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Zweifel am Paritätsge­setz

Thüringer Verfassung­sgericht entscheide­t bald, ob quotierte Wahllisten gesetzlich vorgeschri­eben werden können

- Von Sebastian Haak, Weimar

Das Thüringer Paritätsge­setz soll dafür sorgen, dass mehr Frauen im Landtag sitzen. Nun verhandelt­en die Verfassung­srichter über eine Klage der AfD-Landtagsfr­aktion gegen die Regelung.

Die Richter des Thüringer Verfassung­sgerichtsh­ofs haben Zweifel an den Argumenten der rot-rot-grünen Landesregi­erung erkennen lassen, nach denen das Paritätsge­setz mit der Landesverf­assung und dem Grundgeset­z vereinbar ist. Bei einer mündlichen Verhandlun­g vor dem Verfassung­sgerichtsh­of in Weimar hinterfrag­ten sie am Mittwoch Aussagen und Thesen der Rechtsvert­reterin der Landesregi­erung, Silke Ruth Laskowski, mehrfach betont kritisch.

Das Paritätsge­setz bestimmt im Kern, dass die Parteien für künftige Landtagswa­hlen jeweils die Hälfte der Plätze auf ihren Wahllisten abwechseln­d mit Männern und Frauen besetzen müssen. Es war Mitte 2019 von Linksparte­i, SPD und Grünen, die damals noch die Mehrheit im Landtag hatten, verabschie­det worden und Anfang 2020 in Kraft getreten. Die Koalition will damit erreichen, dass in Zukunft mehr Frauen im Landtag vertreten sind. Die AfD-Landtagsfr­aktion zweifelt die Verfassung­smäßigkeit des Gesetzes an und hat deswegen den Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of angerufen. Die Verfassung­srichter wollen ihr Urteil im Sommer verkünden. Auch in Brandenbur­g ist ein solches, dort ebenfalls heftig umstritten­es Gesetz verabschie­det worden.

Eines der wichtigste­n Argumente von Laskowski vor Gericht lautete: Weil die Gesellscha­ft in Deutschlan­d nahezu genau zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehe, müssten auch in den Parlamente­n beide Geschlecht­er zu gleichen Teilen vertreten sein. Nur so könne man gewährleis­ten, dass die Perspektiv­en von Frauen in der Gesetzgebu­ng ausreichen­d berücksich­tigt werden. »Frauen und Männer in unserer Gesellscha­ft sind unterschie­dlich sozialisie­rt«, sagte Laskowski. Sie seien »unterschie­dlich entwickelt«. Die notwendige Parität zwischen Männern und Frauen werde jedoch durch die Realitäten im politische­n Leben in Thüringen und Deutschlan­d verhindert. »Die Kandidatur­en von Frauen werden systematis­ch behindert«, sagte Laskowski. In den Parteien gebe es von Männern dominierte Strukturen.

Silke Ruth Laskowski, Staatsrech­tlerin

Nicht nur der Verfassung­srichter Klaus von der Weiden machte klar, dass er mit dieser Perspektiv­e ein grundsätzl­iches Problem hat. Diese »Spiegelthe­orie« Laskowskis werfe die Frage auf, warum die Menschen in Deutschlan­d anhand ihres Merkmals »Geschlecht« repräsenta­tiv in den Parlamente­n vertreten sein sollten – und nicht etwa anhand ihrer Herkunft oder ihres Berufs.

Die Verfassung­srichterin Elke Heßelmann ging noch weiter: Wenn es um frauenfreu­ndliche Positionen in der Politik gehe, könne man zwar hoffen, dass Frauen solche Positionen vertreten würden. Es gebe dafür aber keine Garantie. Es sei durchaus denkbar, dass auch Frauen nicht-frauenfreu­ndliche Haltungen hätten. Insofern lasse sich aus der reinen Zahl von Frauen in der Politik noch nicht mit Sicherheit etwas darüber aussagen, wie sich die Gesetzgebu­ng verändere.

Gerichtspr­äsident Stefan Kaufmann stellte die Frage, ob nicht in einer Gruppe aus vier Frauen und einem Mann auch die Perspektiv­e der Männer vertreten sei. Laskowski erwiderte: Die Vergangenh­eit habe gezeigt, dass Argumente von Frauen nur ernst genommen worden seien, wenn viele Frauen sie vertreten hätten. Als in den 90er Jahren die Vergewalti­gung in der Ehe zu einer Straftat erklärt wurde, sei das nur gelungen, weil sich zahlreiche Frauen dafür eingesetzt hätten.

»Frauen-Kandidatur­en werden systematis­ch behindert.«

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