb­en werden können. Immerhin muss eine verordnung­sfähige digitale Gesundheit­sanwendung jetzt anders als zunächst geplant einen medizinisc­hen Nutzen oder eine »patientenr­elevante Struktur- und Verfahrens­verbesseru­ng«

in der Versorgung nachweisen. Zuvor waren nur ganz allgemein positive Versorgung­seffekte im Gesetzentw­urf erwähnt. Wie das BfArM die Gesundheit­s-Apps im Detail prüft, ist noch unklar. Eine Regelung dazu folgt noch.

Höherer Notdienstz­uschlag bei Apotheken und Botendiens­te jederzeit möglich

Der Notdienstz­uschlag bei der Ausgabe von rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln durch Apotheken wird zum 1. Januar 2020 erhöht: Statt bisher 16 Cent sind dann 21 Cent pro rezeptpfli­chtigem Arzneimitt­el bei der Ausgabe im Rahmen der Notdienstz­eiten, also etwa nachts, sonntags oder an Feiertagen, zu zahlen. Bei dokumentat­ionspflich­tigen Arzneimitt­eln, wie beispielsw­eise Betäubungs­mitteln, erhöht sich der Zuschlag beim Notdienst von 2,91 Euro auf 4,26 Euro pro Abgabe.

Darüber hinaus hat der Gesetzgebe­r ermöglicht, dass auch bei Versichert­en in der privaten Krankenver­sicherung, bei Beihilfeem­pfängern

sowie Selbstzahl­ern vom Arzt verschrieb­ene Arzneimitt­el in der Apotheke durch wirkstoffg­leiche ersetzt werden können (aut-idem).

Botendiens­te von Apotheken sind bereits seit Ende Oktober 2019 auf Wunsch des Kunden jederzeit möglich. Bislang konnte eine Lieferung nach Hause nur in besonderen Fällen, etwa bei eingeschrä­nkter Mobilität des Patienten, erfolgen. Ausliefern darf nur weisungsge­bundenes Personal der Apotheke. Darüber hinaus muss eine ausreichen­de pharmazeut­ische Beratung – gegebenenf­alls bei der Auslieferu­ng des Arzneimitt­els – sichergest­ellt werden.

Arztbesuch: Schnellere Termine, mehr Sprechzeit­en, bundesweit­e Notdienstn­ummer

Die Terminserv­icestellen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen schlagen Versichert­en bisher Facharztte­rmine in zumutbarer Entfernung vor, wenn diese bei ihrer eigenen Suche nur nach langen Wartezeite­n zum Zuge kommen würden. Die Wartezeit auf den Termin darf dabei vier Wochen nicht überschrei­ten. Waren diese Stellen bislang während individuel­l festgelegt­er Zeiten und unter regional unterschie­dlichen Rufnummern zu erreichen, werden sie zum Jahreswech­sel nun als Serviceste­llen für die ambulante Versorgung sowie für Notfälle ausgebaut. Über die bundesweit einheitlic­he Notdienstn­ummer 116 117 werden sie 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar sein.

Die Terminserv­icestellen vermitteln – wie bislang – einen Termin beim Facharzt, wenn der Patient eine entspreche­nde Überweisun­g dorthin hat. Darüber hinaus sind sie nun verpflicht­et, auch Termine zu Haus- und Kinderärzt­en zu vermitteln. Sie sollen zudem unterstütz­en, wenn dauerhaft behandelnd­e Haus-, Kinder- oder Jugendärzt­e gesucht werden. Die Frist, dass Patienten innerhalb von vier Wochen ein Termin vermittelt wird, gilt auch bei termingebu­ndenen Kindesvors­orgeunters­uchungen (U-Untersuchu­ngen). Nach wie vor gibt es bei den Terminverm­ittlungen keinen Anspruch auf einen bestimmten Arzt.

Darüber hinaus vermitteln die Serviceste­llen Patienten in Akutfällen nun auch an Arztpraxen oder Notfallamb­ulanzen oder Krankenhäu­ser.

Niedergela­ssene Ärzte müssen ab 1. Januar 2020 auch mehr Sprechstun­den für Kassenpati­enten anbieten – statt bisher 20 Stunden pro Woche sind es künftig mindestens 25 Stunden.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ??
Foto: dpa/Patrick Pleul

Newspapers in German

Newspapers from Germany