Hackerangriffe von 9 bis 17 Uhr
Ein Gesetz gegen die Einmischung aus dem Ausland sorgt in der Endphase des Wahlkampfes für Streit. Alle Parteien beklagen Falschmeldungen.
In ihrer Neujahrsansprache erhob Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen schwerwiegende Vorwürfe gegen die Volksrepublik China. »In den vergangenen Jahren haben sich Chinas diplomatische Offensive, der militärische Druck, die Einmischung und Infiltration unvermindert fortgesetzt«, so Tsai. Das Ziel sei klar: »China will Taiwan dazu zwingen, Abstriche bei unserer Souveränität zu machen.«
Für Tsai ist das nicht nur ein theoretisches Problem. Nachdem sich im November Wang Liqiang in Australien stellte und aussagte, für China Demokratien von Australien
über Hongkong bis Taiwan ausspioniert zu haben, hat die Regierung in Taipeh im Schnellverfahren noch im vergangenen Jahr ein Gesetz zur Bekämpfung der Infiltration durch »feindliche externe Kräfte« – gemeint ist China – vom Parlament verabschieden lassen.
Die Oppositionspartei Kuomintang kritisiert das Gesetz. Sie hält anders als die regierende Demokratische Fortschrittspartei noch an der 1992 mit Festlandchina vereinbarten Regelung »Ein China« fest. Die Kuomintang geht davon aus, dass mit dem Gesetz kurz vor der Wahl kritische Stimmen
zum Schweigen gebracht werden sollen.
Doch in Taiwan ist nicht nur Spionage ein Problem: Neben Hackerangriffen muss sich das asiatische Land auch gegen Desinformationen, die in Deutschland irreführend als »Fake News« bezeichnet werden, wehren.
Jun Deh-wu vom Institut für Nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung sagt, dass es monatlich rund 30 Millionen Cyberangriffe auf die Insel gibt. Etwa die Hälfte davon sollen vom Festland stammen. »Dabei fällt auf, dass der Großteil von ihnen Werktags zwischen 9 und 17 Uhr ausgeführt werden«, so Wu, der darin einen Beweis einer orchestrierten Aktion gegen Taiwan sieht.
Dass Desinformationen eine große Gefahr für die 23-Millionen-Einwohner-Demokratie Taiwan ist, bezweifelt keine der Parteien. Im August wurde das erste Faktencheck-Zentrum eingeweiht. Die Prüfer kontrollieren auch für Facebook Nachrichten auf ihre Richtigkeit und verbreiten bei Bedarf Richtigstellungen. Der Bedarf ist groß: Laut einer Analyse der Universität Göteborg von 2019 war Taiwan eines der
Hauptziele Pekings bei der »aktiven Verbreitung falscher und irreführender Informationen im Ausland«.
Aber auch innerhalb Taiwans gibt es Probleme mit der Verbreitung von falschen Nachrichten. Die beiden größten Parteien DPP und Kuomintang bezichtigen sich gegenseitig, Desinformationen übereinander zu verbreiten. So hat beispielsweise allein im Dezember Facebook 118 taiwanesische Fanseiten, 99 öffentliche Gruppen und 51 Konten wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen entfernt, ohne dies näher zu begründen.