Durchhalten und hoffen
Tourismusbranche demonstriert für staatliche Hilfe / Reiseanbieter TUI baut weltweit Stellen ab
Sowohl Brüssel als auch Berlin wollen den Sommerurlaub vor der Coronakrise retten. Die darniederliegende Branche hört das gerne, fordert aber konkrete Schritte. In Spanien gilt für Einreisende fortan 14 Tage Quarantäne, doch Touristen dürfen ohnehin noch nicht kommen.
Die Coronakrise beutelt die Tourismuswirtschaft, ein ganzer Wirtschaftszweig sieht sich vor dem Aus. Von der Bundesregierung fordern Interessensvertreter Hilfe und die EU-Kommission legt einen Plan vor.
Die Coronakrise trifft alle, überall. Kleine, Große, Mittelständler, an den Küsten, in den Bergen, im In- und im Ausland: Die Tourismusbranche liegt darnieder, ihr Überlebenskampf ist ein Wettstreit zwischen Durchhaltevermögen und den Auswirkungen der Coronaeinschränkungen. Kein Wunder, dass die Betroffenen weitere Öffnungsschritte genauso herbeisehnen und fordern, wie sie sich staatliche Unterstützung wünschen.
Demos für finanzielle Hilfen
Am Mittwoch demonstrierten so Reiseunternehmer und Reisebüroinhaber unter anderem im Berliner Regierungsviertel und in MecklenburgVorpommerns Landeshauptstadt Schwerin für Hilfen der Bundesregierung für die Tourismusbranche und eine Exitstrategie mit konkreten
Auflagen und Maßgaben für das Wiederhochfahren der Geschäfte.
Nachdruck verliehen die Demonstranten, die unter anderem mit Buskorsos auf sich aufmerksam machten, den gemeinsamen Forderungen von sieben Verbänden der Tourismusbranche, darunter der Deutsche Tourismusverband, der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband. »Reisebüros, Reiseveranstalter, Fluggesellschaften und Busunternehmen, Hotels, Restaurants und weitere Akteure des Deutschlandtourismus – ihnen allen ist aufgrund der Coronakrise die Geschäftsgrundlage weggebrochen«, heißt es von den Interessensvertretern. Viele stünden unverschuldet vor dem Aus, doch auf finanzielle Unterstützung warte die Branche bisher vergeblich.
Konkret fordern die Verbände einen Tourismusgipfel unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), auf dem zu diskutieren sei, »welche auf die Tourismus- und Reisewirtschaft, Busunternehmen, Hotellerie, Gastronomie und die Vielfalt des Deutschlandtourismus zugeschnittenen finanziellen Unterstützungsmaßnahmen aufgelegt werden müssen, um das Überleben der Branche zu sichern«. Laut Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes, kämen bei der Reisewirtschaft zum »komplett weggebrochenen Neugeschäft« enorme Rückerstattungsforderungen der Kunden für aufgrund der Reisewarnung nachträglich annullierte Reisen hinzu. »Die Rücklagen sind aufgebraucht. Ohne einen Rettungsfonds mit schnellen, direkten Finanzhilfen werden wir es nicht schaffen«, so Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft.
TUI streicht Stellen
Zu spüren bekommen die Coronaauswirkungen auch die Beschäftigten des Reiseanbieters TUI. Das Unternehmen, eines der größten der Branche, kündigte am Mittwoch an, Tausende Stellen abbauen zu wollen: »Die größte Krise, der sich der Tourismus und TUI jemals gegenüber sahen«, mache enorme Kostensenkungen und den Abbau von weltweit rund 8000 Stellen nötig, erklärte TUI-Chef Friedrich Joussen. Die betroffenen
Arbeitsplätze sollen gestrichen oder nicht mehr neu besetzt werden. Liquidität habe jetzt absolute Priorität, so Joussen, der die Kosten für den Konzern um 300 bis 400 Millionen Euro jährlich senken will, in erster Linie in der Verwaltung.
TUI hatte nach dem Geschäftseinbruch durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bereits einen Überbrückungskredit der staatlichen KfW in Höhe von 1,8 Milliarden Euro mit einer Laufzeit bis Mitte 2022 erhalten. Wie alle Unternehmen hofft auch der Branchenriese auf eine baldige Wiederbelebung des Geschäfts und geht von einer Erholung aus: »Sommerurlaub in Europa kann jetzt schrittweise wieder möglich gemacht werden – verantwortungsvoll und mit klaren Regeln. Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern«, so Joussen. In den kommenden Tagen will das Unternehmen die ersten eigenen Hotels in Deutschland wieder öffnen.
EU-Kommission legt Plan vor Damit der von der Branche ebenso wie von Verbrauchern erhoffte Sommerurlaub in Europa auch sicher ablaufen kann, hat die EU-Kommission am Mittwoch ein Konzept vorgelegt. Demnach wird dafür plädiert, die Reisefreiheit innerhalb der EU schrittweise wiederherzustellen. Zugleich sollen von den betreffenden Unternehmen neue strenge Hygieneund Sicherheitsanforderungen erfüllt werden wie etwa die Begrenzung der Gästezahl, damit Abstandsregeln eingehalten werden können. Möglich sollen Urlaubsreisen zudem nur in Regionen sein, die auch für eine womöglich nötige medizinische Versorgung von Gästen ausreichend Kapazitäten haben.
»Das wird für niemanden von uns ein normaler Sommer, aber wenn wir alle zusammenarbeiten (...), dann werden wir nicht den ganzen Sommer zu Hause verharren müssen – und dann wird es auch kein vollständig verlorener Sommer für die europäische Tourismusindustrie werden«, erklärte die Vizepräsidentin der EUKommission, Margrethe Vestager. Über die Umsetzung des Konzepts der Kommission entscheiden nun die Mitgliedstaaten – und die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens.