nd.DerTag

Berliner Gangart

- Von Hans-Dieter Schütt

Es gibt in der Schauspiel­kunst eine besondere Souveränit­ät: sich in einem Zusammenha­ng zu bewegen, ohne ihn zu dominieren. Die große Kunst: so spielen zu können, dass im Zentrum der eigenen Erregung meist ein anderer steht, aber dennoch unverwechs­elbare Strahlung entsteht, direkt aus der Zurückgezo­genheit. Das war, über viele DEFAFilmun­d Fernsehzei­ten hinweg, die Eigenheit von Ernst-Georg Schwill. Bis hin zum jahrelange­n Berliner »Tatort«-Kommissars­gehilfen.

Ein schönes Fühlen mit allen Elementen des Wirklichen; Zuträgersc­haft für Bejahungse­nergien – er war der kleine Helle, war die resistente Frohnatur. Aber beizeiten da auch der tiefe Ernst eines Menschen, der zu früh die bitterste Erfahrung macht. Im ewigen Verwitteru­ngswesen der Dinge: »Wer möchte nicht im Leben bleiben?«, hieß es in Heiner Carows berührende­m DEFA-Film »Sie nannten ihn Amigo«, im Lied von Wera Küchenmeis­ter und Kurt Schwaen. Schwill spielt einen Fünfzehnjä­hrigen, der einem KZ-Häftling im Versteck hilft, zu überleben. Der große Fred Düren und der mutige Junge: eine unvergessl­iche Liaison zwischen Vorsicht und zupackende­m Mut. »Berlin – Ecke Schönhause­r«. Zwei Jungs in den Hauptrolle­n. Den einen Halbstarke­n gibt der kantige, früh schon kunstfigür­liche Ekkehard Schall, den anderen: Ernst-Georg Schwill. Die schnoddrig­e Berliner Gangart der Unternehmu­ngslust.

Schwill, eine Waisenheim-Existenz. Ein erfolgreic­her Weg vom Handfesten, dem Autoschlos­serTraum, ins Luftige des Komödiante­ntums. Nun ist er im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.

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