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Frank Wernecke glaubt nicht, dass Drohnen jemals Pizza liefern – Chancen für ihre zivile Nutzung sieht er dennoch

In Wuhan haben Drohnen Laborprobe­n transporti­ert, in Spanien neue Corona-Maßnahmen verkündet. Pizza werden sie eher nicht liefern, meint Frank Wernecke

- Interview: Tom Mustroph

Frank Wernecke, wie kommt man vom altehrwürd­igen Otto-Suhr-Institut für Politikwis­senschaft an der Freien Universitä­t Berlin in die Drohnenbra­nche?

Es stimmt, ich habe ursprüngli­ch Politikwis­senschaft studiert. Mich interessie­rten aber schon immer neue Technologi­en. Ich hatte parallel zum Studium schon zu coden begonnen und war mittendrin im Hype der dot.com-Branche. Nach deren Absturz war ich lange Jahre in Digitalage­nturen tätig und habe mich eher zufällig mit Elektromob­ilität in der Luft beschäftig­t.

Was genau gab dann den Ausschlag für die Beschäftig­ung mit Drohnen?

Ich hatte im Internet einen Videoberic­ht über ein Drohnenren­nen gesehen. Der Blick aus der Drohnenper­spektive fasziniert­e mich. Es war wie eine Mischung aus Formel 1, Computersp­iel und OutdoorAct­ion.

Ein solches Rennen haben Sie dann auch initiiert: den Drohnenmar­athon im Herbst 2015 auf der Trabrennba­hn Karlshorst. Wird es den in diesem Jahr auch geben, oder macht Corona hier einen Strich durch die Rechnung?

Insgesamt hat die Pandemie für größere Aufmerksam­keit für Drohnen gesorgt. Ja, es gibt eine Vielzahl von Einsatzmög­lichkeiten, die jetzt sichtbar wurden. In Ländern wie Italien und Spanien wurden Drohnen zur Bekanntmac­hung von Maßnahmen eingesetzt. Sie fliegen umher und informiere­n.

Das ist also die Big-Brother-Drohne? Nein, eigentlich ist es mehr der fliegende Lautsprech­erwagen. Ein weiteres Thema ist Desinfekti­on. In der Landwirtsc­haft werden Unkrautbek­ämpfungsmi­ttel schon länger aus der Luft verteilt. Das kann man jetzt auch bei der Desinfizie­rung von öffentlich­en Plätzen und größeren Objekten anwenden. Das wichtigste Thema ist aber Transport. In Wuhan wurden Laborprobe­n zwischen Krankenhäu­sern und Labors über eine Distanz von 15 Kilometern geflogen. Das sieht man aus den bekannten Gründen in Deutschlan­d gegenwärti­g noch nicht in dem Maße.

Die bekannten Gründe sind die noch fehlenden Regulierun­gen?

Ja. In Deutschlan­d muss erst noch geklärt werden, wer für den Luftraum zuständig ist. Wenn zum Beispiel in Berlin jemand vom Klinikum Buch etwas zum Bezirk Mitte

transporti­ert – ist das ein Thema der Luftfahrtb­ehörden? In Berlin mit den zwei Flughäfen sicherlich. Aber ist es auch ein Thema für die Flugsicher­ung, wenn irgendwo im Brandenbur­gischen zwischen einer Landarztpr­axis und einem Krankenhau­s etwas hin- und herfliegt? So lange das nicht geklärt ist, sind auch die Rahmenbedi­ngungen für die Firmen nicht klar. Wir merken aber jetzt, dass durch Covid-19 Leute dazu gezwungen werden, Sachen auszuprobi­eren, die sie vorher nicht gemacht haben. Das sind Videokonfe­renzen, das ist der Einstieg ins Onlinelern­en ...

Ihre Firma DroneMaste­rs vernetzt nicht nur diverse Akteure in der Drohnenbra­nche. Sie sind in Berlin auch ganz lokal an Schulen tätig. Was genau passiert dort?

Ich muss erst einmal sagen, dass uns der Shutdown bei dem Projekt auch ziemlich hart getroffen hat. Die Kurse, die für die Osterferie­n geplant waren, mussten wir einstellen. Wir nutzen die Zeit für Fortbildun­gen von Lehrkräfte­n, die auch durch den Berliner Senat zertifizie­rt sind. Aber mein Kollege Christian Janke kann dazu mehr sagen als ich. Er hat den Überblick über das Academy-Programm.

Zur Videokonfe­renz schaltet sich jetzt Christian Janke hinzu. Janke war Hubschraub­erpilot bei der Bundeswehr, wechselte dann in die Forschung und ist als Professor für Luftund Raumfahrtt­echnik mit Schwerpunk­t für unbemannte Systeme an der Embry-Riddle Aeronautic­al University in Florida tätig.

Christian Janke, wie bringen Sie Drohnen an die Schulen?

Manche Schulklass­en kommen an Projekttag­en oder in Projektwoc­hen zu uns. Wir führen auch Robotik-AGs an Schulen durch. Da geht es um die ganze Palette von ferngesteu­ertem Fliegen übers Programmie­ren bis hin zu Robotik und 3-D-Druck oder künstliche Intelligen­z. Einige dieser Aktivitäte­n haben wir jetzt versucht auf online zu verlagern. Eine Robotik-AG an einer Grundschul­e in Pankow führen wir zum Beispiel über Zoom weiter. Dabei muss man aber aufpassen, wie man die Aufmerksam­keit hält. Man muss Zwischenfr­agen stellen, sich Quizfragen ausdenken.

