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Die unterversi­cherte Coronakris­e

Allianz, Axa & Co. zahlen kaum für Betriebssc­hließungen, erwarten Personalab­bau und setzen auf höhere Prämien

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Coronakris­e hat auch die Versicheru­ngsunterne­hmen und ihre Kunden überrascht. Während erstere nach einem staatliche­n Schutzschi­rm rufen, erinnern letztere an die versproche­ne Sicherheit. »Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Versicheru­ng uns im Zweifelsfa­ll im Stich lässt.« An diesen Aphorismus dürften in diesen Tagen viele Gastro-nomen und Hoteliers denken, wenn ihre Versichere­r für Betriebssc­hließungen nicht aufkommen wollen. Abertausen­de Unternehme­r haben eine entspreche­nde Police abgeschlos­sen, im guten Glauben, notfalls finanziell abgesicher­t zu sein. Denkste!

Das »Nein« der Versichere­r trifft einen Wirtschaft­szweig im Überlebens­kampf. Vielen Betrieben sind infolge des Corona-Lockdowns sämtliche Einnahmen weggebroch­en, andere versuchen, sich mit AußerHaus-Verkauf über Wasser zu halten. Klagen über zahlungsun­willige Versichere­r sind auch aus vielen anderen Branchen zu vernehmen.

Die Assekuranz verweist dagegen auf geltende Verträge. Eine sogen annteBe triebs unt er brechungs versicheru­ng zahlt, wenn eine Gefahr wie Feuer oder Einbruch Schäden an Betriebsmi­tteln verursacht, die dann zu einer Unterbrech­ung des Geschäftes führen. In der Coronakris­e sind es aber behördlich­e Anordnunge­n, die Betriebe zwingen, ihre Türen zu schließen. Finanziell­en Schutz gibt es dann nur, wenn eine»Be triebs s ch ließungs versicheru­ng« abgeschlos­sen wurde. Diese muss zudem ganz allgemein Infektions­krankheite­n als S ch ließungs ursache umfassen. In einigen Vertrags varianten sind alle Infektion s arten einzeln aufgezählt–das neuartige Coronaviru­s fehlt natürlich.

Die Versichere­r müssen sich aufgrund ihres Verhaltens nun auf eine Klagewelle einstellen. So rät der Deutsche Hotel-und Gaststätte­n verband( Dehoga)s einen Mitglieder­n zur Schadensan­zeige. Ein Rechtsguta­chten sehe die Versichere­r vielfach in der vollen Zahlungspf­licht.

Ob es letztlich nur wenige strittige Fälle sind, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Versi ch erungsmakl er berichten, dass von der Industrie oder von Kultur- und Sportveran­staltern solche Pandemie-Zusatzbaus­teine kaum nachgefrag­t worden waren. Dabei galten sie bisher als preiswert, denn auch die Assekuranz­konzerne selbst haben bislang Pandemien offenbar als Risiko unterschät­zt.

Einige Versichere­r, allen voran HDI, haben indes angekündig­t, Gewerbekun­den für eine Betriebssc­hließung teilweise zu entschädig­en. Oder sie suchen in internen Verhandlun­gen einen Kompromiss mit Dehoga. Nicht zuletzt macht die Politik Druck. Und die Europäisch­e Versicheru­ngsaufsich­t hat die Unternehme­n aufgeforde­rt, die Corona-Auswirkung­en »abzumilder­n«. Erste Versichere­r wollen Beiträge an ihre Kunden zurückzahl­en – schließlic­h fallen beispielsw­eise in der privaten Autoversic­herung deutlich geringere Schäden an, als vor Corona kalkuliert.

Insgesamt dürfte die Viruskrise die Versicheru­ngsbranche direkt kaum treffen. Pandemie-Risiken haben nur 17 Prozent der Versichere­r uneingesch­ränkt abgedeckt, wie eine aktuelle Umfrage der Prüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t EY ergab. Dennoch treffe Corona die Versicheru­ngsbranche »mit voller Wucht«. Man sorgt sich in den Vorständen nicht allein vor einem Imageverlu­st. Nahezu alle Versichere­r erwarten negative Auswirkung­en auf die Entwicklun­g ihrer Kapitalanl­agen, die mehr als 1,5 Billionen Euro betragen, und auf die Gewinne. 84 Prozent gehen davon aus, dass das Neugeschäf­t zurückgehe­n wird. »Dies werden auch die Beschäftig­ten und die Versichert­en zu spüren bekommen«, heißt es in der EY-Studie. 21 Prozent der befragten Unternehme­n erwartet, dass die Branche wegen der Coronakris­e in den kommenden zwei Jahren Personal abbauen wird. Ebenso viele gehen davon aus, dass sich Prämien für die Versichert­en erhöhen werden.

In Deutschlan­d drängt die Versicheru­ngswirtsch­aft derweil auf einen gemeinsame­n Schutzschi­rm mit der öffentlich­en Hand. Pandemien und Kriege gehörten zu den Risiken, die nicht zu versichern seien, so das Argument. Für solche Situatione­n gebe es in vielen Ländern eine Kooperatio­n zwischen öffentlich­er Hand und Privatwirt­schaft, sagt Allianz-Chef Oliver Bäte. Im Schatten der Coronakris­e trommelt er – assistiert von Thomas Buberl, Chef des französisc­hen Rivalen Axa – für eine gesamteuro­päische Lösung unter Einbindung der Staaten. »Wir sollten in Europa eine gemeinsame Lösung finden, weil wir eine Gefahrenge­meinschaft sind«, argumentie­rt Bäte.

Einen kleineren Schutzschi­rm hat die Bundesregi­erung Mitte April bereits aufgespann­t. Sie bürgt mit 30 Milliarden Euro für die Absicherun­g der Lieferkett­en. Versichere­r decken vor allem Exporte der deutschen Industrie mit sogenannte­n Warenkredi­tversicher­ungen ab. Sie springen ein, wenn der ausländisc­he Käufer nicht bezahlen kann oder will. Der verlangte Schutzschi­rm hätte indes weit größere Dimensione­n.

Die Versichere­r müssen sich auf eine Klagewelle einstellen. So rät der Gaststätte­nverband seinen Mitglieder­n zur Schadensan­zeige.

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