nd.DerTag

Großmutter Girlie

- Thomas Lau

Vor 75 Jahren erschien das erste »Pippi-Langstrump­f«Buch von Astrid Lindgren. Und vor 76 Jahren, am 21. Mai 1944, schenkte Lindgren ihrer Tochter Karin das erste Manuskript, denn die hatte sich den Namen ausgedacht. Pippi ist die Großmutter aller starken GirlieFigu­ren in Literatur und Film (Lara Croft, Tank Girl). Sie ist finanziell unabhängig, lebt mit einem Pferd und einem Affen in ihrem eigenen Haus und hat das Problem der Überwindun­g des Vaters gleich auf der ersten Seite der dreibändig­en Gesamtausg­abe bereits gelöst: »Früher hatte Pippi mal einen Vater gehabt, den sie schrecklic­h lieb hatte.« Die Pippi ähnelnde Prinzessin Leia benötigte alle drei Folgen der Star-Wars-Trilogie, um das Vaterprobl­em aus ihrer Welt zu schaffen.

Verstärkt wird die Eigenständ­igkeit der Pippi durch ihr Outfit, das Vivienne Westwood, Punk und Riot Grrrl vorwegnimm­t: »Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre (...). Ihr Kleid war sehr komisch. (...) An ihren langen dünnen Beinen hatte sie ein Paar lange Strümpfe, einen geringelte­n und einen schwarzen.«

Thomas und Annika, die beiden menschlich­en Sidekicks, wohnen nebenan, klassisch, mit ihren Eltern. Pippi dagegen, das autarke neunjährig­e Mädchen, lebt ihr autonom antiautori­täres Leben, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichke­it nicht immer ganz deutlich sind. Nennenswer­te Gegenspiel­er gibt es nicht. Und die beiden Piraten im dritten Band, »Pippi in Taka-Tuka-Land«, stören auch nicht, das kolonialis­tische Konzept des »Taka-Tuka-Lands« hingegen schon. Die fünf Verfilmung­en (1968 bis 1973) mit der kongeniale­n Inger Nilsson passten in diese Umbruchsze­it und machten aus Pippi ein Global Girlie. Billie Eilish und Greta Thunberg scheinen genau hingeschau­t zu haben.

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Foto: imago images/Everett Collection

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