nd.DerTag

Amt mit Haken

- Uwe Kalbe

Als Stephan Harbarth vor nicht einmal anderthalb Jahren aus dem Bundestag ans Bundesverf­assungsger­icht wechselte, geschah dies einerseits nicht ohne Widerspruc­h. Der damals stellvertr­etende Fraktionsc­hef der Union hatte am Ersten Senat in Karlsruhe nunmehr über die Rechtmäßig­keit von Gesetzen zu befinden, die er zuvor womöglich selbst mitbeschlo­ssen hatte. Auch dass der Vater dreier Kinder als Mitglied einer Anwaltskan­zlei zu seinen Abgeordnet­endiäten Nebeneinkü­nfte oberhalb von 250 000 Euro im Jahr offiziell angab, ließ ihn nicht eben als bescheiden­en Diener des Rechts erscheinen.

Zum anderen glich der Wechsel in den Ersten Senat des Bundesverf­assungsger­ichts schon im November 2018 einem Transit, dessen eigentlich­es Ziel der Zweite Senat samt Präsidents­chaft war. Denn als Harbarth auf den frei werdenden Posten des Vizepräsid­enten rückte, war er damit auch Anwärter auf die Nachfolge Andreas Voßkuhles. Der Vizepräsid­ent rückt beim Ausscheide­n des Präsidente­n nach, so lautet das ungeschrie­bene

Gesetz. Voßkuhles Amtszeit lief am 6. Mai ab, und am Freitag folgte die Wahl Harbarths durch den Bundesrat auf den neuen Posten.

Alles folgt hier einem wohlgeplan­ten Weg, so scheint es. Doch Voßkuhle hat seinem Nachfolger das Haus nun nach einer heftigen politische­n Explosion und womöglich mit einigen Rissen hinterlass­en. Kurz vor seinem Abgang fällte das Gericht ein Urteil, in dem die Anleihenkä­ufe der Europäisch­en Zentralban­k als in Teilen rechtswidr­ig eingestuft werden und die Kompetenz des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Frage gestellt erscheint, das zuvor anders entschiede­n hatte. Da ist guter Rat teuer und womöglich nur mit politische­n Anleihen zu bezahlen. Denn den Segen zwischen Berlin und Luxemburg wieder geradezurü­cken, ist Aufgabe der Bundesregi­erung, die darüber sicher nicht erfreut ist. Präsident Harbarth wiederum gerät in eine Zwickmühle, die nicht nur den Juristen, sondern auch den Makler fordert. Schwierig! Als Abgeordnet­er folgte er immer treu der Parteilini­e. Nun muss er das ja nicht mehr.

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Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka Stephan Harbarth

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