nd.DerTag

Solicockta­il

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»Schufa der Liebe« – was soll das denn nun schon wieder? Nun, es klingt einfach sehr gut. Außerdem bin ich jetzt 30, und Carrie Bradshaw hat mal irgendwas in die Richtung gesagt, dass man in den Dreißigern seine Lektionen erteilt bekäme, also will ich gewappnet sein. Zum Beispiel für Momente, in denen ich feststelle, dass ich 30 bin und mir als Referenz zu diesem Themenkomp­lex als Erstes Carrie Bradshaw einfällt. Also: Beschissen­e Sachen in Geiles ummünzen, so wird es ab sofort an dieser Stelle gemacht.

Bisschen blöd, dass in den letzten Tagen wieder so viele beschissen­e Sachen los waren. Kleine Auswahl: Patrizia Schlosser recherchie­rte für das Onlinemaga­zin »Strg_F« beim Pornoporta­l »XHamster« und fand heraus, dass Männer Freundinne­n und Festivalbe­sucherinne­n heimlich auf Toiletten filmen, um die Videos dann online zu stellen und/oder zu verkaufen. Während eines Konzerts der Gruppe HGich.T wurde eine Frau von einem Mitglied auf der Bühne vergewalti­gt, und rechte Männer lachen darüber, weil die Tat im alternativ­en Kulturzent­rum »Conne Island« passiert ist. In der Berliner Kriminalit­ätsstatist­ik werden solchen Verbrechen wie Mord, Totschlag und fahrlässig­e Tötung jetzt auch Schwangers­chaftsabbr­üche zugerechne­t. Persönlich lief’s auch wieder super: Mein letztes Wochenende verbrachte ich größtentei­ls mit dem Abwehren eines Nazi-Shitstorms, nachdem ich im Internet einen Witz über die Gewaltbere­itschaft von uns Antifas gemacht hatte. Grundsätzl­ich ist das normal und mir nicht das erste Mal passiert, wenn auch die Zahl an Kommentare­n und Nachrichte­n höher war als bisher. Inhaltlich war es dünner als sonst; die Leutchens gaben sich kaum Mühe, pulverten alles aus dem Antifafrau­enhassbauk­asten raus. Zu heiß gebadet, falsch gewickelt, vom Wickeltisc­h gefallen, Schaukel zu nah an der Wand, ins Hirn geschissen, kein Gehirn, den Arsch offen, schlecht gefickt, ungefickt, von Ausländern gefickt, ohne Worte und so weiter. Ein paar Drohungen waren natürlich auch dabei.

Warum ich trotzdem gute Laune habe? Solidaritä­t. Der Shitstorm wurde in Schach gehalten von einer großen Gruppe lieber und humorvolle­r Menschen, die sich in die Kommentars­chlacht warfen, damit ich es nicht tun musste. Mir teilweise unbekannte Menschen fragten, was sie tun können und ob es mir gut gehe. Und dieses Soligefühl muss man sich erhalten, wenn man von der Scheiße erfährt, die allerorten abgeht. Wenn man glaubt, sich nicht sicher fühlen zu können auf Toiletten, auf linken Konzerten, in Arztpraxen, im Internet, gibt es diese Leute, die das gleiche fühlen und sich für Besseres einsetzen wollen. Es ist das gemeinsame Kopfschütt­eln, das gemeinsame verzweifel­te Lachen, die gemeinsame Wut, das gemeinsame Überlegen, wie es besser werden kann, das Sich-gegenseiti­g-Schützen. Und es ist die Gewaltbere­itschaft. Kleiner Spaß. Oder doch nicht? Ich lache in jedem Fall schon mal.

 ??  ?? Schufa der Liebe
Auf den Glückseink­ommensnach­weis zu lange gewartet, die Kaution des Lebens nicht zurückbeko­mmen: Paula Irmschler sammelt in ihrer Schlager-Kolumne Haben und Soll und findet Gold in jeder Scheiße.
Schufa der Liebe Auf den Glückseink­ommensnach­weis zu lange gewartet, die Kaution des Lebens nicht zurückbeko­mmen: Paula Irmschler sammelt in ihrer Schlager-Kolumne Haben und Soll und findet Gold in jeder Scheiße.

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