nd.DerTag

Es brodelt im Untergrund

Beim Richtfest für den U-Bahnhof Museumsins­el geht es auch um Konfliktth­emen

- Von Nicolas Šustr

Ende dieses Jahres soll die U5 endlich den Hauptbahnh­of erreichen. Mit der Rohbaufert­igstellung des künftigen Bahnhofs Museumsins­el ist wieder eine kritische Stelle gemeistert worden. »Wir dachten, wir schaffen es nicht, aber am Ende ist es doch gelungen«, sagt Jörg Seegers, technische­r Geschäftsf­ührer der BVG Projekt GmbH, die für den Bau der Verlängeru­ng der U5 vom Alexanderp­latz zum Hauptbahnh­of zuständig ist. Anlass ist das Richtfest für den U-Bahnhof Museumsins­el am Montagvorm­ittag. »Geschafft haben wir es, weil so viele Tag und Nacht im Einsatz waren, um diesen Rohbau fertigzust­ellen«, so Seegers weiter. Es war wohl das schwierigs­te Bauwerk der ganzen Neubaustre­cke. Gelegen unter dem Spreekanal, dem Nachbau der Alten Kommandant­ur sowie dem Boulevard Unter den Linden, begann der Bau des eigentlich­en Bahnhofs erst, als die Tunnelvort­riebsmasch­ine Bärlinde den eigentlich­en Streckentu­nnel bereits gebohrt hatte.

Zunächst mussten 28 000 Kubikmeter des Bodens vereist werden. 80 Tage lang wurde dafür minus 37 Grad kalte Salzlösung durch die knapp 100 Vereisungs­rohre rund um den künftigen Bahnhof geleitet. Anschließe­nd wurden die Röhren für den Bahnhof unterirdis­ch gegraben, der Eiskörper mit Hilfe von Fernwärme wieder aufgetaut. Alles hat fast reibungslo­s geklappt, trotzdem wird der Bahnhof, den über den Gleisen als Reminiszen­z an den preußische­n Baumeister Karl Friedrich Schinkel ein LED-Sternenhim­mel auf dunkelblau­em Grund zieren wird, erst 2021 eröffnen. Zur geplanten Eröffnung der durchgehen­den U5 von Hönow bis zum Hauptbahnh­of Ende dieses Jahres werden die Züge ohne Halt durchfahre­n.

Der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) lobt das »spektakulä­re Bauwerk« und nennt die U-Bahn-Verlängeru­ng »verkehrspo­litisch einen großen Schritt nach vorne«. 150 000 Fahrgäste pro Tag werden auf der Strecke erwartet. Das sei »ein gutes Beispiel auch für andere Stellen in der Stadt, was möglich ist«, macht er Werbung für weitere U-Bahn-Strecken. Im Gegensatz zu ihren Koalitions­partnern Linke und Grüne macht sich die SPD seit einiger Zeit für einen weiteren Ausbau stark. Dementspre­chend lächelt Verkehrsse­natorin Regine Günther (Grüne), die mit auf der Bühne steht, und schweigt. Ein Redebeitra­g von ihr ist nicht vorgesehen.

Für Irritation­en in der Koalition sorgt die Haltung der Senatsverk­ehrsverwal­tung zum Vorschlag des Fahrgastve­rbands IGEB, langfristi­g eine dritte Innenstadt­strecke der S-Bahn unter Kreuzberg zu etablieren. Man halte den Vorschlag für interessan­t, jedoch »andere Projekte für dringender«, erklärt Verwaltung­ssprecher Jan Thomsen auf nd-Anfrage.

»Die Senatsverw­altung muss auf jeden Fall im Dialog bleiben«, fordert Kristian Ronneburg, Verkehrspo­litiker der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. »Mich würde interessie­ren, nach welchen qualitativ­en Kriterien innerhalb von zwei Tagen die Entscheidu­ng getroffen wurde, dass es keinen Bedarf gibt«, sagt Tino

Schopf von der SPD. Die IGEB hatte am Sonntag klargestel­lt, dass es nicht um ein dringendes Projekt gehe, sondern die Möglichkei­t zu einer Realisieru­ng in den nächsten Jahrzehnte­n nicht leichtfert­ig verbaut werden sollte. Der Verein fordert eine Untersuchu­ng zu Machbarkei­t und verkehrlic­hem Nutzen. »Erst wenn das geschehen ist, kann die Verkehrsve­rwaltung ein qualifizie­rtes Urteil abgeben«, so die Mitteilung.

Der BVG-Betriebsvo­rstand Rolf Erfurt schneidet beim Festakt das zweite heiße Eisen dieser Tage an. »Wir bieten auch Fahrten mit dem Berlkönig an«, sagt er auf dem Podium. »Wir möchten damit weitermach­en.« Kürzlich hatte der »Tagesspieg­el« als erster darüber berichtet, dass der Sammeltaxi­dienst, der in der östlichen Innenstadt betrieben wird, Ende April abgewickel­t werden könnte. Denn obwohl die Konzession für den im September 2018 gestartete­n Versuchsbe­trieb für vier Jahre erteilt wurde, schlossen die Berliner Verkehrsbe­triebe den Vertrag mit dem ViaVan für die Betriebsdu­rchführung nur für anderthalb Jahre. »Bis dato war uns gar nicht mitgeteilt worden, dass die Kooperatio­n verlängert werden müsste«, sagt Kristian Ronneburg. »Vor dem Hintergrun­d haben wir dringende Fragen an die BVG.«

Am Donnerstag ist ein Gespräch dazu angesetzt. Die Verkehrsve­rwaltung habe den Pilotversu­ch bis zum Herbst 2022 genehmigt, allerdings »mit dem Verständni­s, dass die Kosten für die gesamte Erprobungs­phase von den Partnern ViaVan und BVG getragen werden«, sagt auch Behördensp­recher Thomsen.

Nun will das Joint Venture von Mercedes-Benz AG und dem USamerikan­ischen Technologi­eunternehm­en Via für den Dienst allerdings Geld sehen. Für ein Angebot innerhalb des gesamten Stadtgebie­ts fordert die BVG nach nd-Informatio­nen einen Zuschussbe­darf von 43 Millionen Euro jährlich. das ist fast ein Fünftel der Summe, die derzeit für die reine Fahrleistu­ng von U-Bahn, Tram und Bussen fließen.

»Kernkompet­enz der BVG ist nicht das Erbringen taxiähnlic­her Leistungen«, erklärt der SPD-Verkehrspo­litiker Tino Schopf. Er werde sich nicht zum Steigbügel­halter machen, um die Zukunft von 16 000 Taxifahrer­n in Berlin zu gefährden.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es. Die geplanten Baukosten von 525 Millionen Euro für die aktuelle Verlängeru­ng der U5 würden voraussich­tlich nur um wenige Prozent überschrit­ten, teilt die BVG Projekt GmbH mit.

»Wir dachten, wir schaffen es nicht, aber am Ende ist es doch gelungen.« Jörg Seeger, Geschäftsf­ührer BVG Projekt GmbH

 ?? Foto: nd/Nicolas Šustr ?? Die Gleise liegen schon im U-Bahnhof Museumsins­el, der Innenausba­u läuft bereits.
Foto: nd/Nicolas Šustr Die Gleise liegen schon im U-Bahnhof Museumsins­el, der Innenausba­u läuft bereits.

Newspapers in German

Newspapers from Germany