Berliner Gangart
Es gibt in der Schauspielkunst eine besondere Souveränität: sich in einem Zusammenhang zu bewegen, ohne ihn zu dominieren. Die große Kunst: so spielen zu können, dass im Zentrum der eigenen Erregung meist ein anderer steht, aber dennoch unverwechselbare Strahlung entsteht, direkt aus der Zurückgezogenheit. Das war, über viele DEFAFilmund Fernsehzeiten hinweg, die Eigenheit von Ernst-Georg Schwill. Bis hin zum jahrelangen Berliner »Tatort«-Kommissarsgehilfen.
Ein schönes Fühlen mit allen Elementen des Wirklichen; Zuträgerschaft für Bejahungsenergien – er war der kleine Helle, war die resistente Frohnatur. Aber beizeiten da auch der tiefe Ernst eines Menschen, der zu früh die bitterste Erfahrung macht. Im ewigen Verwitterungswesen der Dinge: »Wer möchte nicht im Leben bleiben?«, hieß es in Heiner Carows berührendem DEFA-Film »Sie nannten ihn Amigo«, im Lied von Wera Küchenmeister und Kurt Schwaen. Schwill spielt einen Fünfzehnjährigen, der einem KZ-Häftling im Versteck hilft, zu überleben. Der große Fred Düren und der mutige Junge: eine unvergessliche Liaison zwischen Vorsicht und zupackendem Mut. »Berlin – Ecke Schönhauser«. Zwei Jungs in den Hauptrollen. Den einen Halbstarken gibt der kantige, früh schon kunstfigürliche Ekkehard Schall, den anderen: Ernst-Georg Schwill. Die schnoddrige Berliner Gangart der Unternehmungslust.
Schwill, eine Waisenheim-Existenz. Ein erfolgreicher Weg vom Handfesten, dem AutoschlosserTraum, ins Luftige des Komödiantentums. Nun ist er im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.