nd.DerTag

Planlose Verkehrspo­litik

- Nicolas Šustr über Prioritäte­n der Senatorin für Verkehr

Noch zu Beginn der Coronakris­e ging bei den Berliner Grünen die Angst um. Denn von der versproche­nen Verkehrswe­nde, für die sie viele gewählt hatten, war auf den Straßen der Hauptstadt noch kaum etwas zu sehen.

Nun, zwei Monate später, poppen immer mehr temporäre Fahrradweg­e auf. Wie so oft vorangegan­gen ist der Bezirk Friedrichs­hain-Kreuzberg. Felix Weisbrich, der dortige Leiter des Straßenund Grünfläche­namtes, ist eine Art Posterboy der Verkehrswe­ndeAficion­ados geworden. Nicht nur die ersten vielleicht gar nicht so temporären Corona-Radwege wurden dort markiert; am vergangene­n Wochenende wurden auch viele Straßen rund um Spielplätz­e gesperrt, um Kindern und deren Eltern mehr Raum für eine infektions­sicherere Betätigung zu geben. Wahrschein­lich werden auch hier die zaghaftere­n Bezirke folgen.

Die für das große Ganze der Verkehrswe­nde zuständige Senatorin Regine Günther (Grüne) scheint mehr vom Elan aus den Bezirken und der bei den Grünen verbreitet­en Sorge um die Abrechnung der Berliner bei der nächstes Jahr anstehende­n Abgeordnet­enhauswahl getrieben als von eigenen Ambitionen in der Verkehrsfr­age. Denn nach wie vor fällt der Öffentlich­e Personenna­hverkehr hinten runter. Nicht nur der Radweg an der Kantstraße ist ein Beispiel dafür, auch die am Montag wegen der Verkehrsla­ge erfolgte Einstellun­g des Tramverkeh­rs zwischen Karlshorst und Schöneweid­e. Dreieinhal­b Jahre nach Günthers Amtsantrit­t wird der postuliert­e Vorrang von Bahn und Bus nicht mal ansatzweis­e umgesetzt. Vom nur extrem zäh vorankomme­nden Straßenbah­nausbau ganz zu schweigen.

Gerade Geringverd­iener sind auf Bus und Bahn angewiesen. Sie sind es, die BVG und S-Bahn trotz Corona weiter bevölkern. Die Verkehrspo­litik ist ein Schlag ins Gesicht jener, die Rot-Rot-Grün mit dem Postulat vom solidarisc­hen Berlin behauptet erreichen zu wollen.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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