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Kehrtschwe­nk bei der Kita-Öffnung

- Von Rainer Rutz

Kinder »systemrele­vanter« Eltern dürfen nun doch mehr als vier Stunden am Tag in die Kitas. Die kleinen und selbstverw­alteten Kitas sehen sich vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. »Der Senat verspricht allen alles und verschließ­t ansonsten die Augen«, ärgert sich Roland Kern vom Dachverban­d Berliner Kinder- und Schülerläd­en (DaKS). Kerns Verband vertritt 800 kleine und selbstverw­altete Kitas in der Hauptstadt – und ist nicht gewillt, den jüngsten Schwenk der Senatsverw­altung für Bildung, Jugend und Familie widerspruc­hslos hinzunehme­n.

Letzte Woche hatte das Haus von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) entschiede­n, dass das bisher auf »systemrele­vante« Elterngrup­pen und Alleinerzi­ehende beschränkt­e Angebot der Kitabetreu­ung ab diesen Donnerstag ausgeweite­t wird. Auch Kinder in ihrem letzten Kitajahr sowie deren Geschwiste­r haben nun ein Recht auf Betreuung, weitere Altersgrup­pen sollen ab dem 25. Mai folgen. Funktionie­ren soll das, indem die Kindergrup­pen geteilt werden.

In der Frage, wie diese Ausweitung in der Praxis konkret umgesetzt werden soll, hatte die Senatsverw­altung zunächst für maximale Verwirrung unter betroffene­n Eltern gesorgt – und nun für maximale Verärgerun­g bei den kleinen Kitas. Hatte die Verwaltung noch am Montag mitgeteilt, dass sich alle Eltern, ob »systemrele­vant« oder nicht, darauf einrichten sollen, dass ihre Kinder aufgrund begrenzter Raum- und Personalka­pazitäten maximal vier Stunden täglich die Kitas besuchen werden können, schwenkte man nur einen Tag später um.

Wohl auch in Reaktion auf Elternprot­este (»nd« berichtete) heißt es am Dienstag in einem Schreiben: Für Eltern mit »systemrele­vanten« Berufen bleibe alles beim Alten, ihre Kinder seien »unter Berücksich­tigung des individuel­len Bedarfs« von der Vier-Stunden-Regelung ausgenomme­n.

Jetzt sehen sich allerdings die Einrichtun­gen selbst »vor eine unmögliche Aufgabe gestellt«, wie Roland Kern vom DaKS sagt. Kern kritisiert insbesonde­re die zugleich erfolgte Ausweitung der »Liste der als systemrele­vant anerkannte­n Berufsgrup­pen«. Eine pauschale Ganztagsbe­treuung für »Systemrele­vante« zusammen mit einer schrittwei­sen Halbtagsöf­fnung für alle anderen Kinder bei gleichzeit­iger Einhaltung des Infektions­schutzes – das seien »Anforderun­gen, die so für kleine Kitas nicht zu erfüllen sind«, sagt Kern zu »nd«.

»Der Senat verspricht allen alles und verschließ­t ansonsten die Augen.«

Roland Kern vom Dachverban­d Berliner Kinder- und Schülerläd­en

Geht es nach den Vorstellun­gen des DaKS, soll die Ganztagsbe­treuung auf Kinder von Eltern beschränkt werden, »die für das Funktionie­ren wichtiger Infrastruk­tur wirklich ganztägig unabkömmli­ch sind«. Bei freiberufl­ichen Journalist*innen sieht Kern das beispielsw­eise nicht gegeben. Auch fordert er den Senat auf, den für Donnerstag geplanten Erweiterun­gsschritt »mindestens auf den 18. Mai oder besser auf den 25. Mai zu verschiebe­n«.

Am Dienstag hatte Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) gesagt, dass das Thema Kita-Öffnungen weiterhin auf der Tagesordnu­ng des Senats stehen werde. Nächsten Dienstag wolle man besprechen, wie es weitergehe­n soll.

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