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Kurzer Prozess mit Staatsanwä­lten

Österreich­ischer Kanzler geriet in den Verdacht, die Justiz beeinfluss­en zu wollen

- Von Stefan Schocher, Wien

Sebastian Kurz schießt sich auf die Wirtschaft­s- und Korruption­sStaatsanw­altschaft ein. Möglicher Hintergrun­d: Die österreich­ische Justiz hatte zuletzt wegen Machenscha­ften im ÖVP-Umfeld ermittelt.

Sebastian Kurz ist Stratege. Und wenn er etwas sagt, fällt es schwer zu glauben, dass er das ohne Grund tut. Was sich der österreich­ische Kanzler und Chef der konservati­ven ÖVP dieser Tage aber leistet, wirkt hastig, übereilt und unschlüssi­g. Nur, ist es das?

Wie zuerst die Wochenzeit­ung »Falter« berichtete, soll Kurz in einem als vertraulic­h eingestuft­en »Hintergrun­dgespräch« mit Journalist­en die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) massiv angegriffe­n haben – weil sie einen Fall von Regierungs­kriminalit­ät untersucht und das – nach Auffassung des Kanzlers – einseitig. Kurz ist der Ansicht, dass die WKStA von sozialdemo­kratischen Netzwerken unterwande­rt sei. Diese würden gezielt gegen ÖVP-nahe Kreise ermitteln, Verfahren bewusst lange hinziehen und Akten Medien zuspielen. Fälle seien ihm zu Ohren gekommen, sagte Kurz später; »hochrangig­e Journalist­en« hätten ihm gegenüber bestätigt, dass ihnen Akten von der WKStA gezielt weitergele­itet worden seien. Um welche Journalist­en es sich handelt, die hirnverbra­nnt oder in zu großer menschlich­er Nähe einem politische­n Akteur ihre Quellen preisgaben, ist dabei nur ein Randfrage. Vielmehr geht es in der Debatte über Kurz’ Äußerungen um die Unabhängig­keit der Justiz.

Kurz beruft sich bei all dem auf ein SPÖ-internes Papier aus dem Jahr 1997, wonach die SPÖ damals versuchte mehr Parteimitg­lieder zur Richterkar­riere zu motivieren. Dass das Justizress­ort seit 1983 mit einer zweijährig­en Unterbrech­ung (2007/2008) in der Hand der ÖVP, der FPÖ oder Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ, eine FPÖ-Abspaltung) war, lässt der konservati­ve Kanzler dabei nicht gelten. Solche Netzwerke würden lange wirken, sagt er.

Seitens der SPÖ hagelte es Kritik. Die Attacken des Kanzlers auf die WKStA seien brandgefäh­rlich. Die Staatsanwa­ltschaft ihrerseits wies jegliche Vorwürfe zurück. Und auch die in der türkis-grünen Regierung unlängst ins Amt gekommene Justizmini­sterin Alma Zadic von den Grünen stellte sich vor die Behörde.

Schließlic­h gab es am Montag einen Runden Tisch, eine Aussprache mit der WKStA und eine Einigung darauf, Verfahren zu beschleuni­gen, Akten zu digitalisi­eren um ihre Weitergabe nachvollzi­ehbarer zu machen und den Rechtsschu­tz bei Hausdurchs­uchungen zu stärken. Budgetäre Punkte – also eine Aufstockun­g von Mitteln, um eben Verfahren zu beschleuni­gen – wurden allerdings nicht besprochen. Und auch nach dieser Aussprache erneuerte Kurz seine Vorwürfe. Hinzu kam ein ÖVP-internes Memo zu dem Thema um die Wortwahl in der Sache zu eichen. Schließlic­h feuert jetzt die ganze Partei auf die Justiz: Schnellere Verfahren müsse es geben, die SPÖ habe die Staatsanwa­ltschaft unterwande­rt.

Tatsächlic­h haben WKStA und ÖVP keinen guten Stand. Letzter Anlass zur Zwietracht: Die Casinos-Affäre. Dabei geht es um die Bestellung von Parteifreu­nden in den Vorstand

der staatliche­n Casino-Gesellscha­ft, Gesetzeska­uf und die Vergabe von Glücksspie­llizenzen. Ursprüngli­ch stand die FPÖ in der Sache in der Kritik. Es war die WKStA, die der Affäre dann mit einem Schlag einen blau-türkisen Anstrich verpasst. Sie ordnete Hausdurchs­uchungen bei Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP), Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll, der Österreich­ischen Beteiligun­gs-AG sowie Aufsichtsr­atspräside­nt und Raiffeisen-General Walter Rothenstei­ner an. Letztlich gelangten Chats in die Öffentlich­keit, die erahnen lassen, dass ÖVPKreise in die Machenscha­ften rund um die Casinos-AG tief verstrickt waren. Zu guter Letzt prüfte die WKStA unlängst milliarden­schwere Spender aus dem Umfeld der ÖVP.

Mit seinem Hintergrun­dgespräch verfolgte Kurz wohl vor allem ein Ziel: Er wollte vermutlich medial den Boden bereiten für einen Schlag gegen die WKStA. Blöd nur, dass ihm der »Falter« dazwischen­kam. Doch Kurz macht seinem Ruf alle Ehre – er weiß die politische und mediale Klaviatur Österreich­s zu bespielen wie kein Zweiter: Er griff das Thema auf, berief den Runden Tisch ein, präsentier­te sich als Problemlös­er ohne konkrete Maßnahmen zu verabschie­den. Und schließlic­h hat er, was er wollte: Seinen Feldzug gegen die WKStA – nur vielleicht etwas früher als ursprüngli­ch geplant.

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Foto: AFP/Roland Schlager Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz

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