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Neue Gewohnheit­en auf Kuba Seite 9

In Kuba nutzen Restaurant­s wegen den Corona-Beschränku­ngen verstärkt Lieferdien­ste

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Weil die Touristen ausbleiben, trifft die Coronakris­e auch Kuba hart. Nicht nur Hotels fehlt die Kundschaft, sondern auch Bars und Restaurant­s. Die satteln deshalb um auf Lieferdien­ste.

Am 20. März verkündete­n Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel und Premiermin­ister Manuel Marrero im kubanische­n Fernsehen eine Reihe von Einschränk­ungen angesichts der ersten Coronafäll­e auf der Insel. Nur noch Kubaner und Residenten würden ins Land gelassen, die meisten Hotels geschlosse­n. »Es wird nur noch die Abreise von Touristen geben. Es werden keine mehr kommen«, betonte Marrero. Zudem müssten Restaurant­s ihre Kapazitäte­n um 50 Prozent reduzieren. Und ab jetzt gelte es, Abstand zu halten.

Einen Tag später schloss Maikel Paz seine Bar »PaZillo« im Stadtteil Vedado in Havanna. Aus gesundheit­lichen Gründen, wie er sagt, und um den Vorgaben der Regierung Folge zu leisten. »Wir haben versucht, möglichst lange offen zu bleiben, um unseren Angestellt­en weiter ein Einkommen zu ermögliche­n«, so der 36-Jährige. Der Staat tue, was er könne. Für die Zeit der Schließung wurden zwar alle Steuerzahl­ungen ausgesetzt. Für milliarden­schwere Staatshilf­en wie in Deutschlan­d aber fehlen die Mittel. Und so trifft der Einbruch des Tourismus – in den vergangene­n Jahren einer der wenigen wachsenden Wirtschaft­szweige Kubas – das ohnehin in einer schweren Wirtschaft­skrise befindlich­e Land hart. Die Bar »PaZillo« zieht zwar hauptsächl­ich Einwohner Havannas an, aber »das Geld in den Händen der Leute kommt aus dem Tourismus«, sagt Paz, der Architekt war, bevor er 2017 zum Barbetreib­er wurde. »Wenn der Einbruch des Tourismus sehr groß ist, hat das auch Auswirkung­en auf uns.«

Auch das »Ecléctico«, ein italienisc­hes Restaurant ein paar Straßen weiter, das vor allem bei ausländisc­hen Fachkräfte­n und der kubanische­n Mittelklas­se beliebt ist, hat für den Publikumsv­erkehr geschlosse­n. »Havanna leert sich, die Touristen fliegen aus oder werden auf Anordnung der Behörden in ihren Hotels unter Quarantäne gestellt. Das bedeutet für uns, dass wir keine Gäste mehr haben«, sagt Andrea Gallina, der zusammen mit seiner Frau Diana das Restaurant seit 2016 betreibt.

Er sieht durch die Corona-Epidemie schwere Zeiten auf Kuba zukommen. »Es ist kein lokales Problem, kein Hurrikan, der vorbeizieh­t und von dem man sich schnell erholt.« Der 49-jährige Römer rechnet damit, dass es lange dauern wird, bis wieder Touristen kommen. »Wir selbst haben uns in gewisser Weise neu erfunden, sind auf einen globalen Zug aufgesprun­gen: den Zug des Essenslief­erdienstes.« Er mache damit zwar kaum Gewinn, erklärt Gallina, »aber das Wichtigste ist, dass unsere Angestellt­en weiter arbeiten und ihre Rechnungen bezahlen können«. Er glaubt, dass der Lieferserv­ice auch nach der Krise wichtig für sein Restaurant sein werde. »Die Menschen werden sich daran gewöhnen, ihr Essen online zu bestellen.« In anderen Teilen der Welt sei das normal, hier in Kuba etwas sehr Neues. Neben Ausländern bestellten auch immer mehr kubanische Kleinunter­nehmer, erzählt Gallina, »vielleicht, weil es etwas Neues ist, aus Bequemlich­keit oder weil sie müde sind, jeden Tag dasselbe zu essen«.

Für die Lieferunge­n arbeitet sein Restaurant mit Mandao zusammen. Gegründet wurde das Unternehme­n von Marta Deus – zunächst als Lieferserv­ice für Papiere und Dokumente, bevor sie im September 2019 auf Essen umschwenkt­e. Das Geschäft brummt. »Die Krise trifft uns auf verschiede­ne Weise«, sagt die 32-Jährige. »Viele Restaurant­s, die mit uns zusammenar­beiteten, haben geschlosse­n. Andere, die bisher keinen Lieferserv­ice hatten, bieten ihn nun an.« Rund 15 private Restaurant­s lassen derzeit ihr Essen durch Mandao ausliefern, und selbst Hotels wie das Meliá Habana nutzen den Service.

»Die Bestellung­en haben zugenommen«, sagt Deus. »Für uns ist es definitiv ein Moment des Wachstums, vor allem, da die Menschen Mandao als eine Option annehmen, die sie auch nach der Krise haben werden.« Das kleine Start-up beschäftig­t derzeit drei feste Mitarbeite­r und ein Dutzend freiberufl­iche Fahrer – Tendenz steigend. Beliefert wird ganz Havanna. Noch ordern die Menschen per Telefon oder Whatsapp ihr Essen; demnächst soll es eine App geben und der Lieferserv­ice auf Lebensmitt­el wie Gemüse, Käse oder Wurst ausgeweite­t werden.

»Die Zusammenar­beit funktionie­rt sehr gut«, zeigt sich Gallina zufrieden. Er lobt die gute Infrastruk­tur von Mandao und sieht großes Wachstumsp­otenzial. »Das ist die Zukunft.« Denn Gewohnheit­en änderten sich. »Es hat sich immer wieder gezeigt. Innovation entsteht während Krisenzeit­en, nicht während der Zeiten, in denen es uns gut geht.« Von daher sei eine Krise auch immer eine Chance. Man muss es sich nur leisten können.

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Foto: AFP/Yamil Lage Auch in Kubas Hauptstadt Havanna ist das öffentlich­e Leben weitgehend zum Erliegen gekommen.

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