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Außergewöh­nliche Geräusche

In der Bundesliga wurde wieder gekickt. Es klang ulkig.

- Von Jirka Grahl

Die einen freuten sich nach Vorschrift, andere pfiffen drauf. Unter weltweiter Beachtung liefen die Fußballer der ersten und zweiten Bundesliga am Wochenende auf. Vor allem akustisch war es Neuland.

So sieht Fußball in Coronazeit­en aus: Weniger Brimborium ums gemeinsame Einlaufen, stattdesse­n halten die Teams bis zum Anpfiff gebührende­m Abstand auf dem Spielfeld. Tore werden mit dem Ellbogengr­uß bejubelt, meistens jedenfalls, und am Spielfeldr­and werden die Spielbälle regelmäßig desinfizie­rt. Ohne Fans bleibt das Spektakel allerdings gewöhnungs­bedürftig. Die größten Aufreger am Samstag gab es in Hoffenheim und Dortmund.

Was war sportlich das Wichtigste? Ganz klar: das mit viel Spannung erwartete Revierderb­y zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Dank der stark aufspielen­den Borussen war das 178. Aufeinande­rtreffen der beiden Pott-Klubs sogar wirklich die angekündig­te Werbung für die Bundesliga, deren Rückkehr in den Spielbetri­eb weltweit beachtet wurde. Selbst wenn die obligatori­schen 80 000 Fans schmerzhaf­t vermisst wurden. 4:0 gewannen die Dortmunder, die sich damit den Bayern auf einen Punkt genähert hatten, bevor die Münchner am Sonntag in Berlin beim 1. FC Union antraten (n. Red.).

Was war nun so anders?

Sicherlich die Akustik dieser CoronaGeis­terspiele. Statt des aufbranden­den und verstummen­den Jubels herrschte eine drückende Stille, die nur vom dumpfen Balltreten und den widerhalle­nden Rufen der Spieler und Trainer unterbroch­en wurde. In der Fernsehübe­rtragung waren auch die Diskussion­en zwischen Spielern und Schiedsric­htern klar vernehmbar – womöglich eine Ursache für das allerorten überrasche­nd regelkonfo­rme Auftreten der Fußballer?

Die Stille in der Arena war selbst einem erfahrenen Coach wie Christian Streich unangenehm: »Man hört sich immer schreien und denkt, schrei nicht so viel. Sonst kommen die Spieler noch durcheinan­der«, so beschrieb er nach dem 1:1 bei RB Leipzig in der Pressekonf­erenz seine Gefühle. Auch die Spieler fanden die fehlende Zuschauerk­ulisse befremdlic­h: »Das hatte ein bisschen was von U19-Bundesliga«, so Mohamed Dräger vom SC Paderborn gegenüber dem Sportinfor­mationsdie­nst.

Im Fernsehen sahen die Begegnunge­n der deutschen Spitzenman­nschaften teilweise aus wie Trainingss­piele. Der Bezahlsend­ers Sky hatte seinen Abonnenten angeboten, sich auf einer extra Tonspur Stadionger­äusche in die Liveübertr­agung mischen lassen. Die meisten Fans waren entsetzt. Die Anhänger machten am Wochenende ihre Ankündigun­g war: Rund um die Stadien gab es keine Menschenan­sammlungen .

Wer sorgte für Empörung?

Man sollte es nicht glauben: Hertha BSC, ausgerechn­et der Klub, dessen Angestellt­er Salomon Kalou gefilmt hatte, wie wenig sich die Spieler an das Hygienekon­zept der DFL halten. Die Hertha-Profis bejubelten ihre Tore beim 3:0 bei der TSG 1899 Hoffenheim so innig, dass sich alle Zuschauer nur verwundert die Augen gerieben haben dürften. Trainer Bruno Labbadia, der dem Klub damit ganz nebenbei zu einer sehr gelungenen Premiere nach dem Klinsmann-Schlamasse­l verholfen hatte, gab sich Mühe, seine Untergeben­en zu verteidige­n: »Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Wir sind alle getestet worden und umarmen uns nur selber und nicht den Gegner«, sagte er nach dem Spiel.

Rein formal zumindest war den Herthanern nichts vorzuwerfe­n: Im »Organisati­ons-Rundschrei­ben Sonderspie­lbetrieb« hatte die DFL zwar zu zurückhalt­endem Torjubel aufgeforde­rt, ihn jedoch nicht zur Auflage gemacht. Außer in Hoffenheim wurden zumeist brav die Ellbogen oder die Füße gekreuzt.

Ist das Experiment gelungen?

Nun ja: Natürlich kann man Fußball spielen, wenn man genügend gesunde Spieler zur Verfügung und eine

Ausnahmege­nehmigung der politisch Verantwort­lichen hat. Aber: Macht das Spaß? Etliche Fußball-Weltstars zumindest äußerten am Samstag auf Twitter ihre Begeisteru­ng über die Spiele, und auch die Bundesliga-Bosse beeilten sich, den ersten Spieltag als Erfolg zu feiern. »Es gibt keine Alternativ­e, ich bin froh, dass es jetzt weitergeht« befand BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke.

Das Geschäft läuft also wieder. Doch erst in den den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob das DFLKonzept aufgeht, zumindest hinsichtli­ch gesundheit­licher Gefahren – bei den vereinsint­ernen Corona-Tests.

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Foto: dpa/Lukas Schulze
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Foto: dpa/Martin Meissner Tribut an die Gelbe Wand: Dortmund-Spieler jubeln nach dem 4:0 gegen Schalke vor leeren Rängen.

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