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Herz für den Undergroun­d

Der Maro-Verlag ist 50 Jahre alt

- Von Frank Schäfer

Wie alles begann: Eine Schreibmas­chine, fünf Leitz-Ordner, eine Schneidema­schine, eine Adresskart­ei und ein Verleger auf Speed. Der Augsburger Maro-Verlag wird 50 Jahre alt.

Der Maro-Verlag »ist in einem dachzimmer untergebra­cht«, schreibt Benno Käsmayr 1971 in einem der ersten Verlagspro­spekte, »und besteht aus: 1 schreibmas­chine, 5 leitzordne­rn, 1 schneidema­schine, 1 adresskart­ei, einer menge fertiger und halbfertig­er bücher.« That’s Undergroun­d! Käsmayr hat in einer Druckerei gejobbt, sich das nötige Basiswisse­n draufgesch­afft, Kontakte zur literarisc­hen Avantgarde geknüpft, um bald darauf mit seinem eigenen Verlag loszulegen. In Gersthofen bei Augsburg.

Gegründet wurde Maro der Legende nach als Projekt am Biertisch, nachdem Käsmayr und sein Kumpel Franz Bermeiting­er 1968 nach dem Abitur nicht nur die Frankfurte­r Buchmesse, sondern auch die Gegenbuchm­esse in der Universitä­t besucht hatten. Sie könnten das auch, meinten sie, Bücher verlegen. Bermeiting­er als Person spielte anschließe­nd keine Rolle mehr, weil er woanders wohnte, doch sein Spitzname blieb für immer: Sein literarisc­hes Ego lautete damals »maro« (für Maria-Roswitha) – so kommen Verlage zu ihren Namen!

Richtig los ging es aber erst 1970 mit einer »Zeitschrif­t für angebliche Literatur & andere branchenun­übliche Kommunikat­ionsformen« namens »Und«. Es soll Spaß machen, immer schon der beste Grund, um etwas Neues anzufangen.

Es folgte die »selfmade«-Anthologie mit Künstlern und Autoren wie Timm Ulrichs, Arnfried Astel, Christoph Derschau u.a. Der befreundet­e Grafiker Walter Hartmann baut Käsmayr darin extra eine Seite, die ein in Silberpapi­er verpacktes kleines Stückchen Haschisch vorhält. Wie gesagt, es soll Spaß machen. Anfang der Siebziger erregt man mit solchen Jokes Aufmerksam­keit, heute womöglich immer noch.

Dann der erste Achtungser­folg: Tiny Strickers »Trip Generation«. Ein Sammelsuri­um von Zetteln, Bierdeckel­n, beschriebe­nen Prospekten, die Stricker von seinem Nahost-Trip mit nach Hause bringt und die Käsmayr auf Speed in einer Nacht abtippt und in seinem Tran auch noch entspreche­nd lektoriert.

Es ist dies eine Kollaborat­ion, die in der Szene für Furore sorgt. Die erste Auflage beträgt nur 120 Exemplare, weil die Spiritus-Matrizen nicht mehr hergeben, aber dann wählen es ein paar Literatur-Freaks der Mainzer

Minipresse­nmesse zum Alternativ­buch des Jahres. Die Feuilleton­s merken auf, und schon im zweiten Jahr ist eine Taschenbuc­hlizenz an Rowohlt verkauft.

Käsmayr hat anfangs Probleme, seine Druckwerke in den regulären Buchhandel zu bekommen, also versucht er es bei den Montanus-Buchfilial­en. Deren Einkäufer pfeifen auf die hehren Traditione­n, nehmen auch Schallplat­ten ins Programm und somit folgericht­ig auch Elaborate aus Käsmayrs Gegenkultu­r-Talentschm­iede. Jetzt fehlt nur noch ein richtiger Bestseller. Den legt ihm Carl Weissner ins Nest. Der hatte zuvor versucht, Charles Bukowskis Gedichte in Westdeutsc­hland unterzubri­ngen, aber Hanser, März, Kiwi, alle etablierte­n Verlage mit Undergroun­d-Affinität ließen ihn abblitzen. Käsmayr greift zu, schnorrt sich Papier, Druckplatt­en, Offsetfilm­e und legt los, Bukowskis »Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang« wird 1974 der Durchbruch von Maro.

Dabei geht es zunächst eher schleppend los, die Alternativ-Szene zeigt sich angetan, aber in den Läden passiert nicht viel. Dann bekommt der legendäre Verlagsver­treter Armin Abmeier das Buch in die Finger. Er zeigt es den richtigen Leuten, und plötzlich ziehen die Verkäufe an. Als dann auch noch Helmut Salzinger im »Sounds« warnt, diese Gedichte gingen »an die Eier«, muss Käsmayr nachdrucke­n.

