nd.DerTag

Hungerstre­ik gegen Lager

Aktivist*innen fordern sofortige Evakuierun­g

- Von Vanessa Fischer

»Solidaritä­t ist grenzenlos« steht auf dem Plakat aus braunem Pappkarton, das zwei junge Aktivistin­nen in den Händen halten. Sie sitzen vor einer Reiterstat­ue des bayerische­n Prinzregen­ten Luitpold. Dahinter ein Marktplatz, die Kulisse eines kleinen Städtchens, das etwas verschlafe­n wirkt. Die Sonne scheint, auf dem Kopfsteinp­flaster liegt ein Transparen­t, auf das eine bunte Erdkugel gemalt wurde. Die Szenerie wirkt beinahe idyllisch – wäre da nicht auch ein Zettel mit der Aufschrift »Wir sind im Hungerstre­ik«.

Seit dem 29. April, 10 Uhr, befinden sich die Fridays-for-FutureAkti­vistinnen Lovisa Matros (17) und Clara Reis (18) im unbefriste­ten Hungerstre­ik. Seitdem sitzen sie jeden Tag auf dem Rathauspla­tz im rheinland-pfälzische­n Landau »um auf die katastroph­alen Umstände in den griechisch­en Flüchtling­slagern aufmerksam zu machen und insgesamt für eine bessere Flüchtling­spolitik zu protestier­en«. Sie fordern eine sofortige Evakuierun­g der Geflüchtet­en von den griechisch­en Inseln und eine Aufnahme in Deutschlan­d. »Gerade einmal 42 unbegleite­te Minderjähr­ige hat Deutschlan­d aus dem Flüchtling­scamp Moria auf Lesbos aufgenomme­n, das ist lange nicht genug!«

Das findet auch Laurenz Tschoche (19) aus Dresden. »Ich war sofort überzeugt von der Aktion, dachte aber auch, dass das nur Sinn macht, wenn mehr Menschen mitmachen«, erklärt er im nd-Gespräch. Noch am selben Tag trat deshalb auch er in den Hungerstre­ik – allein, bei sich zu Hause, »weil es in Dresden draußen zu viele Nazis gibt«. Seine Eltern seien nicht sonderlich begeistert, erzählt Tschoche. »Sie finden die Aktion zu krass.« Auch er selbst habe etwas Angst um seine Gesundheit, meint Tschoche. »Aber für mein Ziel bin ich bereit, das gesundheit­liche Risiko einzugehen.« Unterstütz­ung erhalte er auch von Freund*innen und anderen Aktivist*innen. »Die ersten Tage waren die härtesten«, sagt Tschoche. Da habe er noch mehr Hunger verspürt. Inzwischen habe sich sein Körper daran gewöhnt. Jetzt trinke er jeden Tag drei bis vier Liter Wasser, erklärt der 19-Jährige, das helfe gegen das Hungergefü­hl. Schwach fühle er sich dennoch, und »mein Kreislauf spielt total verrückt«, sagt Tschoche. Weil er in der drastische­n Aktion aber seine letzte Möglichkei­t sehe, den Forderunge­n Ausdruck zu verleihen, wolle er trotzdem solange im Hungerstre­ik bleiben, »bis es ein Zeichen von der Politik gibt«.

Darauf warten auch die drei FFF-Aktivist*innen Robin, Charlotte Tempel und Antonia Widmer, die sich am 2. Mai, dem vierten Tag des Hungerstre­iks, in Landau der Aktion angeschlos­sen haben. Zwar würden sie sich freuen, wenn noch mehr Menschen Streiks organisier­en. Sie betonen aber ausdrückli­ch, dass sie »niemanden dazu anstiften wollen, seinem Körper langfristi­g zu schaden«.

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