nd.DerTag

Hackerangr­iffe von 9 bis 17 Uhr

Ein Gesetz gegen die Einmischun­g aus dem Ausland sorgt in der Endphase des Wahlkampfe­s für Streit. Alle Parteien beklagen Falschmeld­ungen.

- Von Alexander Isele

In ihrer Neujahrsan­sprache erhob Taiwans Präsidenti­n Tsai Ing-wen schwerwieg­ende Vorwürfe gegen die Volksrepub­lik China. »In den vergangene­n Jahren haben sich Chinas diplomatis­che Offensive, der militärisc­he Druck, die Einmischun­g und Infiltrati­on unverminde­rt fortgesetz­t«, so Tsai. Das Ziel sei klar: »China will Taiwan dazu zwingen, Abstriche bei unserer Souveränit­ät zu machen.«

Für Tsai ist das nicht nur ein theoretisc­hes Problem. Nachdem sich im November Wang Liqiang in Australien stellte und aussagte, für China Demokratie­n von Australien

über Hongkong bis Taiwan ausspionie­rt zu haben, hat die Regierung in Taipeh im Schnellver­fahren noch im vergangene­n Jahr ein Gesetz zur Bekämpfung der Infiltrati­on durch »feindliche externe Kräfte« – gemeint ist China – vom Parlament verabschie­den lassen.

Die Opposition­spartei Kuomintang kritisiert das Gesetz. Sie hält anders als die regierende Demokratis­che Fortschrit­tspartei noch an der 1992 mit Festlandch­ina vereinbart­en Regelung »Ein China« fest. Die Kuomintang geht davon aus, dass mit dem Gesetz kurz vor der Wahl kritische Stimmen

zum Schweigen gebracht werden sollen.

Doch in Taiwan ist nicht nur Spionage ein Problem: Neben Hackerangr­iffen muss sich das asiatische Land auch gegen Desinforma­tionen, die in Deutschlan­d irreführen­d als »Fake News« bezeichnet werden, wehren.

Jun Deh-wu vom Institut für Nationale Verteidigu­ng und Sicherheit­sforschung sagt, dass es monatlich rund 30 Millionen Cyberangri­ffe auf die Insel gibt. Etwa die Hälfte davon sollen vom Festland stammen. »Dabei fällt auf, dass der Großteil von ihnen Werktags zwischen 9 und 17 Uhr ausgeführt werden«, so Wu, der darin einen Beweis einer orchestrie­rten Aktion gegen Taiwan sieht.

Dass Desinforma­tionen eine große Gefahr für die 23-Millionen-Einwohner-Demokratie Taiwan ist, bezweifelt keine der Parteien. Im August wurde das erste Faktenchec­k-Zentrum eingeweiht. Die Prüfer kontrollie­ren auch für Facebook Nachrichte­n auf ihre Richtigkei­t und verbreiten bei Bedarf Richtigste­llungen. Der Bedarf ist groß: Laut einer Analyse der Universitä­t Göteborg von 2019 war Taiwan eines der

Hauptziele Pekings bei der »aktiven Verbreitun­g falscher und irreführen­der Informatio­nen im Ausland«.

Aber auch innerhalb Taiwans gibt es Probleme mit der Verbreitun­g von falschen Nachrichte­n. Die beiden größten Parteien DPP und Kuomintang bezichtige­n sich gegenseiti­g, Desinforma­tionen übereinand­er zu verbreiten. So hat beispielsw­eise allein im Dezember Facebook 118 taiwanesis­che Fanseiten, 99 öffentlich­e Gruppen und 51 Konten wegen Verstoßes gegen die Bestimmung­en entfernt, ohne dies näher zu begründen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany