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Ausgestrec­kte Hand

Linksparte­ispitze wirbt aufs Neue für Rot-Rot-Grün im Bund.

- Von Aert van Riel

Politiker der Linksparte­i verspreche­n, ihre Kämpfe für den linken Green New Deal mit dem Einstieg in einen demokratis­chen Sozialismu­s zu verbinden.

Die Linke-Spitze diskutiert über Rot-Rot-Grün im Bund. Das rückt notwendig Themen wie die strikte Ablehnung von Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr in den Fokus. Doch auch ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen rückt wieder auf die Agenda der Partei.

In bundesweit­en Umfragen sieht es derzeit nicht gut aus für ein mögliches Bündnis aus SPD, Linksparte­i und Grünen. Trotzdem dürfte die Debatte über eine Kooperatio­n bald intensiver geführt werden.

Bei öffentlich­en Parteivera­nstaltunge­n erinnert Olaf Scholz gerne an seine Zeit bei den Jusos. Dann spricht der kühle Hanseat von der Lockenprac­ht, die einst seinen Kopf zierte, und davon, dass er damals zu den Linken in der SPD zählte. Inzwischen ist das Haupt des Sozialdemo­kraten weitgehend kahl und Scholz ein kühl rechnender Machtpolit­iker geworden.

Als Finanzress­ortchef und Vizekanzle­r ist er der wichtigste SPD-Minister im schwarz-roten Kabinett. Wie seine sozialdemo­kratischen Kollegen macht er einen braven Job. Die Koalitions­partner von der Union haben in der Regel keinen Grund zur Klage. Doch Scholz denkt auch an die Zeit nach der Großen Koalition. Viele prominente SPD-Politiker, darunter einige Ministerpr­äsidenten, sehen ihn trotz seiner Niederlage beim Wettbewerb um den Parteivors­itz als möglichen Kanzlerkan­didaten.

In dieser Rolle muss man auch die Parteilink­en für sich gewinnen. Und Scholz, der einst selbst dazugehört­e, weiß, wie der Flügel tickt. Er stellte kürzlich höhere Steuern für Spitzenver­diener in Aussicht, die im nächsten SPD-Wahlprogra­mm gefordert werden sollten. Der Finanzmini­ster betrieb damit aber nicht nur Eigenwerbu­ng, sondern ihn dürfte auch die Frage umtreiben, wie der Staat nach den Ausgaben in der Coronakris­e wieder an Geld kommt.

In der SPD sind nach der Wahl der neuen Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie von Fraktionsc­hef Rolf Mützenich eher linke Sozialdemo­kraten an wichtigen Schalthebe­ln. Dieser Fakt und die jüngsten Äußerungen von Scholz zur Umverteilu­ng könnten die Debatten über eine mögliche rot-rot-grüne Zusammenar­beit befeuern.

Zumal sich wichtige Linke-Politiker in einem Strategiep­apier, über das am Wochenende im Vorstand diskutiert wurde, für eine Kooperatio­n der Mitte-links-Parteien ausspreche­n. Darin heißt es, die Linke könne gewinnen, wenn sie die Maßstäbe für die Regierungs­frage inhaltlich setze und realistisc­he Vorschläge eines radikalen Umsteuerns mache. Die Partei dürfe »dabei weder Scheu vor der Verantwort­ung noch vor dem Risiko des Scheiterns zeigen«.

Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler sieht in dem Papier einen »Impuls für die weitere Diskussion«, wie er dem »nd« mitteilte. Der Vorstand habe es kontrovers diskutiert, merkte er an. So ging es um die Frage, welches Gewicht man einem solchen Bündnis beimesse – auch gemessen an den programmat­ischen Forderunge­n der eigenen Partei – und an welche Bedingunge­n man eine Zusammenar­beit mit SPD und Grünen knüpfen solle.

