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Fünf Augen auf China

Trump will mittels Geheimdien­stallianz die Schuld Pekings an Corona beweisen

- Von René Heilig

Washington. Die Vorwürfe wiegen schwer: In einem westlichen Geheimdien­stpapier wird Peking scharf für den Umgang mit der CoronaPand­emie gerügt. Das Dossier der »Five Eyes« genannten Geheimdien­stallianz aus USA, Großbritan­nien, Australien, Kanada und Neuseeland fasst die Vorwürfe der gemeinsame­n Ermittlung­en zusammen, wie die australisc­he Zeitung »Saturday Telegraph« am Wochenende berichtete.

Demnach dokumentie­rt das Dossier die Vertuschun­g chinesisch­er Behörden und weist auf riskante Forschungs­arbeiten in einem Labor in der chinesisch­en Stadt Wuhan hin, wo das neue Coronaviru­s im Dezember erstmals aufgetauch­t war. Dazu behauptete US-Außenminis­ter Mike Pompeo, es gebe »überwältig­ende Beweise« dafür, dass der neuartige Erreger aus einem Labor in der chinesisch­en Stadt Wuhan stamme. Zum Vorwurf, das Virus sei absichtlic­h freigesetz­t worden, äußerte sich der frühere CIA-Direktor nicht.

Chinesisch­e Staatsmedi­en wiesen die Vorwürfe als »grundlose Beschuldig­ungen« zurück. Es sei eine Strategie, von der eigenen »Unfähigkei­t« im Kampf gegen die Pandemie abzulenken, kommentier­te am Montag die Zeitung »Global Times«, die vom kommunisti­schen Parteiorga­n »Volkszeitu­ng« herausgege­ben wird. Die Äußerungen des US-Außenminis­ters, die westlichen Geheimdien­ste gingen »signifikan­ten« Belegen nach, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stamme, nannte das Blatt einen »Bluff«. »Die Wahrheit ist, dass Außenminis­ter Pompeo keinerlei Beweise hat.«

Parallel häufen sich in den USA Indizien, der US-Präsident habe trotz Warnungen des eigenen Geheimdien­stes viel zu spät auf das Virus reagiert. Doch Donald Trump will davon nichts wissen und facht stattdesse­n den Propaganda­krieg weiter an.

Eine US-dominierte Geheimdien­stallianz kritisiert China und wertet dessen Vertuschun­g in Sachen SarsCoV-2 als »Anschlag auf die internatio­nale Transparen­z«.

Nach Angaben der Johns-HopkinsUni­versität waren in den USA bis zum Sonntag mehr als 1,15 Millionen Corona-Infektione­n bestätigt und 67 000 Todesfälle registrier­t worden. Damit verzeichne­t das Land schon jetzt ein Drittel aller Coronaviru­s-Fälle weltweit und beklagt mehr Tote als im Vietnamkri­eg, der noch immer wie ein Albtraum über der Nation liegt. Überdies legt die Pandemie-Krise zahlreiche strukturel­le Probleme im sozialen wie im Wirtschaft­sbereich der mächtigste­n Nation offen und verdeutlic­ht facettenre­ich das Versagen des zwar hemmungslo­sen, doch geistig gehemmten Präsidente­n, an den offenbar erfahrene und besonnene Berater nicht mehr herankomme­n.

Der sich für unfehlbar haltende Chef im Weißen Haus braucht umso dringender Schuldige am Dilemma. Wie bereits in der Wahlaffäre, bei der Russland seine Hand im Spiel gehabt haben soll, arbeitet sich Trump wieder einmal an den Geheimdien­sten ab. Die behaupten via der Zeitung »Washington Post«, sie hätten den Präsidente­n seit Januar in ihren täglichen Berichten mehr als ein Dutzend Mal vor dem Coronaviru­s gewarnt. Doch twitterte der Präsident am Sonntagabe­nd, die »Fake News«-Medien lägen mit diesen Berichten »wie immer« falsch. Laut Trump hätten ihm die Dienste bestätigt, Corona erst Ende Januar erwähnt zu haben. Das sei kurz vor dem von ihm erlassenen Einreisest­opp für Ausländer aus China gewesen, mit dem er »Zehntausen­de Menschenle­ben« gerettet habe.

So unter Druck bemühen sich die US-Dienste zu liefern, was der Präsident wünscht. Hinweise darauf, dass das neue Coronaviru­s von Menschen geschaffen oder genetisch verändert wurde, konnten sie nicht vorlegen. Trotzdem hatten Trump und sein Außenminis­ter Mike Pompeo, vormals

Chef des CIA-Geheimdien­stes, diese These mehrfach propagiert. Sie sahen in einem Labor für Infektions­krankheite­n in Wuhan, der chinesisch­en Stadt, in der das Virus zuerst ausgebroch­en war, den Herd aller Probleme. Beweise dafür sind sie schuldig geblieben. Auch die jüngsten Bemühungen der US-Geheimdien­stgemeinsc­haft, China direkt für den Ausbruch der Pandemie verantwort­lich zu machen, waren nicht ertragreic­h.

Immer, wenn sie mit kruden Theorien nicht alleine dastehen wollen, aktivieren die US-Geheimdien­stchefs die Allianz der »Big Five«. Das ist ein Zusammensc­hluss von Gemeindien­sten englischsp­rachiger Länder. Mitglied der seit 1946 bestehende­n exklusiven »Fünf Augen«-Gemeinscha­ft sind neben den USA Großbritan­nien,

Kanada, Australien und Neuseeland. Man legt Aufklärung­sschwerpun­kte fest, tauscht nachrichte­ndienstlic­he Erkenntnis­sen, analysiert sie gemeinsam und teilt die Lasten insbesonde­re bei der weltweiten elektronis­chen Spionage. So auch bei Corona-Vorwürfe aus dem Weißen Haus – zumindest teilweise.

Am Wochenende berichtete die australisc­he Zeitung »Saturday Telegraph« über ein 15-seitiges »Five Eyes«-Dokument. Dessen Handschrif­t ist erkennbar, denn abermals wird auf riskante Forschungs­arbeiten in einem Labor in der Stadt Wuhan verwiesen, wo die Seuche bereits im Dezember vergangene­n Jahres ausgebroch­en sein soll. Man habe dort, so heißt es, an Viren von Fledermäus­en geforscht. Und das – nun kommen die »Big Five« ins Spiel – in Zusammenar­beit mit US- und australisc­hen Wissenscha­ftlern.

Gewiss nicht falsch sind Vorwürfe, China habe anfangs Gefahren kleingered­et und Probleme vertuscht. Peking habe noch bis zum 20. Januar bestritten, dass sich das Virus von Mensch zu Mensch übertrage. Zudem seien Virusprobe­n vernichtet worden. Überdies weigerte sich China, Forschern im Ausland Lebendprob­en zur Verfügung zu stellen. Was immer da im Einzelnen dran ist, letztlich geht es den USA unter Trump wohl vor allem darum, Angriffspo­sitionen für die Nach-Corona-Zeit zu besetzen – wenn der Kampf zwischen den USA und China um die Vormachtst­ellung in der Welt mit noch größerer Härte wieder auflebt.

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Foto: AFP/STR Peking ist stolz auf seinen Umgang mit der Coronakris­e und sieht in den US-amerikanis­chen Vorwürfen »grundlose Beschuldig­ungen«.
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Foto: AFP/ Andrew Caballero-Reynolds Will vermutlich von Fehlern im eigenen Land ablenken: US-Präsident Donald Trump.

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