nd.DerTag

… Händewasch­en nicht vergessen!

- Von Susanne Kreimer & Reinhard Renneberg

»Kundi, das Gesundheit­smännchen«, gab auf den Schulheftr­ückseiten des Senior-Biolumnist­en Reinhard Renneberg vor 60 Jahren unvergessl­iche gute Ratschläge wie den: »Nach dem Klo und vor dem Essen: Händewasch­en nicht vergessen!« Heute gilt das für nahezu alle Lebenslage­n; sogar zum Teil um den Gebrauch von Desinfekti­onsmitteln ergänzt …

Als Postdoc in Kyoto vor 40 Jahren erzählten ihm seine Forscherko­llegen, jeder Japaner wüsche sich etwa 50 Mal am Tag die Hände; endlos, einfach mit Seife, fast manisch. Beim geringsten Schnupfen trugen sie Masken: Zum Schutz der anderen! Damals fand Reinhard das liebenswer­t, aber leicht übertriebe­n. Aber was ist dran an der Händewasch-Manie und was genau macht nun Seife mit einem »behüllten« Virus wie dem SarsCoV-2?

Zunächst hat das Virus eine doppelschi­chtige Lipidhülle, mit Proteinen durchsetzt, die sein genetische­s Material (RNA im Falle des Coronaviru­s) schützt. Die Virus-Lipidhülle halten starke stabilisie­rende Kräfte zusammen, damit das Informatio­nspaket nicht einfach ausbüxen kann.

Gleichzeit­ig sind die eingelager­ten Proteine für das »Andocken« an den humanen Zellen verantwort­lich. Ohne sie kann das Virus nicht in die menschlich­en Zellen eindringen. Und genau an dieser multipoten­ten Hülle des Virus setzt die Seife an. Seife ist ein Detergens oder Tensid. Tenside haben einen wasserlieb­enden (hydrophile­n) und einen fettlieben­den (lipophilen) Teil. Wird Seife in Wasser gelöst, bindet das Tensid zunächst also mit seiner wasserlieb­enden Seite an die Wassermole­küle. Dann hat es ja aber noch die andere, fettlieben­de Seite ... Und die lagert sich an die Lipidhülle des Virus an und bricht diese auf.

Stellt man sich die Seifenmole­küle als Wachmänner vor, dann halten sie im Anschluss an das Aufbrechen der Virushülle mit ihrer lipophilen Seite die Lipidteile der Virushülle, welche sie im Kampf ergattert konnten, in einer Kugel eingesperr­t. Auf der hydrophile­n Seite halten die Seifenmole­küle ihre »Wasserfreu­nde« fest und bilden damit eine sogenannte Mizelle: Man erhält winzigste Virus-Membran-Fett-Tröpfchen, in einer kleinen Kugel von den Seifen-Wachmänner­n umgeben und im Wasser gelöst. Damit hat man zwar das Virus noch nicht getötet, weil die RNA oder (bei anderen Viren) DNA ja noch existent ist, aber man hat es unschädlic­h gemacht, da diese jetzt nicht mehr weit kommt.

Desinfekti­onsmittel für die Hände, oft mit dem Aufdruck »antibakter­iell«, helfen jedoch nur bedingt gegen Viren. Hilfreich sind nur solche, die zusätzlich die Angabe »viruzid« tragen. Die auf behüllte Viren wirkenden Mittel tun dies vor allem durch ihren hohen Alkoholgeh­alt von rund 80 Prozent.

Tja, und wie rechtferti­gte sich gestern ein guter Freund von uns, mit dem Schnapsgla­s in der Hand und Mindestabs­tand, angesichts der Corona-Nachrichte­n? »Ich saufe nicht, sondern desinfizie­re mich!«

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