Verfassungsschutz?
Immer wenn die Medien über einen neuen Terrorakt in Deutschland mit rassistischem bzw. neonazistischem Hintergrund berichten, wiederholt sich dasselbe Schema, so z. B. nach dem Mordanschlag in Halle am 9. Oktober 2019: Während große Teile der Öffentlichkeit mit Bestürzung und Fassungslosigkeit reagieren, fordern Regierungspolitiker*innen vor allem mehr Personal und mehr Überwachungsbefugnisse für die Verfassungsschutzämter sowie eine bessere Vernetzung mit den anderen »Sicherheitsbehörden«. Geflissentlich ignoriert wird dabei, dass der Verfassungsschutz beim »Kampf gegen den Rechtsextremismus« bisher auf ganzer Linie versagt hat, ja schlimmer noch: Statt bei der Aufklärung des terroristischen Netzwerkes rund um den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) und dessen über viele Jahre anhaltende Mordserie tatkräftig mitzuwirken, wurden die polizeiliche Ermittlungsarbeit gezielt behindert und die eigene Verstrickung in die Neonaziszene durch die zahlreichen V-Leute der »Ämter« systematisch vertuscht.
Auch was es mit den Verbindungen mehrerer Verfassungsschutzämter mit dem militanten »Hannibal-Komplex« auf sich hat, wirft die Frage nach der Rolle rechter Netzwerke in Teilen der Exekutive auf. Die historischen, politischen und ideologischen Hintergründe des Verhaltens unseres Inlandsgeheimdienstes werden in den Beiträgen dieses Sammelbandes analysiert. Nachgewiesen wird dabei auch, dass die Verfassungsschutzämter teilweise weit außerhalb des Auftrages handeln, den ihnen die Verfassung und die Fachgesetze zuweisen. Statt sich als »Frühwarnsystem« für Gefahren für die demokratische Verfassungsordnung zu betätigen, überwachen sie kontinuierlich unbescholtene, aber sich politisch oppositionell engagierende BürgerInnen und unterhöhlen damit nicht zuletzt das System freier und offener demokratischer Willensbildung, die das Grundgesetz garantiert.