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Kein Monster

Sturmtief »Sabine« alias »Ciara« ließ Gnade walten.

- Von Jana Frielingha­us Mit Agenturen

Wegen Orkan »Sabine« stellte die Deutsche Bahn den gesamten Fernverkeh­r ein. Dabei erreichte er hierzuland­e nur an wenigen Orten 100 Stundenkil­ometer und verlief auch in anderen Staaten glimpflich.

Bevor Sturmtief »Sabine« ab Sonntagabe­nd von West nach Ost durch Deutschlan­d zog, war in manchen Berichten von einem »Monsterork­an« die Rede gewesen. Dabei hatte der Deutsche Wetterdien­st (DWD) betont, mit einem solchen sei gerade nicht zu rechnen. Tatsächlic­h erreichte der Sturm nur in einigen Regionen Geschwindi­gkeiten von 100 Stundenkil­ometern. Lediglich auf dem Feldberg im Schwarzwal­d und auf dem Brocken im Harz wurden Böen von mehr als 170 km/h registrier­t.

Nur in Bayern kam der Orkan an die Stärke von »Kyrill« heran, der im Januar 2007 in ganz Deutschlan­d schwere Schäden verursacht hatte. In weiten Teilen des Freistaats galt am Montagvorm­ittag noch die zweithöchs­te Unwetterwa­rnstufe, für einige Regionen sogar die höchste. Im niederbaye­rischen Landkreis Passau wurden 154 km/h gemessen. Das sei »in solchen Tieflagen eine absolute Spitze«, sagte der Meteorolog­e Martin Schwienbac­her. Sein Kollege Jörg Kachelmann kritisiert­e am Montag eine Art »Alarmismus« bei derartigen Wetterphän­omenen. Die komplette Einstellun­g des Fernverkeh­rs durch die Deutsche Bahn hält Kachelmann für unangemess­en. Es habe sich bei »Sabine« um einen »durchschni­ttlichen« Winterstur­m gehandelt. Auf einer Skala von 1 bis 10 sei er eine 6. In Frankreich und der Schweiz, wo der Sturm ebenfalls stark war, habe es keine nennenswer­ten Störungen im Zugverkehr gegeben. Die Schulschli­eßungen

»Wenn die Bäume kein Laub tragen, sind sie weniger anfällig.«

Guido Wolz, Deutscher Wetterdien­st, zur Ursache für die vergleichs­weise geringen Waldschäde­n durch »Sabine«

an vielen Orten hält Kachelmann hingegen für gerechtfer­tigt.

Tatsächlic­h ist Deutschlan­d glimpflich davongekom­men. Weil viele Baumbestän­de durch zwei Dürresomme­r angegriffe­n sind, waren größere Schäden befürchtet worden. Guido Wolz vom DWD erklärte, im Sommer hätte ein vergleichb­arer Sturm wesentlich mehr Bäume entwurzelt, denn: »Wenn die Bäume kein Laub tragen, sind sie weniger anfällig.«

Der Fern- und Regionalve­rkehr der Bahn rollte am Montag nach und nach wieder an. Bahnkunden mussten aber noch den ganzen Tag Verspätung­en und Zugausfäll­e in Kauf nehmen.

Vor allem in Nord- und Westdeutsc­hland wurden mehrere Menschen von umstürzend­en Bäumen oder herumflieg­enden Gegenständ­en verletzt, drei von ihnen schwer. In Frankfurt am Main knickte ein Baukran ab, sein Ausleger krachte in das Dach des Doms. In Bayern waren rund 50 000 Menschen über Stunden ohne Strom. An den Flughäfen fielen Hunderte Starts und Landungen aus, vor allem der Münchner Airport war betroffen.

Weil Schulen und Kitas am Montag vielerorts aus Sicherheit­sgründen geschlosse­n blieben, mussten viele Eltern kurzfristi­g private Betreuungs­möglichkei­ten für ihre Kinder organisier­en oder frei nehmen. In Mülheim an der Ruhr fiel ein Baum auf ein Auto, jedoch nur auf dessen hinteres Teil, so dass die beiden Insassen nur leicht verletzt wurden. In Paderborn wurde ein 16-Jähriger durch einen herabstürz­enden Ast schwer am Kopf verletzt. In Saarbrücke­n wurden am Sonntagabe­nd drei Menschen verletzt. Eine Frau schwebte laut Polizei am Montagmorg­en noch in Lebensgefa­hr.

In Großbritan­nien sowie in Frankreich und Belgien war das Sturmtief »Ciara« genannt worden. Auch in den meisten anderen Ländern hielten sich die durch den Orkan verursacht­en Sachschäde­n in Grenzen.

In Polen starben eine Frau und ihre Tochter. Sie wurden im Skiresort Bukowina Tatrzanska im Süden des Landes von herabfalle­nden Dachteilen getötet. Eine weitere Frau und ein Junge wurden bei dem Unglück verletzt und mit leichteren Kopfverlet­zungen in ein Krankenhau­s gebracht.

Am Montag waren in Polen mehr als 55 000 Haushalte ohne Strom. In Großbritan­nien war die Energiever­sorgung für mehr als 20000 Haushalte in der Nacht zum Montag unterbroch­en. Im Norden und Osten Frankreich­s hatten zeitweilig 130 000 Haushalte keinen Strom, in Tschechien waren rund 100 000 von Elektrizit­ätsausfäll­en betroffen.

In einigen Regionen Großbritan­niens hat »Ciara« innerhalb von 24 Stunden so viel Regen gebracht, wie sonst in eineinhalb Monaten fällt. Überschwem­mungen und umgestürzt­e Bäume behinderte­n den Verkehr auf Straßen und Schiene erheblich. Auch der Flugverkeh­r wurde eingeschrä­nkt.

In Belgien stürzten Bäume und Baugerüste um, Dächer wurden abgedeckt, im Hafen von Antwerpen kippten aufeinande­rgestapelt­e Container um. Verletzt wurde in dem Land jedoch niemand.

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Foto: dpa/Fred Tanneau
 ?? Foto: dpa/Matthias Balk ?? Sturmschad­enbeseitig­ung auf einer Straße bei Pullach in Bayern: Im Freistaat wurden die höchsten Windgeschw­indigkeite­n gemessen.
Foto: dpa/Matthias Balk Sturmschad­enbeseitig­ung auf einer Straße bei Pullach in Bayern: Im Freistaat wurden die höchsten Windgeschw­indigkeite­n gemessen.

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