Neues Paket gegen Corona-Folgen
Bundeskabinett verlängert globale Reisewarnung bis zum 14. Juni
Berlin. Die Bundesregierung hat ein zweites Gesetzespaket zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Der vom Kabinett am Mittwoch gebilligte Entwurf sieht mehr Tests und ausgeweitete Meldepflichten vor. Teil des Gesetzesvorhabens ist zudem das Finanzierungskonzept für den geplanten Pflegebonus, den Beschäftigte in den Altenheimen wegen der besonderen Belastung in der Coronakrise erhalten sollen. Die Kosten für die steuerfreie Bonuszahlung bis zu 1000 Euro übernehmen die Pflegekassen, sie sollen dafür einen Zuschuss vom Bund bekommen.
Der Kabinettsbeschluss sieht zudem vor, dass der Bund die 375 Gesundheitsämter mit 50 Millionen Euro unterstützt, um deren Digitalisierung voranzubringen. Das Bundesgesundheitsministerium kann mit dem beschlossenen Paket die gesetzliche Krankenversicherung per Verordnung verpflichten, Tests auf das Coronavirus grundsätzlich zu bezahlen – auch dann, wenn jemand keine Symptome zeigt. Im Umfeld besonders gefährdeter Personen soll verstärkt auf das Coronavirus getestet werden. Die Labore müssen künftig auch negative Testergebnisse melden. Zudem müssen es Gesundheitsämter mitteilen, wenn jemand als geheilt gilt. Teil des Meldewesens ist künftig auch, wo sich jemand wahrscheinlich angesteckt hat. Die Daten werden anonymisiert an das Robert-KochInstitut übermittelt. Falls wissenschaftlich bewiesen wird, dass nach einer Infektion mit dem Erreger Sars-CoV-2 Immunität besteht, sollen sich die Betroffenen das bescheinigen lassen können – analog zum Impfpass.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch auch entschieden, die bisher bis zum 3. Mai befristete weltweite Reisewarnung für Touristen bis zum 14. Juni zu verlängern. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, er schließe aber Vereinbarungen zwischen einzelnen europäischen Ländern zur Ermöglichung eines grenzüberschreitenden Sommerurlaubs nicht aus.
Arbeitsminister Hubertus Heil hat Details zum neuen Sozialschutz-Paket II bekannt gegeben. Das enthält zur Verwunderung vieler fast keine Nachbesserungen für Bezieher*innen von Hartz IV.
Die Bundesregierung versucht, in der Coronakrise finanzielle Folgen für Einzelpersonen abzufedern. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) befand zum »Sozialschutz-Paket I«: »Auf den Sozialstaat kann man sich verlassen.« Doch längst nicht alle, die es nötig hätten, profitieren von dem Paket. Ausgerechnet arme Menschen im laufenden Hartz-IV-Bezug müssen in der Krise weiter mit niedrigen Regelsätzen überleben.
Einen Monat nach dem ersten Paket hat die Bundesregierung nun nachgebessert. Am Mittwoch hat sich das Bundeskabinett auf das »Sozialschutz-Paket II« geeinigt. Damit werde »der Rettungs- und Schutzschirm weiter gespannt und der Umfang dieser Leistungen für Unternehmen, Beschäftigte und für Arbeitslose« verbessert, heißt es in der Formulierungshilfe des Gesetzentwurfes, die dem »neuen deutschland« vorliegt.
Zu den Erweiterungen zählt eine Anhebung des Kurzarbeiter*innengeldes nach längerer Bezugsdauer. Das Kurzarbeitsgeld soll – abhängig von der Dauer der Zwangspause – in zwei Stufen ab dem 4. und dem 7. Monat auf bis zu 80 Prozent und für Eltern bis zu 87 Prozent des Lohnausfalls steigen. Auch für viele Erwerbslose, die Arbeitslosengeld I (Alg I) beziehen, verbessert sich die Lage. Wenn ihr Anspruch zwischen Mai und Ende Dezember ausläuft, soll sich die Auszahlung um drei Monate verlängern. Der Vorteil des Alg I ist, dass es sich prozentual nach dem alten Lohn richtet. Damit liegt es in vielen Fällen höher als Hartz IV.
Allerdings spannt sich der Schutzschirm des Sozialschutz-Pakets II erneut nicht über viele der Hartz-IV-Beziehenden aus. Die Einzigen, für die sich die Lage etwas verbessert, sind Grundsicherungsbeziehende mit Kindern
in Kita oder Schule. Wenn diese Familien vorher über ihren Bildungsträger ein kostenloses warmes Mittagessen für ihr Kind erhalten haben, sollen sie weiter einmal am Tag warmes Essen bekommen. Diese sollen geliefert werden. Viele Beobachter*innen hatten zuvor mit einer Nachbesserung bei der Regelleistung gerechnet. Heil hatte selbst angekündigt, einen höheren Regelsatz in Coronazeiten prüfen zu wollen. Doch das scheint nun vom Tisch zu sein. Laut Formulierungshilfe soll das Essen für die armen Kinder vom gleichen Caterer stammen, der die Schule oder Kita bekocht hat. Das solle zum gleichen Preis wie zuvor geschehen.
Linksparteichefin Katja Kipping kritisierte gegenüber »nd«, dass das eine »große logistische Herausforderung« sei. Es sei noch unklar, ob diese Lösung in allen Landkreisen funktioniere und zeitnah umgesetzt werden könnte. Die Pläne seien wenig praktikabel. »Am Ende bekommt das eine Kind, das im Hort ist, dann ein Essen zur einen Uhrzeit und das andere, das noch zur Kita geht, ein Essen von einem anderen Anbieter und vielleicht auch noch eine Stunde später.« Der betreuende Elternteil müsse natürlich trotzdem weiter für sich kochen, sagte Kipping.
Auch Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands nannte die Vorhaben »Irrsinn«. »Schulcaterer kochen normalerweise für vielleicht tausend Kinder. Nun sollen sie das Wunderwerk vollbringen, bei gleichen Kosten für viel weniger Personen zu kochen, obwohl der Personalaufwand annähernd gleich bleibt.« Schneider findet: »Das kann nicht funktionieren.«
Gegenüber »nd« erklärt das Arbeitsministerium, warum es auf den Lieferdienstweg setzt: »Ersatzlösungen für das gemeinschaftliche Mittagsessen sind möglichst nah an die bestehenden Versorgungsstrukturen anzulehnen«, sagte ein Sprecher. Eine Erhöhung der Regelsätze würde hingegen »dieses Ziel verfehlen«.
Viele Wohlfahrtsverbände, Nichtregierungsorganisationen, Grüne und Linkspartei beklagen seit Jahren die zu niedrigen Hartz-IV-Regelleistungen. Viele von ihnen fordern wegen der Coronakrise zudem einen Corona-Zuschlag, da gerade jetzt viele Unterstützungsangebote wegfielen und Obst und Gemüse teurer würden.
»Diese Bundesregierung will auf Teufel komm raus nicht den Regelsatz erhöhen. Stattdessen schafft sie lieber neue bürokratische Gesetze«, bilanzierte Kipping. Ähnlich äußerte sich der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven Lehmann. »Die Bundesregierung setzt auf Armenspeisung per Lieferdienst statt auf wirksame Maßnahmen gegen Armut. Das ist ein Rückfall in einen Sozialstaat der Nachkriegszeit«, monierte er.