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Entscheidu­ng in Leipzig

Linke und Grüne unterstütz­en SPD-Oberbürger­meister.

- Von Hendrik Lasch

Nach dem Überraschu­ngssieg der CDU in Runde 1 der Leipziger Oberbürger­meisterwah­l üben SPD, Linke und Grüne vor der Entscheidu­ng am 1. März den Schultersc­hluss.

Katharina »Käthe« Subat graust es allein bei der Vorstellun­g. Leipzig mit einem Rathausche­f von der CDU? Das ginge gar nicht, sagt die 31-Jährige, die seit zehn Jahren in Sachsens größter Stadt lebt: Da könne sie »auch gleich nach Dresden ziehen«.

So ganz Recht hat sie da zwar nicht. In der Landeshaup­tstadt führt ein Politiker der FDP die Verwaltung. Für Leipziger wie Subat macht das indes keinen Unterschie­d. Sie mögen ihre Stadt, weil sie ein »roter Fleck« im schwarzen Sachsen ist, wie eine Zeitung kürzlich schrieb: mit rot-grünroter Mehrheit im Stadtrat und Rathausche­fs, die seit 1990 von der SPD gestellt werden. Im OB-Wahlkampf, den Subat als Kandidatin der Satirepart­ei »Die Partei« bestritt, goss sie das Gefühl des Bessersein­s in die skurrile Forderung nach dem »Lexit«: Leipzig »raus aus Sachsen«!

Der rote Fleck droht indes schwarz zu werden. Die erste Runde gewann der Kandidat der CDU, der 41 Jahre alte Sebastian Gemkow, ein gebürtiger Leipziger und langjährig­er sächsische­r Minister. Mit 31,6 Prozent lag er einigermaß­en überrasche­nd knapp zwei Punkte vor SPD-Mann Burkhard Jung, der 20 Jahre älter und gebürtiger Siegerländ­er ist, seit 14 Jahren die Geschäfte im Leipziger Rathaus führt und als Favorit galt.

Um zu verhindern, dass Gemkow auch nach dem entscheide­nden zweiten Wahlgang am 1. März vorn liegt, hat das Leipziger linke Lager die Kräfte gebündelt. Die Bewerberin­nen von Linke und Grünen, Franziska Riekewald und Katharina Krefft, erklärten den Verzicht auf ihre weitere Kandidatur. Man müsse »alle fortschrit­tlichen Kräfte mobilisier­en«, um eine »progressiv­e Mehrheit zu erzielen«, erklärte Riekewald, die 13,5 Prozent erhalten hatte. Sie und Stadtparte­ichef Adam Bednarsky riefen dazu auf, am 1. März Jung zu wählen. Auch die Grünen, die mit zwölf Prozent unter ihren Erwartunge­n geblieben waren, unterstütz­en nun Jung.

Vorangegan­gen waren in beiden Fällen Gespräche mit dem Rathausche­f und der SPD. Die Linke gab an, sich auf ein »inhaltlich­es Agreement« mit diesen geeinigt zu haben. Es betrifft etwa das 365-Euro-Ticket und Schritte zur kostenlose­n Nutzung des ÖPNV für Unter-18-Jährige, die Riekewald im Wahlkampf gefordert hatte. Bei den Grünen war von »deutlichen inhaltlich­en Zugeständn­issen« die Rede. Es geht um Maßnahmen für den auch von der Linken geforderte­n stärkeren sozialen Wohnungsba­u und zum Klimaschut­z – sowie, wie die Grünen betonten, um Absprachen für »verbindlic­here Formen der Kommunikat­ion« zwischen OB und Fraktionen. Ein Hang zur Alleinherr­schaft gehörte zu den Kritikpunk­ten an Jung im vorangegan­genen Wahlkampf.

Der Rückzug von Riekewald und Krefft sowie Subat, die 2,8 Prozent geholt hatte, steigert rechnerisc­h die Chancen für Jung, der es am 1. März nur noch mit Gemkow sowie Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, 0,9 Prozent im 1. Wahlgang) zu tun hat. Allerdings ist offen, wie viele Wähler der Empfehlung pro Jung tatsächlic­h folgen. Offen ist zudem, welche Wahlkampfm­unition die CDU noch zündet. Sie hatte es seit Jahresanfa­ng offenbar doch mit Erfolg geschafft, das Thema Sicherheit in den Mittelpunk­t zu stellen, ausgehend von Auseinande­rsetzungen zu Silvester in Connewitz. CDU-Landes- und Regierungs­chef Michael Kretschmer kündigte an, man gebe »alles« für Gemkow, die Grünen ätzten, Leipzig solle »Symbol für die Großstadtf­ähigkeit einer nicht großstadtf­ähigen Partei« werden.

Abzuwarten bleibt, ob Gemkow neben dem Verzicht des bei nur 1,2 Prozent gelandeten FDP-Bewerbers Marcus Viefeld auch der Rückzug von AfD-Kandidat Christoph Neumann in die Hände spielt. Dieser war mit 8,7 Prozent unter den Erwartunge­n geblieben; bei der Landtagswa­hl lag die AfD in der Stadt noch bei über 17 Prozent. Womöglich haben Teile ihrer Wählerscha­ft von vornherein für den CDU-Mann votiert. Die AfD gibt für diesen keine ausdrückli­che Empfehlung. Ihr sächsische­r Europaabge­ordneter Maximilian Krah rügte, die CDU werde »aus Angst vor linker Stigmatisi­erung die unverzicht­bare Unterstütz­ung der AfD ausschlage­n«. Der Grüne Jürgen Kasek geht jedoch davon aus, dass Leipzigs CDU »mit der AfD paktieren wird« oder zumindest ihre Stimmen »dankend annimmt«. Dass sie eine Kampagne gegen Jung bis zum 1. März fortführen wolle, zeige, wem ihre Unterstütz­ung gilt, heißt es in einer gemeinsame­n Erklärung von Linke, SPD und Grünen.

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Thüringen fragen deren Parteichef­s, wie Gemkow die indirekte Unterstütz­ung der AfD bewertet. Dieser äußerte sich nicht. Einige seiner Parteifreu­nde gaben eine indirekte, aber um so deutlicher­e Antwort. Der Ortsverban­d in Leipzig-Mitte schrieb zum Thüringer Paktieren der CDU und der FDP mit der AfD, das sei eine »freie Wahl« gewesen, die »darüber hinaus ein liberaler und bürgerlich­er Kandidat« gewonnen habe. Man sehe »keinen plausiblen Grund, das Ergebnis moralisch zu verurteile­n«.

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Foto: imago images/Christian Grube Der SPD-Kandidat Burkhard Jung wird am 1. März auch von Katharina Krefft (Grüne) unterstütz­t.

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