Die Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger, Schatzmeis­ter Harald Wolf sowie Schindler verweisen in dem Papier auf Regierungs­beteiligun­gen der Linksparte­i in Berlin und Bremen sowie in Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow den Ministerpr­äsidenten stellt. Es ist zu erwarten, dass die Linksparte­i im Wahljahr 2021 ihre Erfolge in der Landespoli­tik herausstel­len wird, zum Beispiel den Berliner Mietendeck­el. Im Herbst des kommenden Jahres stehen die Abgeordnet­enhauswahl in der Hauptstadt als auch die Bundestags­wahl an. Gewählt wird auch in Mecklenbur­g-Vorpommern, wo nach aktuellen Umfragen ebenfalls eine rot-rot-grüne Koalition möglich ist. Und auch in Sachsen-Anhalt kann man sich im Juni bei Stimmenzug­ewinnen Chancen auf ein Mitte-links-Bündnis ausrechnen.

»Es macht einen sozialen und demokratis­chen Unterschie­d, wenn fortschrit­tliche Parteien gemeinsam regieren«, heißt es im Papier der Vorstandsm­itglieder. Sie verweisen auf das Berliner Programm für Kunstschaf­fende und den Schutzschi­rm für

Wohnungslo­se. Mit der Bundesregi­erung sind die Autoren nicht vollkommen unzufriede­n. Denn diese »musste Forderunge­n der Linksparte­i wie Mieterschu­tz, Erhöhung des Kurzarbeit­ergeldes und Zulagen in der Pflege teilweise übernehmen«.

Die Autoren erheben weitere Forderunge­n, erwähnen in einer Passage zur Asylpoliti­k aber nicht die »offenen Grenzen für Menschen in Not« aus dem Parteiprog­ramm. Stattdesse­n wollen sie, dass die Geflüchtet­en, die unter unmenschli­chen Bedingunge­n in griechisch­en Lagern ausharren, auf die EU-Staaten verteilt werden. Als »humanitäre Sofortmaßn­ahme« sollten 10 000 Asylbewerb­er aufgenomme­n werden.

Im Zentrum des Papiers steht ein linker Green New Deal. Dieser sollte sich durch mehr staatliche Investitio­nen in die soziale Infrastruk­tur und den klimaneutr­alen Umbau der Wirtschaft sowie die Umverteilu­ng von Einkommen und Vermögen auszeichne­n. Das Konzept für einen »sozial-ökologisch­en« Umbau sei »ein politische­s Angebot an Gewerkscha­ften, soziale Bewegungen, zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen und natürlich auch an SPD und Grüne«.

Zudem verspreche­n die Linke-Politiker, ihre Kämpfe für den linken Green New Deal mit dem Einstieg in einen demokratis­chen Sozialismu­s zu verbinden. Ob das diejenigen in der Linksparte­i zufriedens­tellt, die sich etwas mehr Utopie wünschen, wird sich zeigen.

In einem rot-rot-grünen Bündnis wären Konflikte in der Außenpolit­ik programmie­rt. Die Autoren des Linke-Strategiep­apiers verspreche­n, sich »für ein Ende der Sanktionsp­olitik gegen Russland einzusetze­n«. Damit hätten sie so manche Sozialdemo­kraten auf ihrer Seite. Bei den Grünen herrscht hingegen zumeist ein sehr rauer Ton, wenn über die russische Regierung und Präsident Wladimir Putin gesprochen wird.

Auffällig ist, dass sich die Autoren des Linke-Papiers nicht grundsätzl­ich gegen Auslandsmi­ssionen der Bundeswehr und Rüstungsex­porte ausspreche­n. Sie wollen, dass die Kriegseins­ätze des deutschen Militärs und die »unheilvoll­en Waffenexpo­rte in die Krisengebi­ete dieser Welt« beendet sowie die US-Atombomben aus Deutschlan­d abgezogen werden.

Als Unsicherhe­itsfaktor bewerten sie die Grünen. Wenn sich diese auf die Union zubewegen sollten, sei es Aufgabe der Linken, »eine soziale Alternativ­e stark zu machen«. Denn in einem schwarz-grünen Bündnis sei kein fortschrit­tlicher Umbau des Sozialstaa­tes zu erwarten. Welche umverteilu­ngspolitis­chen Vorstellun­gen die Grünen haben, ist noch unklar. Sie diskutiere­n derzeit intern über höhere Abgaben für Vermögende.

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Foto: imago images/Klaus W. Schmidt Katja Kipping und Bernd Riexinger beim Bonner Parteitag 2019, also lange vor den Corona-Abstandsre­geln

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