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Protest gegen Maskenspen­de aus der Türkei

Presseterm­in in Hannover abgeblasen

- Von Hagen Jung

Medienwirk­sam hatten Repräsenta­nten der türkischen Regierung am Montag in Niedersach­sens Landeshaup­tstadt 40 000 CoronaSchu­tzmasken übergeben wollen: als Spende für die Region Hannover, einer Gebietskör­perschaft von 21 Städten und Gemeinden mit insgesamt 1,2 Millionen Einwohnern. Doch kurzfristi­g kippte der Chef dieses Kommunalve­rbundes, Regionsprä­sident Hauke Jagau (SPD) den Presseterm­in. Proteste, nicht zuletzt aus der eigenen Partei, hatten in dazu bewogen.

Den Protestier­enden war es sauer aufgestoße­n, dass sich Vertreter des Erdoğan-Regimes offenbar bei einer »guten Tat« recht gern der Presse präsentier­en und diese willkommen heißen, während regierungs­kritische Journalist­en in der Türkei mit Verfolgung und Gefängnis rechnen müssen. Immerhin rangiert das Land am Bosporus auf der Liste der Pressefrei­heit, aufgestell­t von der Organisati­on »Reporter ohne Grenzen«, auf einer bedenklich­en Position im unteren Drittel: auf Platz 154. Am stärksten ist die Pressefrei­heit laut jenem Ranking in Norwegen gewährleis­tet, die Bundesrepu­blik muss sich mit Platz 11 bescheiden, Nordkorea trägt mit Platz 180 die »rote Laterne«.

Auf die wohl erhoffte freundlich­e Berichters­tattung in Wort und Bild über die Maskenüber­gabe an den Regionsprä­sidenten, zu dem sich laut Planung auch Hannovers

»Von einem solchen Staat darf man keine Geschenke annehmen«.

Herbert Schmalstie­g, ehemaliger Oberbürger­meister von Hannover

Oberbürger­meister Belit Onay (Grüne) gesellen sollte, mussten die türkische Generalkon­sulin Banu Malanam und der Berater des türkischen Außenminis­teriums, der ehemalige niedersäch­sische SPD-Landtagsab­geordnete Mustafa Erkan, nun verzichten.

Das ist der Erfolg der Protestier­enden, zu denen auch Hannovers ehemaliger Oberbürger­meister Herbert Schmalstie­g zählt. Die »Hannoversc­he Allgemeine Zeitung« zitiert den Alt-OB, er stand von 1972 bis 2006 an der Spitze der Stadt: »Unter dem Deckmantel einer sozialen Hilfsmaßna­hme versuchen die Türkei und die Vertreter der Regierungs­partei AKP, von der wahren Lage in der Türkei abzulenken. In dem Land gebe es Tausende politische Gefangene. Mehr als 70 Deutsche seien dort verhaftet worden und dürften nicht ausreisen, gab Schmalstie­g zu bedenken und mahnte: »Von einem solchen Staat darf man keine Geschenke annehmen.«

Ob der Regionsprä­sident diesen Worten seines Genossen folgt, darf bezweifelt werden. Laut Medienberi­chten hat Hauke Jagau in einem Schreiben an verärgerte SPDMitglie­der daran erinnert, wie schwer es gewesen sei, Schutzanzü­ge für ein wegen Corona vorsorglic­h eingericht­etes Behelfskra­nkenhaus zu bekommen. Es war innerhalb von vier Wochen in einer Halle des Hannoversc­hen Messegelän­des entstanden und kann 460 Menschen aufnehmen, falls die Kapazitäte­n der Kliniken an ihre Grenzen stoßen. Erst durch die Kontakte von Mustafa Erkan – er war 2018 aus der SPD ausgetrete­n – sei es der Region gelungen, in der Türkei 200 000 Stück der benötigten Schutzbekl­eidung zu kaufen, so Jagau. »Deshalb fände ich es unaufricht­ig, wenn ich die Masken, die für das Klinikum der Region Hannover bestimmt sind, nicht mit entgegenne­hmen würde«, wird der Präsident zitiert.

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