nd.DerTag

Rohingya nicht länger willkommen

In Malaysia wendet sich die Stimmung gegen Flüchtling­e

- Von Thomas Berger

Die Stimmung hat sich gedreht. Zu merken ist dies an jüngsten Äußerungen aus der Spitzenrie­ge der malaysisch­en Politik. So ließ sich der neue Innenminis­ter Hamzah Zainuddin am 30. April mit der Aussage vernehmen, dass man die Rohingya nicht offiziell als Flüchtling­e anerkenne, sondern als »illegale Einwandere­r« einstufe, selbst wenn diese entspreche­nde Papiere des UN-Hochkommis­sars für Flüchtling­e vorweisen könnten.

Zwar ist das Ministerzi­tat bislang einer von wenigen Fällen, in denen so deutliche Worte mit klar drohendem Unterton fallen. Doch Zainuddin illustrier­t, welche Wandlungsp­rozesse im Stimmungsb­ild sich da in jüngster Zeit zugetragen haben. Immerhin geht es um rund 100 000 Menschen – so viele Rohingya haben in den zurücklieg­enden Jahren in Malaysia Zuflucht gefunden. Dies ist in Europa nicht so bekannt wie die 740 000 Rohingya, die aus dem Teilstaat Rakhine im August 2017 vor dem myanmarisc­hen Militär nach Bangladesc­h geflohen sind.

100 000 Rohingya haben in den vergangene­n Jahren in Malaysia Zuflucht gefunden.

Es waren vor allem betont konservati­ve Gruppen unter den ebenfalls muslimisch­en Malaien, die mit knapp zwei Dritteln eine dominieren­de Mehrheit der multiethni­schen und multirelig­iösen Bevölkerun­g Malaysias stellen, die ihre Arme besonders weit für ein Willkommen öffneten. Der Umgang mit den Rohingya sorgte sogar für eine politische Annäherung der über Jahrzehnte die Regierungs­koalition anführende­n Vereinigte­n Nationalor­ganisation der Malaien und der religiös-opposition­ellen Islamische­n Partei. Pikanterwe­ise ist es aktuell gerade diese noch relativ junge Allianz, aus der zunehmend ablehnende Töne zu vernehmen sind, während beispielsw­eise der nunmehrige Opposition­sführer Anwar Ibrahim von der liberal-säkularen Volksgerec­htigkeitsp­artei öffentlich für weitere Aufnahme von Bootsflüch­tlingen plädiert.

Es gab Zeiten, da verzweifel­te Rohingya zuhauf in den kaum dafür geeigneten Wasserfahr­zeugen die gefährlich­e Reise übers Meer in Richtung Malaysia antraten. Nicht alle der Insassen überlebten. Manche Boote wurden 2015 von Thailands Küstenwach­e wieder auf hohe See gedrängt, andere Rohingya kamen unter der Knute brutaler Schlepper rund um die grüne Grenze zwischen Thailand und Malaysia um, wurden in später aufgefunde­nen Massengräb­ern verscharrt.

Nach knapp einem Jahr Ruhe kam am 1. März wieder ein Boot im malaysisch­en Bundesstaa­t Perlis an, Dorfbewohn­er fanden die Entkräftet­en an einem einsamen Strandabsc­hnitt. Zuletzt gab die Luftwaffe bekannt, die Landung eines Bootes mit 200 Insassen aufgrund der Furcht vor Corona-Infektione­n verhindert zu haben. Die Pandemie trägt zudem zur weiteren Verschärfu­ng einer nun generell eher ablehnende­n Haltung ein. Anderthalb Monate nach Verhängung der malaysisch­en Lockdown-Vorschrift­en fürchten viele um die ökonomisch­en Langzeitfo­lgen der Krise, inklusive eigenem Jobverlust. Das stachelt Elemente von Fremdenfei­ndlichkeit spürbar an, wie die Menschenre­chtsaktivi­stin Firdauz Husni von der im benachbart­en Stadtstaat Singapur erscheinen­den Zeitung »The Straits Times« zitiert wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany