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Aufbruch in Neu-Hohenschön­hausen

Auf einer Tour des Berliner Senats durch den Bezirk Lichtenber­g wurden die Pläne für ein neues Stadtentwi­cklungspro­jekt vorgestell­t

- Von Rainer Rutz

Nach jahrzehnte­langer Untätigkei­t eines Investors will der Bezirk Lichtenber­g das Areal zwischen dem S-Bahnhof Hohenschön­hausen sowie dem Linden-Center nun selbst entwickeln.

Es ist grau, kalt und zugig. Und zu sehen gibt es eigentlich nur viel Leere. Die Mitglieder des versammelt­en Senats um den Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) versuchen trotzdem, freundlich zuzuhören, als ihnen Monika Kuhnert am Dienstagmi­ttag unweit des S-Bahnhofs Hohenschön­hausens eines der neuesten Lichtenber­ger Stadtentwi­cklungspro­jekte vorstellt. Kuhnert koordinier­t im Auftrag des Bezirksamt­s das Projekt.

Die Senatoren wiederum sind auf Einladung von Lichtenber­gs Bürgermeis­ter Michael Grunst (Linke) auf einer Art Klassenfah­rt durch den Bezirk. Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum, von Räumen für Kunst und Kultur: Grunst bemüht sich während der mehrstündi­gen Bustour nach Kräften, den Gästen die Vorzüge und Potenziale Lichtenber­gs zu preisen.

Erstes Ausflugszi­el ist nun also das Projekt an der Wartenberg­er Straße 175, das seit kurzem den Arbeitstit­el »Urbanes Zentrum Neu-Hohenschön­hausen« trägt. Eine Fläche, »die große städtebaul­iche Defizite aufweist«, wie Projektkoo­rdinatorin Kuhnert sagt. Dabei ist das noch freundlich formuliert. Tatsächlic­h dient die 60 000 Quadratmet­er große Fläche zwischen dem S-Bahnhof und dem Linden-Center am Prerower Platz seit Jahren als Parkplatz. Von »Urbanität« und »Zentrum« ist hier nichts zu spüren.

Das will der Bezirk ändern. Mehrere Hundert Wohnungen sollen hier in den nächsten Jahren in Kooperatio­n mit der städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft Howoge entstehen, dazu ein »Kunst-, Kultur-, Dienstleis­tungsund Verwaltung­szentrum«. Man wolle Räume schaffen für Künstler*innen, Ateliers und Open Spaces, so Kuhnert. Das Standesamt soll hier perspektiv­isch ebenso einziehen wie die Volkshochs­chule, ein Bürgeramt, eine Musikschul­e, überdies die AnnaSegher­s-Bibliothek, die derzeit noch auf drei Etagen im benachbart­en Einkaufsze­ntrum untergebra­cht ist. Zur

Untermiete, und nicht eben preiswert, wie es aus dem Bezirksamt Lichtenber­g heißt. Der aktuelle Untermietv­ertrag der Seghers-Bibliothek läuft demnach noch bis 2024. »Wir wären froh, wenn wir das Objekt bis dahin fertigstel­len könnten – aber das wäre sehr sportlich«, sagt Kuhnert. Auch Bürgermeis­ter Grunst dämpft die zeitplaner­ischen Erwartunge­n: »In diesem Jahr möchten wir den städtebaul­ichen Wettbewerb abschließe­n, um 2021 einen Bebauungsp­lan ausarbeite­n zu können. 2023 könnte es schließlic­h losgehen.« Angestrebt werde ein beschleuni­gtes Bebauungsp­lanverfahr­en.

Es ist nicht der erste Anlauf, das Areal zu entwickeln. Zu DDR-Zeiten hatte es Pläne gegeben, auf dem Gelände das Rathaus des damals neu gegründete­n Stadtbezir­ks Hohenschön­hausen zu errichten. Die Pläne verschwand­en in der Schublade, die Fläche blieb leer. Daran änderte auch der Neustart der Planungen vor rund zehn Jahren nichts. Das Gelände wurde an eine Investoren­gruppe verkauft, die einen neuen Verbrauche­rmarkt, ein Wohn- und Geschäftsh­aus und einen, wie es damals hieß, ansprechen­d gestaltete­n Platz errichten wollte. Doch wieder einmal geschah: nichts.

Im letzten Jahr zog das Bezirksamt Lichtenber­g schließlic­h entnervt die Reißleine. Der Kaufvertra­g mit dem Investor wurde rückgängig gemacht. Seither ist das Areal wieder in Landesbesi­tz. »Wir haben jetzt die einmalige Chance, den Bereich endlich selbst zu entwickeln«, sagt auch Daniela Bell, Leiterin des Amts für Weiterbild­ung und Kultur in Lichtenber­g, der vor allem der Umzug der Seghers-Bibliothek am Herzen liegt.

Über die zu erwartende­n Kosten für das zumindest theoretisc­h nicht eben klein dimensioni­erte Bauvorhabe­n will freilich im Moment noch niemand im Bezirksamt sprechen. »Wir haben noch nicht so viel in der Kasse, dass wir uns das leisten können«, sagt Projektkoo­rdinatorin Kuhnert nur. Aber deshalb setze der Bezirk auch auf »finanziell gut aufgestell­te Partner wie die Howoge«.

Die Senatsmitg­lieder blicken wohlwollen­d, äußern sich allerdings nicht. Sie steigen wieder in den Bus. Weiter geht es zur nächsten Station.

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Foto: nd/Ulli Winkler Monika Kuhnert (r.) erklärt dem Senat die lichte Zukunft.

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