nd.DerTag

Ungestörte­s Feiern

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Institutio­neller Rassismus ist nicht immer leicht nachzuweis­en. Manchmal zeigt er sich dann aber doch auf sehr symbolisch­e Weise. An Weiberfast­nacht, dem 20. Februar, wehten am Reichstag die Flaggen auf Halbmast. Am Tag zuvor hatte in Hanau ein extrem rechter Attentäter neun Menschen ermordet. In Berlin fand für die Opfer eine Mahnwache vor dem Brandenbur­ger Tor statt, mehrere Beamte und Politiker nahmen daran teil. Nicht weit entfernt wollten sich einige ihrer Kollegen jedoch die Karnevalsp­arty nicht verderben lassen. In der fünften Etage eines Bundestags­gebäudes veranstalt­eten laut Medienberi­chten vom Freitag am gleichen Abend mehr als 100 Mitarbeite­r ein regelrecht­es Gelage inklusive Polonaise und Kostümwett­bewerb. Auch rassistisc­he Kommentare sollen gefallen sein.

War die Feier eine Pietätlosi­gkeit, ein Zeichen fehlenden Respekts den Opfern gegenüber? Das wäre eine verharmlos­ende Bewertung. Den Verwaltung­smitarbeit­ern, Beamten und womöglich auch Abgeordnet­en waren die Toten von Hanau einfach egal. Man verspürte keine Empathie mit ihnen, sie gehörten für die Partygemei­nschaft zu den »anderen«. Zu jenen, deren Schicksal das eigene einfach nicht berührt – egal, wie nah man beieinande­r lebt. Klar ist: Wenn Behördenmi­tarbeiter nicht mal bereit sind, auf kürzlich ermordete Migranten Rücksicht zu nehmen, werden sie sich wohl auch kaum für die Interessen der Lebenden einsetzen.

Die daraus resultiere­nde Behandlung ist allgegenwä­rtig und aktuell. Etwa 30 Angehörige der Anschlagso­pfer von Hanau waren am Donnerstag nach Wiesbaden gereist, um im Landtag Auskunft zum Stand der Ermittlung­en zu erhalten. Im Anschluss an das Treffen zeigten sie sich enttäuscht. Viele ihrer Fragen blieben unbeantwor­tet. Nicht zum ersten Mal in Deutschlan­d.

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