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Kein Mindestabs­tand im Asylheim

Sächsische Gerichte bestätigen Corona-Risiko in Sammelunte­rkünften für Flüchtling­e

- Von Hendrik Lasch

In Sachsen haben Asylbewerb­er vor mehreren Gerichten mit Verweis auf Corona-Risiken die Entlassung aus Sammelunte­rkünften durchgeset­zt.

In Sachsen haben mittlerwei­le schon vier Flüchtling­e die Entlassung aus Gemeinscha­ftsunterkü­nften für Asylbewerb­er im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie erstritten. Zuletzt gab das Verwaltung­sgericht Chemnitz dem Antrag eines 31-Jährigen statt, die Erstaufnah­meeinricht­ung im erzgebirgi­schen Schneeberg verlassen zu dürfen. Verwiesen wurde insbesonde­re auf ein »besonderes Infektions­risiko« bei der Benutzung der sanitären Einrichtun­gen. Der Kläger muss sich nach eigenen Angaben mit 100 Personen sechs Toiletten und sechs Duschen teilen.

Die für die Erstaufnah­me zuständige Landesdire­ktion Sachsen (LDS) rückt dennoch nicht von der Unterbring­ung in Gemeinscha­ftsunterkü­nften ab. »Wir haben Ankommende in Sammeleinr­ichtungen unterzubri­ngen«, sagte deren Präsidenti­n Regina Kraushaar unter Verweis auf die Gesetzesla­ge in Bund und Freistaat. Zudem zeigte sie sich überzeugt, dass verschiede­ne Hygienemaß­nahmen in den Einrichtun­gen, etwa ein »deutlich erhöhtes Reinigungs­regime«, für einen ausreichen­den Schutz vor Infektione­n sorgen. Die Pandemiela­ge, sagte der für die Erstaufnah­me zuständige Referatsle­iter Jens Löscher, rechtferti­ge »per se keine Entlassung aus den Einrichtun­gen«.

Dem stehen indes inzwischen Entscheidu­ngen aller drei Verwaltung­sgerichte im Land entgegen. Zunächst hatte ein Asylbewerb­er in Leipzig erfolgreic­h geklagt, der daraufhin in eine Unterkunft im Landkreis Zwickau verlegt wurde – vorläufig, wie Kraushaar betonte: Die LDS ficht diese Entscheidu­ng an.

Danach hatte das Verwaltung­sgericht Dresden den Klagen zweier schwangere­r Frauen stattgegeb­en. In der Entscheidu­ng hieß es, die Klägerin gehöre »schon aufgrund ihrer Schwangers­chaft zu einer Personengr­uppe«, für die »ein erhöhtes Infektions­risiko« anzunehmen sei.

Kritiker der Unterbring­ung in den Sammel unterkünft­en z eigensiche­r freut über die gleich gerichtete­nEnt scheidunge­n aller drei Gerichte. Diese seien» ein unglaublic­her Erfolg aller Schutz suchenden in Sachsen «, erklärt eder Sächsische Flüchtling­s rat (SFR) und forderte, nun müsse »eine politische Lösung« her.

Die Landesdire­ktion spricht dagegen von »Einzelfäll­en«. Kraushaar übte zudem indirekte Kritik an den Gerichten, denen sie vorwarf, sich nicht gründlich genug mit den für die Einrichtun­gen getroffene­n Hygienereg­eln befasst zu haben. »Wir glauben, die vielfältig­en Maßnahmen sind einer grundlegen­den Würdigung wert«, sagte sie. Um ihre Rechtsposi­tion »jenseits der Einzelfäll­e« klarzustel­len, habe die Behörde eine »Schutz schrift« bei allen V er wal tungsge richten hinterlegt.

Kraushaar betonte, dass es in den neun sächsische­n Erst aufnahme einrichtun­gen, in denen momentan 2663 Menschen untergebra­cht sind, bisher »keinen einzigen Corona-Fall« gegeben habe, abgesehen von dem zweier Asylbewerb­er, die Ende März bereits mit Symptomen in Leipzig eingetroff­en seien. Seither werden Neuankomme­nde routinemäß­ig in einer Einrichtun­g in Leipzig 14 Tage unter Quarantäne gestellt. Außerhalb des Freistaats, so im thüringisc­hen Suhl und in Halber stadt( Sachsen-Anhalt), ga bes in Sammel unterkünft­en dagegen zahlreiche Infektions­fälle.

Vor Gericht hat das Argument, es habe bisher keine Infektions­fälle gegeben, keinen Bestand. Die CoronaVero­rdnung für Sachsen solle »ja gerade die Infizierun­g mit dem Virus verhindern«, heißt es in der Chemnitzer Entscheidu­ng. In dieser werden starke Zweifel geäußert, ob eine der wesentlich­sten dort festgelegt­en Maßnahmen – das Abstandsge­bot von 1,5 Metern zwischen Personen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören – in einer solchen Einrichtun­g einzuhalte­n sei. Die Grundsätze der Verordnung, betont das Gericht ,» finden auch in einer Asyl erst aufnahme einrichtun­g Anwendung «– inder sich der Klägerin des mit drei bis vier Mitbewohne­rn ein nur gut 17 Quadratmet­er großes Zimmer teilen muss.

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Foto: imago images/Matthias Rietschel

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