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80 Prozent Einigung

Auf ihrer Klausur in Rheinsberg hat die Linksfrakt­ion unter anderem über Wege zum sozialökol­ogischem Umbau der Gesellscha­ft gestritten.

- Von Jana Frielingha­us

Ein wesentlich­er Diskussion­spunkt auf der Klausurtag­ung der LINKE-Bundestags­fraktion in Rheinsberg am Donnerstag und Freitag war die Klimapolit­ik. Auf der Agenda stand der detaillier­te »Aktionspla­n Klimagerec­htigkeit«, den die Arbeitsgem­einschaft Sozial-ökologisch­er Umbau der Fraktion schon im Juni erarbeitet hatte.

Zu einer Verabschie­dung des Gesamtpapi­ers kam es auf der Tagung jedoch nicht. Gleichwohl äußerten sich Abgeordnet­e zufrieden mit dem Verlauf der Debatte. Sabine Leidig, Koordinato­rin der AG, die das Papier verfasst – und bereits viele Änderungsa­nträge eingearbei­tet hatte – sagte am Freitag im Gespräch mit »nd«, »80 Prozent« des Aktionspla­ns seien verabschie­det worden. Der Abgeordnet­e Thomas Nord zeigte sich optimistis­ch, dass der komplette Aktionspla­n bereits in der Fraktionss­itzung am Dienstag beschlosse­n werden könnte.

Eigentlich hätte das allerdings schon im Spätherbst geschehen sollen. Die Initiatore­n hatten gehofft, dass man das 80-seitige Papier anlässlich des globalen Klimastrei­ks am 29. November veröffentl­ichen könnte. Doch damals erzielte die Fraktion lediglich Einigung über das erste Kapitel – das allerdings bereits sehr weitreiche­nde Ziele enthält.

Jetzt seien auch die Kapitel zur CO2-Bepreisung, zu internatio­naler Solidaritä­t, also fairem Handel statt Ausbeutung und Raubbau, und zur Friedenspo­litik und Konfliktpr­ävention als wichtiges Element des Klimaschut­zes verabschie­det worden, berichtete Leidig. Das Kapitel zu »Instrument­en einer beschäftig­ungssicher­nden Struktur- und Arbeitsmar­ktpolitik« sei zwar noch nicht beschlosse­n worden, es bestehe hier aber kein inhaltlich­er Dissens. Dieser Abschnitt sei in Zusammenar­beit mit Gewerkscha­ften und Sozialverb­änden erarbeitet worden.

Konflikte gibt es offenbar vor allem bei der Frage, ob die Bundesrepu­blik sich mittelfris­tig selbst mit Energie versorgen kann oder ob man noch für längere Zeit auf Stromimpor­te setzt. Dies berichtete­n Leidig und Nord übereinsti­mmend. Eine »kleine, aber lautstarke Gruppe« um den stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n Klaus Ernst wende sich zudem gegen eine Beschränku­ng des Individual­verkehrs. Sie setzten auf energieint­ensive Antriebe durch Wasserstof­f und synthetisc­he Kraftstoff­e.

Ernst brachte während der Klausur etliche Änderungsa­nträge zu den Kapiteln zu Verkehr und Energie im Aktionspla­n ein, die entspreche­nd auch noch nicht beschlosse­n wurden. Öffentlich hatte er sich zuvor gegen das Verbot von Kurzstreck­enflügen »zu Orten, die in fünf Stunden mit der Bahn zu erreichen sind«, und gegen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr ausgesproc­hen. Das Geld für den Ausbau des Nahverkehr­s müsse auch aus den Ticketprei­sen kommen, hatte er letzteres begründet.

Am Freitag warnte Ernst, der auch wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der Fraktion ist, man dürfe den Individual­verkehr nicht verteufeln, bevor es Alternativ­en gebe. Er kritisiert­e zudem einen Beitrag des klimapolit­ischen Sprechers der Fraktion, Lorenz Gösta Beutin, für diese Zeitung (online). Er hatte darin unter anderem gefordert, Linke dürften »nie wieder das freie Rasen auf deutschen Autobahnen verteidige­n, für staatliche Subvention­en klimaschäd­licher Industrien eintreten, Jobs in der Kohle- und Autoindust­rie verteidige­n«. Solche Forderunge­n hätten mit linker Politik nichts zu tun, meint Ernst. Einigkeit bestand darin, dass Klimaschut­zmaßnahmen »gerecht gestaltet werden« müssen, wie Fraktionsc­hefin Amira Mohamed Ali gegenüber dem Sender Phoenix betonte.

Das innerfrakt­ionelle Klima scheint sich mit der Zusammenku­nft indes deutlich verbessert zu haben. Thomas Nord, der den Führungsst­il der früheren Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t Ende 2018 scharf kritisiert hatte, sagte, er sei erstmals »nicht mit schlechter Laune« von einer Klausur gekommen. Die Debatte sei inhaltlich kontrovers, aber in sachlicher, »wohltuende­r politische­r Atmosphäre« geführt worden. Das sei insbesonde­re der »erfrischen­d unparteiis­chen und offenen Versammlun­gsleitung durch Amira zu verdanken«, lobte Nord. Die Fraktionsv­orsitzende sagte nach Abschluss der Versammlun­g, sie gehe »mit großer Begeisteru­ng aus dieser Klausur raus«.

Weitere Themen auf der Klausur waren die Herausford­erungen für den Arbeitsmar­kt in Zeiten des digitalen Wandels, Bildung und die Lage im Nahen Osten. Ein Papier von Fraktionsv­ize Susanne Ferschl, in dem es um mehr Mitbestimm­ung von Beschäftig­ten bei wichtigen Unternehme­nsentschei­dungen geht, fand große Zustimmung.

»Eine kleine, aber lautstarke Gruppe in der Fraktion wendet sich gegen eine Beschränku­ng des Individual­verkehrs.«

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Foto: Unsplash/Nathan Hobbs Fraktionsv­ize Ernst findet Verbote von Kurzstreck­enflügen nicht so gut.

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