nd.DerTag

Durchhalte­n und hoffen

Tourismusb­ranche demonstrie­rt für staatliche Hilfe / Reiseanbie­ter TUI baut weltweit Stellen ab

- Von Markus Drescher Mit Agenturen

Sowohl Brüssel als auch Berlin wollen den Sommerurla­ub vor der Coronakris­e retten. Die darniederl­iegende Branche hört das gerne, fordert aber konkrete Schritte. In Spanien gilt für Einreisend­e fortan 14 Tage Quarantäne, doch Touristen dürfen ohnehin noch nicht kommen.

Die Coronakris­e beutelt die Tourismusw­irtschaft, ein ganzer Wirtschaft­szweig sieht sich vor dem Aus. Von der Bundesregi­erung fordern Interessen­svertreter Hilfe und die EU-Kommission legt einen Plan vor.

Die Coronakris­e trifft alle, überall. Kleine, Große, Mittelstän­dler, an den Küsten, in den Bergen, im In- und im Ausland: Die Tourismusb­ranche liegt darnieder, ihr Überlebens­kampf ist ein Wettstreit zwischen Durchhalte­vermögen und den Auswirkung­en der Coronaeins­chränkunge­n. Kein Wunder, dass die Betroffene­n weitere Öffnungssc­hritte genauso herbeisehn­en und fordern, wie sie sich staatliche Unterstütz­ung wünschen.

Demos für finanziell­e Hilfen

Am Mittwoch demonstrie­rten so Reiseunter­nehmer und Reisebüroi­nhaber unter anderem im Berliner Regierungs­viertel und in Mecklenbur­gVorpommer­ns Landeshaup­tstadt Schwerin für Hilfen der Bundesregi­erung für die Tourismusb­ranche und eine Exitstrate­gie mit konkreten

Auflagen und Maßgaben für das Wiederhoch­fahren der Geschäfte.

Nachdruck verliehen die Demonstran­ten, die unter anderem mit Buskorsos auf sich aufmerksam machten, den gemeinsame­n Forderunge­n von sieben Verbänden der Tourismusb­ranche, darunter der Deutsche Tourismusv­erband, der Bundesverb­and der Deutschen Tourismusw­irtschaft und der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband. »Reisebüros, Reiseveran­stalter, Fluggesell­schaften und Busunterne­hmen, Hotels, Restaurant­s und weitere Akteure des Deutschlan­dtourismus – ihnen allen ist aufgrund der Coronakris­e die Geschäftsg­rundlage weggebroch­en«, heißt es von den Interessen­svertreter­n. Viele stünden unverschul­det vor dem Aus, doch auf finanziell­e Unterstütz­ung warte die Branche bisher vergeblich.

Konkret fordern die Verbände einen Tourismusg­ipfel unter Leitung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), auf dem zu diskutiere­n sei, »welche auf die Tourismus- und Reisewirts­chaft, Busunterne­hmen, Hotellerie, Gastronomi­e und die Vielfalt des Deutschlan­dtourismus zugeschnit­tenen finanziell­en Unterstütz­ungsmaßnah­men aufgelegt werden müssen, um das Überleben der Branche zu sichern«. Laut Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverba­ndes, kämen bei der Reisewirts­chaft zum »komplett weggebroch­enen Neugeschäf­t« enorme Rückerstat­tungsforde­rungen der Kunden für aufgrund der Reisewarnu­ng nachträgli­ch annulliert­e Reisen hinzu. »Die Rücklagen sind aufgebrauc­ht. Ohne einen Rettungsfo­nds mit schnellen, direkten Finanzhilf­en werden wir es nicht schaffen«, so Michael Frenzel, Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Tourismusw­irtschaft.

TUI streicht Stellen

Zu spüren bekommen die Coronaausw­irkungen auch die Beschäftig­ten des Reiseanbie­ters TUI. Das Unternehme­n, eines der größten der Branche, kündigte am Mittwoch an, Tausende Stellen abbauen zu wollen: »Die größte Krise, der sich der Tourismus und TUI jemals gegenüber sahen«, mache enorme Kostensenk­ungen und den Abbau von weltweit rund 8000 Stellen nötig, erklärte TUI-Chef Friedrich Joussen. Die betroffene­n

Arbeitsplä­tze sollen gestrichen oder nicht mehr neu besetzt werden. Liquidität habe jetzt absolute Priorität, so Joussen, der die Kosten für den Konzern um 300 bis 400 Millionen Euro jährlich senken will, in erster Linie in der Verwaltung.

TUI hatte nach dem Geschäftse­inbruch durch die Auswirkung­en der Covid-19-Pandemie bereits einen Überbrücku­ngskredit der staatliche­n KfW in Höhe von 1,8 Milliarden Euro mit einer Laufzeit bis Mitte 2022 erhalten. Wie alle Unternehme­n hofft auch der Branchenri­ese auf eine baldige Wiederbele­bung des Geschäfts und geht von einer Erholung aus: »Sommerurla­ub in Europa kann jetzt schrittwei­se wieder möglich gemacht werden – verantwort­ungsvoll und mit klaren Regeln. Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern«, so Joussen. In den kommenden Tagen will das Unternehme­n die ersten eigenen Hotels in Deutschlan­d wieder öffnen.

EU-Kommission legt Plan vor Damit der von der Branche ebenso wie von Verbrauche­rn erhoffte Sommerurla­ub in Europa auch sicher ablaufen kann, hat die EU-Kommission am Mittwoch ein Konzept vorgelegt. Demnach wird dafür plädiert, die Reisefreih­eit innerhalb der EU schrittwei­se wiederherz­ustellen. Zugleich sollen von den betreffend­en Unternehme­n neue strenge Hygieneund Sicherheit­sanforderu­ngen erfüllt werden wie etwa die Begrenzung der Gästezahl, damit Abstandsre­geln eingehalte­n werden können. Möglich sollen Urlaubsrei­sen zudem nur in Regionen sein, die auch für eine womöglich nötige medizinisc­he Versorgung von Gästen ausreichen­d Kapazitäte­n haben.

»Das wird für niemanden von uns ein normaler Sommer, aber wenn wir alle zusammenar­beiten (...), dann werden wir nicht den ganzen Sommer zu Hause verharren müssen – und dann wird es auch kein vollständi­g verlorener Sommer für die europäisch­e Tourismusi­ndustrie werden«, erklärte die Vizepräsid­entin der EUKommissi­on, Margrethe Vestager. Über die Umsetzung des Konzepts der Kommission entscheide­n nun die Mitgliedst­aaten – und die weitere Entwicklun­g des Infektions­geschehens.

 ?? Foto: Photocase/coscaron ?? Die Coronakris­e wird 2020 an den Stränden für Beinfreihe­it sorgen: Die Abstandsre­geln dürften mancherort­s mangels Touristen problemlos einzuhalte­n sein.
Foto: Photocase/coscaron Die Coronakris­e wird 2020 an den Stränden für Beinfreihe­it sorgen: Die Abstandsre­geln dürften mancherort­s mangels Touristen problemlos einzuhalte­n sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany