»Operation Rubikon« nicht länger geheim
23 Jahre lang mitgehört: Gemeinsame Abhöraktion von BND und CIA richtete sich gegen mehr als 100 Staaten
Ein neuer Skandal bei der Zusammenarbeit zwischen CIA und BND deutet sich an. Beide Dienste sollen über eine Schweizer Firma weltweit Kommunikationstechnik verkauft haben, die Mithören ermöglichte.
Der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND und die US-amerikanische CIA belauschten zwischen 1970 und 1993 gemeinsam die verschlüsselte Kommunikation von mehr als 100 Staaten. Das belegen bisher unveröffentlichte Dokumente, die von führenden BND- und CIA-Mitarbeitern verfasst wurden. Sie liegen unter anderem dem ZDF, der »Washington Post«, dem Schweizer Fernsehen SRF, dem von Erich Schmidt-Eenboom geleiteten Forschungsinstitut für Friedenspolitik sowie dem niederländischen Sender ARGOS vor.
Wie die Macher des ZDF-Magazins »Frontal 21« vor ihrer Sendung am Dienstagabend mitteilten, liegen umfangreiche Dokumente vor in denen es heißt: »Diplomatische und militärische Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäischer Staaten (…) konnten (...) flächendeckend mitgelesen werden.« Auf den rund 250 Seiten wird die sogenannte »Operation Rubikon« als »eine der erfolgreichsten nachrichtendienstlichen Unternehmungen der Nachkriegszeit« bezeichnet.
Der deutsche Auslandsgeheimdienst teilte auf Anfrage der Rechercheteams mit, er nehme »zu Angelegenheiten, welche die operative Arbeit betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung«. Doch Bernd Schmidbauer (CDU), der als Kanzleramtsminister zwischen 1991 bis 1998 für die Koordination der deutschen Nachrichtendienste zuständig war, bestätigte die Operation. Sie habe »dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist«, sagte Schmidbauer. 1993 habe der BND diese Form der Zusammenarbeit mit der CIA beendet.
Die vorliegenden Dokumente zeigen, dass sich BND und CIA für ihre Abhöroperation der Schweizer Firma Crypto AG bedienten. Seit 1970 waren die beiden Geheimdienste zu je 50 Prozent Eigentümer der Firma. Das Unternehmen, so die Recherchen, stellte Verschlüsslungstechnik für abhörsichere Kommunikation her und verkaufte diese weltweit. Die Kunden wussten nicht, dass BND und CIA die Technik manipulieren ließen.
Historiker und Geheimdienstexperten haben die vorliegenden Akten ausgewertet. Professor Richard Aldrich von der Universität Warwick kommt zu dem Schluss: »Die Operation Rubikon war eine der kühnsten
Aus einer Einschätzung in den Geheimdienstunterlagen und auch skandalträchtigsten Operationen, denn über hundert Staaten zahlten Milliarden Dollar dafür, dass ihnen ihre Staatsgeheimnisse gestohlen wurden.«
Die Dokumente belegen erstmals, dass BND und CIA frühzeitig über den Sturz des chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973 durch einen
Militärputsch und die schweren Menschenrechtsverletzungen durch die argentinische Militärjunta informiert waren. Die von Deutschen und USAmerikanern weitergeleiteten entschlüsselten Funksprüche der argentinischen Marine sollen 1982 entscheidend zum Sieg Großbritanniens im Falklandkrieg beigetragen haben.
Die größten Abnehmer für die manipulierten Verschlüsselungsgeräte waren Saudi-Arabien und der Iran. Jahrzehntelang waren Deutsche und US-Amerikaner über die geheime Regierungskommunikation des Ayatollah-Regimes informiert. Das betrifft auch die Zeit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran 1979.
Vor einigen Jahren enthüllte der einstige USA-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden Abhöroperationen des US-Geheimdienstes NSA, an denen der BND maßgeblich beteiligt war. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wollte ein Untersuchungsausschuss des Bundestages in der vergangenen Legislaturperiode die Hintergründe der Geheimdienstaffäre erhellen. Ob der Verschleierung durch die Bundesregierung gelang das jedoch nur höchst unvollständig.
»... eine der erfolgreichsten nachrichtendienstlichen Unternehmungen der Nachkriegszeit.«