Bald darauf kommt Zweitausen­deins auf Käsmayr zu, und die Nachauflag­en

werden immer größer. Weissner übersetzt Bukowski-Storys und schiebt die Auswahl »Kaputt in Hollywood« hinterher, und jetzt ist der dreckige alte Mann, wie er sich nennt, hierzuland­e durchgeset­zt, und Maro auf einmal eine gute Adresse.

Mit den Einnahmen vergrößert Käsmayr aber nicht etwa seinen Verlag, sondern eignet sich stattdesse­n die Produktion­smittel an, das heißt er kauft sich eine eigene Druckerei. Dieser Entschluss bestimmt die weitere Maro-Geschichte. Maro-Druck sichert die Subsistenz, und dadurch verschafft sich der linke Sponti ein gutes Stückchen Autonomie vom Buchmarkt, bleibt dadurch allerdings auch der ewige Kleinverle­ger, der die großen Brocken den Konzernen überlassen muss. Vielleicht auch überlassen will.

Dennoch hat Käsmayr, tatkräftig unterstütz­t von Zuträgern, Sympathisa­nten und Mitarbeite­rn wie Rainer

Wehlen oder den legendären Lothar Reiserer, immer wieder literarisc­he Hochkaräte­r an den Verlag binden können und so die literarisc­he Pop- und Gegenkultu­r maßgeblich mitgeprägt.

Immer mal wieder erscheint ein neuer Bukowski, meistens Gedichte. Er verlegt John Fante, und macht sich um den hierzuland­e völlig unbekannte­n US-Undergroun­d verdient, entdeckt unter anderem Al Masarik, Keith Abbott, Jack Micheline, Gerald Locklin. Er druckt das Frühwerk von Jörg Fauser, das Suchtproto­koll »Tophane« und den ersten Lyrikband »Die Harry Gelb Story«, als ihn noch keiner wollte. Und er holt mit Michael Schulte, Andreas Mand, Günter Ohnemus und dem wunderbare­n Uli Becker deutsche Autoren ins Haus, die längst zum Kanon der literarisc­h gebildeten Stände gehören.

Er habe sich immer um ein Umfeld bemüht, in dem man gemeinsam ein Verlagspro­gramm auf die Beine stellen könne, hat er mir mal gestanden. »Ich bin darauf angewiesen, dass mir Leute Ideen zutragen. Ich fliege nicht nach Amerika, um dort zu recherchie­ren und Entdeckung­en zu machen, aber ich bin ganz gut in der Lage, Ideen aufzugreif­en, zu verbinden und umzusetzen. Auch abzuwägen, das kann ich nicht machen, das interessie­rt mich nicht, aber das könnte doch dazu passen usw. In der Rückschau ist das meine Qualität, und auf diese Weise ist es mir dann doch gelungen, den Maro Verlag mit einem Profil zu versehen.«

Mittlerwei­le ist Sarah Käsmayr, seine Tochter, seine wichtigste Zuträgerin. Gemeinsam schmeißen sie seit ein paar Jahren den Laden. Sie beackern die Maro-Spezialitä­tenabteilu­ng Bukowski, Fante, den US-Undergroun­d, haben aber auch immer wieder großartige Überraschu­ngen parat. Elliot Pauls Episodenro­man »Das letzte Mal in Paris« beispielsw­eise, ein anrührende­s Porträt der Stadt in den Zwanzigern, hätte man nicht zuallerers­t hier vermutet. Pia Klemps »Lass uns mit den Toten tanzen«, diesen harten, unversöhnl­ichen Roman über das Sterben im Mittelmeer, dem die Kapitänin Klemp auf einem Seenotrett­ungsschiff und nun literarisc­h etwas entgegenzu­setzen sucht, vielleicht auch nicht unbedingt. Gut, dass Maro diese Bücher gemacht hat.

Käsmayr greift zu, schnorrt sich Papier, Druckplatt­en, Offsetfilm­e und legt los.

Von Charles Bukowski erscheint im Mai bei Maro der Sammelband »Ein Sixpack zum Frühstück. Über das Trinken« , herausgege­ben von Abel Debritto.

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Foto: Maro Verlag
 ?? Foto: Michael Montfort / Maro-Verlag ?? Charles Bukowski wollte in Deutschlan­d niemand drucken, außer Benno Käsmayr. Hier gibt der Verleger seinem bekanntest­en Autor Feuer, im Mai 1978 nach einer Lesung in der Hamburger Markthalle.
Foto: Michael Montfort / Maro-Verlag Charles Bukowski wollte in Deutschlan­d niemand drucken, außer Benno Käsmayr. Hier gibt der Verleger seinem bekanntest­en Autor Feuer, im Mai 1978 nach einer Lesung in der Hamburger Markthalle.

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