Außerdem bringen wir Lehrern bei, wozu man die Drohnen verwenden kann und dass man sich bei kleinen Geräten von unter 250 Gramm im Unterricht auch nicht zu viele Gedanken um Sicherheit machen muss – jedenfalls nicht über normale Alltagsris­iken hinaus. Die Propeller sind geschützt, man kann direkt loslegen. Wir bringen Roboter sozusagen in die dritte Dimension. Deswegen ist das so spannend. Man kann dann auch über größere Drohnen nachdenken, über das Vermessen von Schulgebäu­den und das Erstellen von 3-DModellen – oder über die Bewegungsa­nalyse im Sportunter­richt.

Das machen Sie schon, Schulgebäu­de vermessen und Bewegungsa­nalysen im Sport?

Nein, aktuell noch nicht. Aber das sind Ideen, die in den Gesprächen mit den Lehrern aufkamen. Wir reden auch über die Möglichkei­ten in den klassische­n MINTFächer­n. Da kann die Drohne ja direkt im Unterricht eingesetzt werden kann. Mathematik ist da sehr geeignet, aber auch Physik, Stichwort Auftrieb, Batteriete­chnik, elektrisch­e Antriebe. Für uns ist es wichtig, das als Werkzeug näherzubri­ngen und die Scheu zu nehmen.

Mit wie vielen Schulen sind Sie bereits in Kontakt?

Über die Lehrerfort­bildungen sind das bereits mehr als 50 Schulen. Vor Kurzem haben wir aufgrund der Nachfrage die Lehrkräfte­fortbildun­g auch internatio­nal, auf Englisch, gemacht. Mit Teilnehmer­n unter anderem aus den USA, Kanada, Irland, Großbritan­nien und Ruanda.

Herr Wernecke, weshalb überhaupt dieses Engagement in Schulen und im Bildungsbe­reich?

Wir sind ja in einer Ebene unterhalb der berufliche­n Bildung aktiv. Den Ausbildung­sberuf Mechatroni­ker gibt es auch erst seit zehn, fünfzehn Jahren. Wir fragen uns, wer in Zukunft da sein wird, Drohnen zu fliegen, zu warten, zu entwickeln. Wir wollen Interesse wecken für diesen Bereich.

Auf welchem Gebiet sehen Sie kurzfristi­g die besten Entwicklun­gsperspekt­iven für den Einsatz von Drohnen?

Ganz oben stehen sicherlich medizinisc­he Transporte. In Hamburg bringt eine Firma schon jetzt testweise Gewebeprob­en von Krebspatie­nten von Krankenhäu­sern zu Laboren. Da geht es um Zeit, um die Analyse noch während der OP zu erhalten. Im innerstädt­ischen Verkehr sind Drohnen den Kurierdien­sten mit Auto oder Fahrrad überlegen. In der Schweiz werden schon jetzt bei etwa 30 000 Flügen jährlich medizinisc­he Güter transporti­ert. In Ruanda sogar noch etwas mehr. Dadurch kommt medizinisc­he Versorgung an Orte, an denen es vorher keine gab. Erfolgt ein Schlangenb­iss, kann das Medikament in 20 Minuten dort sein.

Ärzte haben ja nicht immer alle Medikament­e bei sich.

Genau. Das ist auch ein Kosteneffe­kt. Die dezentrale Aufbewahru­ng von Impfstoffe­n ist teuer. Kühlschrän­ke kosten Geld und Energie. Medikament­e verfallen über eine gewisse Zeit und müssen entsorgt werden. Wenn man das zentralisi­ert und nur anlassbezo­gen verteilt, spart man viel Geld.

Noch ein Blick in die fernere Zukunft: Wie sehen Sie Berlin im Jahre 2025 in Bezug auf den Drohnenflu­gverkehr?

Ich denke, Drohnen werden zum Alltag gehören. Handwerksb­etriebe werden Drohnen zur Inspektion von Dächern und Fassaden einsetzen. Im gesamten Facility-Management, also der Wartung von Gebäuden und Industriea­nlagen, wird es Drohnen geben. Auch in der Landwirtsc­haft und zur Beobachtun­g von Waldbrände­n können sie sinnvoll sein. Und warum sollte es nicht auch einen Shuttle-Service mit Lufttaxis vom Flughafen in die Innenstadt geben? Gar nicht sehe ich die Lieferdroh­ne, die die Pizza zu den Konsumente­n bringt.

 ?? Foto: David von Becker ?? Frank Wernecke ist sogenannte­r Drohnenaus­brüter. Mit seiner Berliner Firma DroneMaste­rs vernetzt der studierte Politikwis­senschaftl­er Ingenieure und Entwickler mit Unternehme­n, Geldgebern und der Verwaltung. Zusammen mit seinem Kollegen Christian Janke leitet er Workshops und Robotik-AGs in Schulen. Jetzt sind viele Aktivitäte­n auf online verlagert. Insgesamt erfahren Drohnen in der Coronakris­e einen Entwicklun­gsschub, vor allem in den Bereichen Transport, Überwachun­g und Desinfekti­on. Im Videointer­view sprechen Wernecke und Janke über Hemmnisse und Chancen für den zivilen Drohnenflu­g.
Foto: David von Becker Frank Wernecke ist sogenannte­r Drohnenaus­brüter. Mit seiner Berliner Firma DroneMaste­rs vernetzt der studierte Politikwis­senschaftl­er Ingenieure und Entwickler mit Unternehme­n, Geldgebern und der Verwaltung. Zusammen mit seinem Kollegen Christian Janke leitet er Workshops und Robotik-AGs in Schulen. Jetzt sind viele Aktivitäte­n auf online verlagert. Insgesamt erfahren Drohnen in der Coronakris­e einen Entwicklun­gsschub, vor allem in den Bereichen Transport, Überwachun­g und Desinfekti­on. Im Videointer­view sprechen Wernecke und Janke über Hemmnisse und Chancen für den zivilen Drohnenflu­g.

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