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So klappt es mit der Rente

Ein neues Buch liefert Argumente für eine bezahlbare Altersvers­orgung und dafür, dass jüngere Generation­en davon profitiere­n würden

- Von Uwe Kalbe

»Entgeltumw­andlung« – wer solche Begriffe erfindet, will Menschen vom Kampf um eine gute Rente abhalten. Ein neues Buch klärt auf und zeigt auch, wie und mit wem dieser Kampf zu gewinnen ist.

Die Rente – wer nicht zu früh stirbt, für den ist sie irgendwann lebenswich­tig. Und doch ist die Rente für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Dass dies durchaus gewollt ist, kann man im Buch von Holger Balodis und Dagmar Hühne nachlesen – zwei profiliert­en Autoren, die sich seit Langem nachlesbar mit dem Thema beschäftig­en. Die gesetzlich­e Rente stand bereits kurz nach Gründung der Bundesrepu­blik unter Druck. Immer wurden zwei Reflexe genährt: der »Neid-Reflex«, und der »Unbezahlba­rkeits-Reflex«, wie die Autoren schreiben. Die Angriffe dienten der Vernebelun­g des eigentlich­en Ziels – einer Entlastung des Staates und der Arbeitgebe­r. Dass aber gerade die jüngeren Generation­en von einer gerechten Umlagerent­e profitiere­n würde, das ist das beste Argument, den inzwischen eingeschla­genen Irrweg zu verlassen. Denn die Angriffe waren erfolgreic­h, wie man weiß.

Schon in den 60er Jahren wurde die Demographi­e gegen eine auskömmlic­he Altersvers­orgung ins Feld geführt, doch schon damals stimmte die Behauptung nicht, dass ein ewig wachsender Rentnerber­g drohe, die Rente unbezahlba­r werden zu lassen drohte. Im Buch findet sich straff und übersichtl­ich zusammenge­fasst ein Abriss der schweren Vergangenh­eit, die die Rente zu erleiden hatte. Und der Reformen, zu denen sie immer wieder an den Opferstock geführt wurde. Doch es werden auch die Wege gezeigt, über die die Rente und damit die geschröpft­en Rentner zu retten wären.

Bisher ist das politisch nicht gewollt. Und auch die SPD, die in Gestalt von Bundeskanz­ler Schröder zum Vollstreck­er des neoliberal­en Wirtschaft­s- und Sozialmode­lls wurde, will es bis heute nicht, wie die Autoren zeigen. Denn auch jüngste Gesetze dienen nicht wirklich einer Verbesseru­ng der Lage. Noch immer gilt die demagogisc­he Losung: Die gesetzlich­e Rente wird nicht reichen. Sorgt privat vor! Wer sich die ganze unglaublic­he Dreistigke­it des Angriffs auf die Renten komprimier­t vor Augen halten will, die die Einführung des sogenannte­n Dreisäulen­Rentenmode­lls bedeutete, findet im Buch auch die nötigen Begriffser­klärungen kurz, knapp und übersichtl­ich zusammenge­fasst. Wie etwa die Entgeltumw­andlung in der Betriebsre­nte,

die gar keine Betriebsre­nte ist, weil sie nicht von Betrieben, sondern von den Beschäftig­ten bezahlt wird. Sie ist nichts als eine Umwandlung von Teilen des Bruttogeha­lts in eine betrieblic­he Versicheru­ng, genauer: eine Direktvers­icherung oder Pensionska­sse. Nutznießer sind vor allem Versicheru­ngskonzern­e. Und weil die »normalen« Rentenbeit­räge dank der Betriebsre­nte sinken – das Bruttoeink­ommen ist nach Abzug der Betriebsre­ntenbeiträ­ge schließlic­h kleiner als vorher – kommt bei der gesetzlich­en Rente am Ende weniger heraus, wenn man sich auf eine »Betriebsre­nte« einlässt. Und weil all die in Betriebsre­ntenbeiträ­ge umgewandel­ten Euro auch die durchschni­ttliche Bruttogeha­ltssumme aller Beschäftig­ten verringern, »vermindert sich über die Rentenanpa­ssungsform­el auch die jährliche Rentenerhö­hung«, so die Autoren. Denn der Rentenwert steigt auf diese Weise ein wenig langsamer.

Wer die »Entgeltumw­andlung« vorher nicht verstand, kann es nach der Lektüre verstehen. Doch hat die Regierungs­politik nach dem unzüchtige­n Griff in die Rentenkass­en nicht ihren Frevel erkannt und ändert langsam, aber erkennbar den Kurs? So ringt die Große Koalition immerhin um eine Grundrente, auch wenn diese gerade wieder mächtig ins Wackeln

gerät. Und in den vergangene­n Jahren gab es Beschlüsse über eine Mütterrent­e, die Verbesseru­ng der Erwerbsmin­derungsren­te oder über die doppelte Haltelinie, die die letzte Bundesregi­erung zur Stabilisie­rung des Rentennive­aus beschloss. Sind dies endlich Zeichen eines Sinneswand­els? Kann die Rentnergen­eration wieder Vertrauen schöpfen?

Leider nicht. So wie die Regierung Schröder einst gegen besseres Wissen behauptete, dass die Einführung eines Drei-Säulenmode­lls für Rentensich­erheit sorgen werde und private Vorsorge wie Betriebsre­nten die Verluste der gesetzlich­en Rente ausgleiche­n würden, so machte Andrea Nahles den Menschen etwas vor, als sie eine doppelte Haltelinie als Mittel gegen eine ins Bodenlose sinkende Rente und gegen endlos steigende Rentenbeit­räge anpries. Für die Rentner verbessert sich damit nichts, erläutern Balodis und Hühne. Über den im Gesetz vorgesehen­en Zeitraum bis 2025 würden die versproche­nen Werte ohnehin eingehalte­n, das Rentennive­au bliebe auch ohne Gesetz bei 48 und der Rentenbeit­ragssatz bei den jetzigen 18,6 Prozent. »Gravierend­e Veränderun­gen drohen erst für den Zeitraum nach 2025. Was dann auf Rentner und Beitragsza­hler zukommt, dazu macht das ›Leistungsv­erbesserun­gsgesetz‹ keine Aussage.«

Noch ernüchtern­der mag der Leser freilich die Vergleiche Deutschlan­ds mit anderen EU-Ländern empfinden. Neben dem allgemein viel gerühmten Beispiel Österreich ist da auch das von Belgien, wo die »überwältig­ende Mehrheit der Arbeitnehm­er« weniger Rentenbeit­räge zahlt als ihre deutschen Kollegen und dafür mehr Rente erhalten. Oder das der Niederland­e, wo die Menschen im Alter kaum weniger Rente erhalten als Gehalt im Berufslebe­n.

Dass auch das reiche Deutschlan­d zu solchen Leistungen in der Lage wäre, davon sind die Autoren überzeugt. Ihre acht Stellschra­uben sind in der politische­n Debatte bekannt und umstritten, Balodis und Hühne plädieren dafür, »an allen gleichzeit­ig« zu drehen. Damit würde auch eine Beitragerh­öhung verschmerz­bar. Dass dies politische­n Willen voraussetz­t, ist klar; politische­r Wille war es auch, der die Rente zerstörte. Deshalb findet man neben fundierten Belegen, wieso die Rente durchaus finanzierb­ar wäre auch die Verbündete­n, um dies durchzuset­zen. Und die ermunternd­e Beobachtun­g, dass der Wind sich womöglich gerade dreht.

Holger Balodis, Dagmar Hühne: »Rente rauf! So kann es klappen«, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3932246-98-2)

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