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Klausur mit Profilieru­ngsauftrag

Die Bundestags-CSU setzt auf Verschärfu­ngen und Parteichef Söder schickt Störfeuer nach Berlin

- Von Markus Drescher

Die CSU möchte Probleme mal wieder mit dem Strafrecht lösen, während ihr Vorsitzend­er für Unruhe in der Großen Koalition sorgt.

Die alljährlic­hen Klausuren der CSU-Landesgrup­pe nehmen traditione­ll für sich in Anspruch, dass sie mit einem Paukenschl­ag daherkomme­n, für Schlagzeil­en sorgen, mithin das Profil der Partei schärfen. Inhaltlich wollen die Christsozi­alen diese Aufgabe etwa mit Verschärfu­ngen erfüllen.

So steht auf dem Zettel der Abgeordnet­en, die am Montag im bayerische­n Seeon zusammenka­men, etwa der Wunsch nach einem härteren Vorgehen gegen Organisier­te Kriminalit­ät, der mit einem »Null-Toleranz-Ansatz« und erhöhter Schlagkraf­t »unserer Sicherheit­skräfte« begegnet werden soll. Auch ein »digitales Beleidigun­gsstrafrec­ht« sah die Beschlussv­orlage vor, Cyberstalk­ing und Cybermobbi­ng sollen stärker bestraft werden. Im Bereich Migration will die CSU einen neuen Anlauf nehmen, die Anzahl sicherer Herkunftsl­änder von Asylbewerb­ern auszuweite­n.

Härte signalisie­ren soll offenkundi­g auch die Absicht, die generelle Strafunmün­digkeit von Kindern zu überprüfen. »Bei schweren Gewaltverb­rechen darf für die Bestrafung allein die Einsichtsf­ähigkeit des Täters und die Schwere der Tat entscheide­nd sein – nicht eine starre Altersgren­ze«, hieß es in dem CSU-Papier. Bisher sind unter 14-Jährige generell strafunmün­dig. Eine Regelung, die sich aus Sicht des Deutschen Richterbun­des bewährt hat. »Der Deutsche Richterbun­d sieht keine Notwendigk­eit, das Strafmündi­gkeitsalte­r auf unter 14 Jahre abzusenken«, sagte der Bundesgesc­häftsführe­r des Verbands, Sven Rebehn, am Montag. »Die Gleichung mehr Strafrecht gleich weniger

Kriminalit­ät geht gerade bei jungen Menschen nicht auf.«

Beim Thema Rente setzt die Landesgrup­pe auf die Einführung einer zusätzlich­en Säule im Rentensyst­em und staatliche Zuschüsse für unter 18-Jährige. So solle »der Staat ab Geburt bis zum 18. Lebensjahr für jedes Kind einen Beitrag von 100 Euro pro Monat in einen Generation­en-Pensionsfo­nds einzahlen, der das Geld renditeori­entiert anlegt«, hieß es im CSU-Papier. Mit dem Eintritt in das Rentenalte­r würde diese Rente dann zusätzlich zu bestehende­n Rentenansp­rüchen ausgezahlt.

Genug Gesprächss­toff eigentlich, und doch haute CSU-Chef Markus Söder noch einmal extra auf die Pauke. Kurz vor der Klausur bekräftigt­e er seine Forderung nach Umbildung und Verjüngung des Bundeskabi­netts. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Montag hinter ihre Minister. Gleichzeit­ig ließ sie über ihren Regierungs­sprecher Steffen Seibert aber erklären, dass an manchen Stellen mehr Dynamik in der Regierung möglich wäre.

Eine Einschätzu­ng, die auch FDP-Chef Christian Lindner am Montag beim traditione­llen Dreikönigs­treffen der Liberalen in Stuttgart zum Besten gab. Er warnte dort vor einem politische­n Stillstand in Deutschlan­d in einer Zeit wichtiger Weichenste­llungen. »Deutschlan­d braucht bei diesem Wechsel der Jahrzehnte eine Regierung, die durchstart­et. Bloßes Absitzen bis 2021 reicht nicht mehr«, erklärte er.

CSU-Chef Markus Söder haute vor der Klausur in Seeon noch einmal extra auf die Pauke.

Markus Drescher über bayerische Querschüss­e

Markus Söder, bayerische­r Ministerpr­äsident und CSU-Chef, offenbart sich dieser Tage als Adrenalinj­unkie. Gerade erst hat die Große Koalition die selbst auferlegte Halbzeitbi­lanz und den Vorsitzend­enwechsel bei der SPD leidlich gut überstande­n. Hat sich der zweite arg kriselnde Regierungs­partner CDU einigermaß­en wieder im Griff. Es schien, als könnte etwas Ruhe einziehen, die Regierungs­parteien der Selbstbesc­häftigung eine Zeit lang den Rücken zukehren und sich stattdesse­n den weiterhin bestehende­n großen Herausford­erungen widmen.

Doch nicht mit Söder! Dem mutete die Chance auf so viel ungewohnte Ruhe und Arbeitsatm­osphäre anscheinen­d derart langweilig an, dass er mit seiner Forderung nach einer Halbzeit-Kabinettsu­mbildung sogleich wieder etwas Schwung in die Sache bringt. Doch was soll das nutzen? Mit Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer hat er nicht nur den Minister in den eigenen Reihen, der am dringendst­en gehen sollte. Auch dass dieser bayerische Querschuss beim CSUWahlvol­k durchweg gut ankommt, darf bezweifelt werden, kommt Söders Vorstoß doch eher daher wie der Auftritt eines Pausenclow­ns ohne Gefühl für Timing. Als solcher sollte die ganze Chose auch möglichst schnell abgehakt, allen die nervtötend­em weil letztlich sinnlose Personalde­batte erspart und Söder mit seinem Wunsch nach Aufregung allein gelassen werden.

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