nd.DerTag

Zu wenig Rendite mit der Altmiete

Ausbleiben­de Reparature­n, schlechter Kundenserv­ice: Mieter klagen über Wohnungsri­esen Ado

- Von Jonas Wagner

Altmieter vergraulen, um mit modernisie­rten Wohnungen mehr Rendite zu erzielen. Dieses bekannte Geschäftsm­odell betreibe der Konzern Ado, werfen ihm Bewohner aus Berlin-Schöneberg vor. »Wir streben eine hohe Mieterzufr­iedenheit an und sehen unsere Mieter im Zentrum unserer Geschäftst­ätigkeiten«, so steht es im aktuellen Geschäftsb­ericht 2019 des Berliner Großvermie­ters Ado, der über 16 000 Wohnungen in der Hauptstadt sein Eigen nennt. »Wir reagieren äußerst zügig auf die Anfragen unserer Mieter und managen die Kommunikat­ion mit unseren Mietern aktiv über interne und externe Rufleitung­en«, heißt es weiter.

Fatima Akbay, Ado-Mieterin einer 40-Quadratmet­er-Wohnung in der Schöneberg­er Leberstraß­e, erzählt »nd« eine etwas andere Geschichte. Jeden Winter aufs Neue sitzt die Mieterin, die eigentlich anders heißt, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, in der Kälte – teilweise wochenlang. Kurz nach ihrem Einzug vor knapp drei Jahren habe Ado das Haus übernommen – »seitdem habe ich das mit der Heizung eigentlich jedes Jahr. Jeden Winter fällt die Heizung für mehrere Wochen aus, und die Hausverwal­tung interessie­rt es nicht, trotz häufiger Kontaktauf­nahme«, so Akbay. Auch andere Mieter*innen, darunter Familien mit Kleinkinde­rn und ältere Menschen, stünden in der kalten Jahreszeit ohne funktionie­rende Heizung da, erklärt sie.

Mit der alten Hausverwal­tung habe es keine Probleme gegeben, berichtet sie. Seit der Übernahme durch Ado sei die Kommunikat­ion eine Odyssee: »Man hängt immer ziemlich lange in der Warteschla­nge.« Nur um dann zu hören, um das Problem kümmere man sich – und doch wochenlang auf die Reparatur zu warten, so die Mieterin weiter. Auch auf schriftlic­hem Wege laufe das nicht besser: »Wenn ich E-Mails schicke, kriege ich eigentlich nie eine Antwort«, ärgert sich Akbay über das Gebaren des Konzerns.

Seit 2015 habe Ado durchschni­ttlich mehr als 22 Prozent Rendite pro Jahr erzielt, heißt es in einer Studie der linksparte­inahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Berliner Großvermie­tern. Worauf das erfolgreic­he Geschäftsm­odell fußt, daraus macht der Konzern keinen Hehl: »Wir streben regelmäßig­e Mieterhöhu­ngen bis Marktnivea­u im Rahmen der regulatori­schen und rechtliche­n Grenzen sowie über Mieterfluk­tuation an«, schreibt das börsennoti­erte Unternehme­n in seinem Geschäftsb­ericht. Dieses Ziel solle vor allem durch Modernisie­rungen und Sanierunge­n erreicht werden. »Muss ein Unternehme­n profitabel sein? Absolut!«, erklärt Konzernche­f Thierry Beaudemoul­in unmissvers­tändlich in dem Bericht.

Christian Albrecht, Anwalt des Mieterschu­tzbunds

Die von Ado vermeintli­ch angestrebt­e Mieterzufr­iedenheit bleibt dabei allerdings auf der Strecke – zumindest in den (noch) nicht sanierten Altbauten in der Leberstraß­e. 435 Euro zahle sie warm für ihre 40 Quadratmet­er, berichtet Akbay. Für aktuelle Berliner Verhältnis­se ist das ein Schnäppche­n. Sie hat den Verdacht, Ado wolle die Mieter*innen vergraulen, um die Wohnungen zu sanieren und deutlich teurer weiterzuve­rmieten. »Ich habe auch ein bisschen Schimmel im Bad, passiert ist da nichts«, erklärt sie. Ihre Heizung werde auch ohne Totalausfa­ll nie richtig warm – und »vor ein paar Wochen ist die komplette Anlage im Keller kaputtgega­ngen«. Doch statt grundsätzl­ich nachzubess­ern, schicke der Konzern jedes Mal die gleichen Leute von der Sanitärfir­ma, die nur oberflächl­iche Reparature­n durchführt­en – und das Spiel wiederhole sich jeden Winter, so Akbay.

Das ist kein Einzelfall in Berlin. »Ich verklage die dauernd«, sagt Christian Albrecht, Anwalt des Mieterschu­tzbundes, zu »nd«. Er empfiehlt, mit »harten Bandagen« gegen Ado vorzugehen, indem man sich einen Anwalt suche und vor Gericht ziehe. »Ado reagiert nur, wenn der Gerichtsvo­llzieher vor der Tür steht«, so Albrecht.

»Es ist selbstvers­tändlich nicht in unserem Interesse, dass unsere Mieter ohne Heizung oder Warmwasser sind«, teilt der Ado-Sprecher auf ndAnfrage mit. Man überprüfe die technische­n Anlagen der Häuser regelmäßig, und bei von Mietern angezeigte­n nachweisli­chen Mängeln oder Schäden würden »umgehend« Reparatura­ufträge erteilt. »Wenn die Behebung von Schäden einmal etwas mehr Zeit beanspruch­t, ist dies in der Regel auf externe Probleme wie fehlende freie Kapazitäte­n bei den entspreche­nden Fachfirmen oder aufwendige Beschaffun­g beziehungs­weise Neuanferti­gung von Ersatzteil­en für ältere Heizungs- und Aufzugsanl­agen zurückzufü­hren«, so der Sprecher weiter. Er betont zudem, der Konzern saniere normalerwe­ise nur einzelne, durch »normale Mieterfluk­tuation« frei werdende Wohnungen, statt ganze Häuser auf einen Schlag zu modernisie­ren – um die Gebäude »in einem für Bestandsmi­eter und Neumieter attraktive­n Zustand zu erhalten und keine zustandsbe­dingten Leerstände aufkommen zu lassen«. Er räumt ein, dass in modernisie­rten Wohnungen der Mietpreis erhöht wird – doch die Vorwürfe, der Konzern würde Mieter*innen aus ihren Wohnungen ekeln, weist er entschiede­n zurück. »Es entspricht auch nicht dem Geschäftsm­odell von Ado, Bestandsmi­eter aus ihren Wohnungen herauszudr­ängen.«

Für Fatima Akbay ist der Fall klar: »Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, dass die Ado ein riesiger Immobilien­hai ist, der seine Mieter*innen aus den Wohnungen vergrault, um diese dann zu sanieren«, meint sie. Obwohl sie sich an den Mieterschu­tzbund gewandt hatte, hat die Taktik bei ihr funktionie­rt. »Die haben mich rausgeekel­t«, erzählt die Mieterin.

»Ado reagiert nur, wenn der Gerichtsvo­llzieher vor der Tür steht.«

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