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Geliebter Angstgegne­r

Nach dem 34:23 bei ihrem EM-Auftakt gegen die Niederland­e müssen die deutschen Handballer am Sonnabend schon gegen den Titelverte­idiger Spanien ran.

- Von Michael Wilkening, Trondheim

Spanien. Kein Gegner hat den Weg der deutschen Handballer in den vergangene­n Jahren derart geprägt wie die spanische Mannschaft. Gegen die Iberer gab es Triumphe und Tragödien. »Wenn ich an Spanien denke, habe ich positive und negative Erinnerung­en«, sagt Julius Kühn. Der Rückraumsp­ieler der MT Melsungen war beim EM-Sieg vor vier Jahren dabei, als die Deutschen die Iberer im Endspiel demontiert­en, und litt mit, als die Auswahl des Deutschen Handballbu­ndes vor zwei Jahren sang- und klanglos gegen die Spanier aus dem EM-Turnier flog.

Am Samstag (18.15 Uhr) spielen die Deutschen bei der Europameis­terschaft in Trondheim erneut gegen den geliebten Angstgegne­r. Mit einem Sieg können die

Kein Team verfügt über mehr Erfahrung als Spanien, dessen Kader bereits beim EM-Sieg vor zwei Jahren eine Ansammlung von Routiniers war. 13 von 16 Spielern sind auch 2020 dabei.

Schützling­e von Christian Prokop die Tür zum Halbfinale bereits weit aufstoßen.

Besonders für den Bundestrai­ner weckt das Duell gegen den amtierende­n Europameis­ter Erinnerung­en – an den schwersten Moment seiner Amtszeit. Nach dem blamablen Aus bei der EM 2018 in Kroatien, das durch die fatale Niederlage gegen Spanien besiegelt wurde, schien die Entlassung des gerade erst ins Amt berufenen Prokop beschlosse­n zu sein. Es überrascht­e, dass der heute 41-Jährige seinen Job behielt und deshalb in Norwegen die Chance erhält, das Trauma von 2018 zu überwinden. Im vergangene­n Jahr bei der Weltmeiste­rschaft im eigenen Land bekamen es Prokop und die deutsche Mannschaft ebenfalls mit den Spaniern zu tun, standen vor dem Aufeinande­rtreffen aber bereits im Halbfinale, sodass der 30:29-Erfolg nicht taugte, um die Schmach von 2018 zu überwinden. Damals in Varazdin hatten sich die Deutschen in der zweiten Halbzeit wehrlos ihrem Schicksal ergeben und damit für ein kleines Erdbeben in Handball-Deutschlan­d gesorgt.

Die Erinnerung­en trägt Trainer Prokop in sich und schiebt sie doch zur Seite, um im Hier und Jetzt mit einem Erfolg gegen die Spanier einen großen Schritt machen zu können. Der Leipziger weiß, wie schwer es wird. Einerseits offenbarte seine Mannschaft beim letztlich ungefährde­ten 34:23Erfolg gegen die Niederland­e Schwächen, als die Niederländ­er Hektik auf dem Feld verbreitet­en. Anderersei­ts sind die Spanier meisterhaf­t darin, Hektik zu verbreiten. »Die werden provoziere­n mit Täuschen und Sinken in der Abwehr«, ist sich Kapitän Uwe Gensheimer sicher. »Die wollen, dass man nicht mit vollem Tempo auf die Hütte kommt.«

Gerade nach den vielen verletzung­sbedingten Absagen bei der deutschen Mannschaft vor dem Start der Europameis­terschaft ist der eklatantes­te Unterschie­d zwischen der DHB-Auswahl und ihrem Gegner die Routine. Kein Team besitzt mehr Erfahrung und Abgeklärth­eit als Titelverte­idiger Spanien, dessen Kader bereits beim EM-Sieg 2018 eine Ansammlung von Routiniers war. Seither hat sich die Mannschaft kaum verändert, 13 von 16 Akteuren stehen immer noch im Aufgebot von Jordi Ribera.

Deshalb erwartet die Deutschen ein Stresstest – und es wird spannend zu beobachten sein, ob die Mannschaft in der Lage ist, diesen zu bewältigen. »Wir müssen mit viel Energie und Tempo spielen«, fordert Prokop. Der Bundestrai­ner weiß, dass sich sein Team im Vergleich zum Auftritt gegen die biederen Niederländ­er steigern muss. Prokop ist überzeugt, dass seine Mannschaft dazu in der Lage ist. Vor allem die erste Garde

wird überzeugen müssen, um die Spanier schlagen zu können. Die Rückraum-Achse Julius Kühn, Paul Drux und Kai Häfner muss im Angriff funktionie­ren. In der Defensive werden die Deutschen das Niveau erreichen müssen, das sie im vergangene­n Jahr ins WMHalbfina­le führte.

Alles steht aus Sicht von Andreas Wolff in Trondheim aber (noch) nicht auf dem Spiel. »Ich denke nicht, dass es ein Do-or-Die-Spiel ist«, sagt der Torhüter. »Wir haben 2016 in der Vorrunde gegen sie verloren und sind anschließe­nd Europameis­ter geworden«, erinnert er sich an den Triumph vor vier Jahren zurück. Im Endspiel, auch damals ging es gegen Spanien, überragte der Keeper mit seiner Leistung. Wie etliche Kollegen hat auch er nicht nur negative Erinnerung­en an Spanien – den geliebten Angstgegne­r.

 ?? Foto: AFP/Ole Martin Wold ?? Spaniens Alex Dujshebaev (r.) beim Auftaktsie­g gegen Lettland (33:22)
Foto: AFP/Ole Martin Wold Spaniens Alex Dujshebaev (r.) beim Auftaktsie­g gegen Lettland (33:22)

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