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Brache war gestern

Marzahn-Hellersdor­f zieht Bilanz für 2019 und blickt optimistis­ch in die Zukunft

- Von Claudia Krieg

Der östlichste Bezirk der Hauptstadt wächst und gedeiht. Neubau und Infrastruk­tur verdrängen alte Freiräume, an die sich die Bewohnersc­haft gewöhnt hat, sorgen aber zugleich für mehr Lebensqual­ität.

Dagmar Pohle erscheint am Dienstagvo­rmittag auf Krücken, aber in gewohnt tatkräftig­er Stimmung. Die Linke-Bezirksbür­germeister­in von Marzahn-Hellersdor­f stellte mit ihrer Dienstrück­kehr nach langer Krankschre­ibung die Haushaltsb­ilanz für das vergangene Jahr für und schaute zugleich auf den aktuellen Haushaltsz­eitraum 2020/2021.

Die gute Nachricht: Der Bezirk wächst seit einigen Jahren wieder. Pohle, die ihn in ihrer ersten Amtszeit noch über die Maßen schrumpfen gesehen hat und auch die Zeit hoher Schuldenbe­lastung noch kennt, freut sich angesichts der prosperier­enden Prognose. Damit einher geht allerdings auch eine Erweiterun­g der Aufgaben für die Bezirksreg­ierung. Nicht ohne Grund wurde die Verwaltung im vergangene­n Jahr um 250 auf 1857 Stellen aufgestock­t. Da zugleich viele der öffentlich Beschäftig­ten aus Altersgrün­den ausscheide­n, müssten hier allerdings nach wie vor weitere Lücken geschlosse­n werden, erklärt Pohle.

Besonders am Herzen liegt der Bürgermeis­terin die Einbindung von Langzeitar­beitslosen. 335 Stellen seien geschaffen wurden, die meisten im Bereich Schulhaush­ilfe. Gerade vielen älteren Menschen mit langer Arbeitslos­igkeit würde mit der Tätigkeit als Hausmeiste­r*in eine gute Perspektiv­e auf dem Arbeitsmar­kt eröffnet, befindet Pohle. Noch besser sehe es bei der Zahl der Neubauvorh­aben und Baugenehmi­gungen aus, die kontinuier­lich steige. Mit 1500 im vergangene­n Jahr fertiggest­ellten Wohnungen befinde sich

Marzahn-Hellersdor­f mittlerwei­le im Bezirksver­gleich auf Platz 2 und sei damit ein »Hotspot der Städtebauf­örderung«. Die Zahl der erteilten Baugenehmi­gungen für den gleichen Zeitraum liegt demnach bei knapp 450. Im Rahmen senatsgefö­rderter Programme zum Stadtumbau stünden für 2020 allein 7,6 Millionen Euro Fördermitt­el für den Bau von neuen Quartieren, Bildungsei­nrichtunge­n und Grünanlage­n zur Verfügung.

»Die Zeit der Brache ist vorbei«, sagt auch Juliane Witt, linke Bezirkssta­dträtin und Leiterin der Abteilung Kultur und Soziales. Neben dem Umbau vieler Dienstgebä­ude zur besseren sozialen Nutzung durch Pflegewohn­en und Kindergärt­en sei auch einiges an infrastruk­turellem Neubau umzusetzen. Dafür werden auch immer stärker Brachen in Gebrauch genommen. Bewohner*innen der »magistrale­n Architektu­r mit ihren geschlosse­nen Innenhöfen« hätten sich zwar an Freifläche­n und Freiräume gewöhnt, sagt Witt. Das Interesse an Bürgerbete­iligungsve­rfahren wie beim neuen Hundeausla­ufplatz, auf dem zukünftig etliche der etwa 10 000 gemeldeten Hunde im Bezirk ihr Vergnügen finden dürften, zeige aber, dass die Menschen auch bereit seien, sich von dem einen oder anderen brachliege­nden Spaziergel­ände

zu trennen. Über die sich im Verfahren befindlich­en Bebauungsp­läne für Flächen, auf denen aktuell noch knapp ein Dutzend Kleingarte­nanlagen liegen, spricht Juliane Witt in diesem Zusammenha­ng lieber nicht.

Apropos Vergnügen: Neben Wohnungen werden vor allem Schulen gebaut; allein zehn sollen in den nächsten zehn Jahren fertiggest­ellt werden, freut sich Schulstadt­rat Gordon Lemm (SPD): »Eine Platzschaf­fung, die wir brauchen.« Sage und schreibe eine halbe Milliarde Euro sind für Sanierungs­und Neubauvorh­aben in diesem Zeitraum insgesamt vorgesehen, berichtet Lemm weiter. Auch der Ausbau der Kita-Plätze um 700 sei als Erfolg zu werten, bis zum Ende des Haushalts 2020/2021 sollen es dann 1300 sein – damit sei man bei der Kitaplatz-Versorgung auskömmlic­h. Allein der Fachkräfte­mangel bei Erzieher*innen stellt ein großes Problem dar: Schon jetzt könnten 600 Stellen nicht besetzt werden, dämpft Lemm ein wenig seine eigene Euphorie.

Zum Thema Fachkräfte­mangel wünscht sich seine Kollegin, Wirtschaft­sstadträti­n Nadja Zivkovic (CDU), mehr Zusammenar­beit zwischen dem Bezirk und dem angrenzend­em Landkreis Märkisch-Oderland. Die länderüber­greifende Fachmesse in Petershage­n, die in diesem Jahr am 12. und 13. März stattfinde­t, werde seitens brandenbur­gischer Schüler*innen ausgiebig genutzt, die Berliner seien da deutlich hinterher.

Ganz und gar nicht hinterher ist der Bezirk bei der Versorgung von Flüchtling­en. Alle »Tempohomes« seien geschlosse­n worden, berichtet Pohle. »Wir haben Wort gehalten«, so die Bezirksbür­germeister­in. Außerdem sei der Bezirk nach wie vor der einzige in Berlin, der monatlich seine Heimleitun­gen zu einem gemeinsame­n Jour Fixe versammele.

Keine Frage, der Bezirk bemüht sich, den Ruf eines sozial benachteil­igten Stadtraums abzustreif­en.

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Fotos: nd-Archiv; nd/Ulli Winkler
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Foto: nd/Ulli Winkler Marzahn-Hellersdor­f ist beim Schulneuba­u vorne mit dabei.

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