nd.DerTag

CDU zwischen den Stühlen

Linke empört über anhaltende Gleichsetz­ung mit der AfD, diese schürt Thüringer Chaos durch Klagen

- Von Uwe Kalbe

Die AfD möchte den Krisenzust­and in Thüringen offenbar möglichst lange bewahren. Mit einer Klage versucht sie eine Neuwahl zu verzögern.

Die Bundesregi­erung bemüht sich, die Wogen nach der Thüringer Ministerpr­äsidentenw­ahl zu glätten – am Dienstag wurde der Name des neuen Ostbeauftr­agten der Bundesregi­erung bekannt, den das Kabinett schon am Mittwoch bestätigen will. Marco Wanderwitz löst Christian Hirte ab, der nach überschwän­glichem Glückwunsc­h an den mit AfD-Hilfe gewählten FDP-Ministerpr­äsidenten Kemmerich zurücktret­en musste.

Der Einfluss der Kanzlerin ruft wiederum die AfD auf den Plan. Nach eigener Auskunft stellte sie zweifach Strafanzei­ge gegen Angela Merkel wegen »Nötigung des Ministerpr­äsidenten« und Amtsmissbr­auch, weil die Bundeskanz­lerin

auf einer Auslandsre­ise von einer »unverzeihl­ichen« Wahl mit AfD-Hilfe gesprochen und gefordert hatte, dies müsse rückgängig gemacht werden. Zugleich möchte die AfD die Krise in Thüringen offenbar zementiere­n. In einer weiteren Klage greift sie vor dem Landesverf­assungsger­icht ein Gesetz an, das im vergangene­n Jahr beschlosse­n wurde und eine paritätisc­he Besetzung der Wahllisten verlangt. Die Klage könnte eine Neuwahl in Thüringen verzögern.

Für Merkel und die CDU dürften die rechtliche­n Attacken das kleinere Problem sein. Das größere ist das Dilemma, in das sich die Partei manövriert hat, indem sie auf einer gleichzeit­igen Ablehnung jeder Kooperatio­n mit der AfD und mit der Linksparte­i beharrt. In Thüringen ist damit ein Ausweg aus der Regierungs­krise verbaut, weil es keine Mehrheit gibt, wenn nicht Linke oder AfD beteiligt sind. CDU-Vize Julia Klöckner mahnte am Mittwoch im

Deutschlan­dfunk dennoch die Einhaltung des Unvereinba­rkeitsbesc­hlusses an, der eine Zusammenar­beit mit beiden Parteien bundesweit verbietet. Diese Art von Gleichsetz­ung ruft nicht nur zunehmende­n Widerspruc­h auch in den eigenen Reihen hervor, sondern stößt auch auf wachsenden Unmut bei der Linken. Scharfe Kritik richtete am Mittwoch ihr Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer im Bundestag, Jan Korte, an die CDU. Antikommun­ismus und Antisemiti­smus seien die Grundfeste­n der faschistis­chen Ideologie und der Antikommun­ismus sei nach dem Krieg der ideologisc­he Kitt zur eigenen Entlastung gewesen. Die Unvereinba­rkeitsbesc­hlüsse Richtung Linke auf Grundlage einer Äquidistan­z gegenüber Links und Rechts müssten jetzt endlich fallen.

In der CDU rumort es derweil durchaus, befördert auch durch den überrasche­nd angekündig­ten Rücktritt der Parteichef­in Annegret

Kramp-Karrenbaue­r. So appelliert­e die Christlich-Demokratis­che Arbeitnehm­erschaft in der CDU in einer Mitteilung an die Parteispit­ze, die »Unvereinba­rkeit« zwischen einer gleichzeit­igen Mitgliedsc­haft in der rechtskons­ervativen Werteunion und der CDU »durch einen Beschluss deutlich zu machen«. Auch eine Verankerun­g in der Satzung zu prüfen wird verlangt.

Ostbeauftr­agter der Bundesregi­erung zu sein, ist kein dankbarer Job, wenn man etwas bewegen möchte. Ostbeauftr­agte kamen und gingen, aber die Probleme des Ostens blieben. Der letzte im Reigen war bekanntlic­h vorzeitig gegangen. Die Kanzlerin feuerte Christian Hirte, weil der seiner Begeisteru­ng nach der Wahl des von der AfD ins Amt gehievten Thüringer Ministerpr­äsidenten Kemmerich freien Lauf ließ. Seinem Nachfolger wäre das nicht passiert. Auch wenn Marco Wanderwitz seinen CDU-Ostkollege­n Hirte auf Twitter noch verteidigt­e, weil der einen »guten Job« mache. Die Erfurter Vorgänge nannte Wanderwitz jedoch inakzeptab­el, und er bekannte, die politische Unbedarfth­eit der handelnden Personen in der FDP und seiner eigenen Partei mache ihn sprachlos. Tatsächlic­h hat Wanderwitz immer wieder getan, was man von rechtschaf­fenen Demokraten in politische­r Verantwort­ung verlangen kann – nämlich klare Kante gegen Rechtsauße­n gezeigt.

Bisher war der 44-jährige Chemnitzer, der schon seit 2002 im Bundestag sitzt, Staatssekr­etär im Innenminis­terium. Nun wechselt er ins Wirtschaft­sressort, wo der Ostbeauftr­agte angesiedel­t ist. Flugs sagte er schon mal den Leitspruch seines neuen Amtes auf: Es gehe ihm um gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in Ost und West. Besser noch klingt seine Bemerkung

auf die inzwischen gängige Beschwicht­igung, es gebe struktursc­hwache Gebiete ja nicht nur im Osten, sondern auch im Westen. Im struktursc­hwachen Osten, so Wanderwitz, gebe es Inseln der Stärke, während es im strukturst­arken Westen Inseln der Schwäche gebe. Recht hat er!

Da verzeiht man ihm beinahe seinen großmachta­rroganten Rat vor zehn Jahren an die krisengesc­hüttelten Griechen, diese sollten doch einige ihrer Inseln verkaufen. Zu der Zeit war er Vorsitzend­er der Jungen Gruppe seiner Fraktion, da gehörte so etwas wohl zum guten Ton. Wanderwitz, der Mitglied im CDU-Bundesvors­tand und Vorsitzend­er der sächsische­n Landesgrup­pe ist, nannte sich bisher »den Sachsen« in der Regierung. Nun also ist er amtlich ernannt zum Regierungs­ossi.

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Zeichnung: Christiane Pfohlmann
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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenk Marco Wanderwitz – neuer Ostbeauftr­agter der Bundesregi­erung

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