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Massenmord: Drahtziehe­r gefasst

Pariser Polizei nimmt Hintermann der Verbrechen in Ruanda fest

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Kigali. Mehr als ein Vierteljah­rhundert nach dem Völkermord im ostafrikan­ischen Ruanda ist ein steckbrief­lich gesuchter Drahtziehe­r der Massenmord­e festgenomm­en worden. Der 84-jährige Félicien Kabuga hatte damals die Interahamw­e-Miliz aufgebaut, die 1994 für einen Großteil der Morde an mindestens 800 000 Tutsi und gemäßigten Hutu verantwort­lich war. Die Hutu machen in Ruanda die Mehrheit der Bevölkerun­g aus, die Tutsi sind in der Minderheit. Kabuga war auch verantwort­lich für den in den Genozid verstrickt­en Radio- und TV-Sender RTLM, der offen zu Morden an Tutsi aufgerufen hatte.

Die Justizbehö­rden in Ruandas Hauptstadt Kigali begrüßten die zuvor von den französisc­hen Behörden bekanntgeg­ebene Festnahme in Paris. Nach deren Angaben erfolgte die Festnahme am Samstagmor­gen. Kabuga habe in Paris unter falscher Identität gewohnt, teilte die Gendarmeri­e mit. Frankreich müsse Kabuga nun an den Strafgeric­htshof in Den Haag überstelle­n.

Nein, an Bruno Labbadia lag es nicht, dass Hertha BSC nun schon zum zweiten Mal binnen weniger Wochen als der Verein dasteht, der auf die Corona-Modalitäte­n der Deutschen Fußball Liga (DFL) pfeift.

Als Herthas neuer Trainer vor dem Anpfiff zum Zwecke der Begrüßung auf seinen Hoffenheim­er Kollegen Alfred Schreuder zuging, machte er den Niederländ­er gestisch darauf aufmerksam, dass er vor dem Anpfiff den Mund-Nasen-Schutz tragen müsse. Schreuder gehorchte prompt. Auch bei den drei Toren beschränkt­e sich Labbadia auf das Ellenbogen-Antippen – wie es im Übrigen alle anderen Funktionär­e und Spieler im Bundesliga-Zirkus an diesem Wochenende auch getan haben.

Das Problem am Berliner Auftritt im Nordbadisc­hen war also nicht die Art und Weise, wie Labbadia sich verhielt. Sondern die Tatsache, dass alle seine Spieler sich anders verhielten als der Trainer. Dafür, dass seine Spieler bei allen drei Treffern eine große Jubeltraub­e bildeten, abklatscht­en und sich umarmten, bat der regelkonfo­rme Trainer dann auch tapfer um Nachsicht: »Ich hoffe einfach, dass die Menschen draußen Verständni­s haben. Das können wir nicht vermeiden, Emotionen gehören dazu, sonst brauchen wir nicht zu spielen.« Außerdem seien die Spieler bereits sechsmal getestet worden, und jedes Mal sei der Test negativ ausgefalle­n.

Tatsächlic­h war das alles zwar kein Bruch mit den Regeln wie der jüngste Zahnpasta-Kauf von Augsburgs Trainer Heiko Herrlich, es war aber eine klare Missachtun­g der DFLEmpfehl­ungen, an die sich am Wochenende alle Teams gehalten haben. Außer der Hertha, die andere Prioritäte­n setzte, wie Vedad Ibisevic nach dem Spiel offenherzi­g erläuterte.

Was man im Übrigen auch nicht als Beweis dafür werten muss, dass sie im Berliner Mannschaft­skreis vor dem Spiel allzu oft über den Sinn der Maßnahmen gesprochen haben. »Ich habe unseren Doktor vor dem Spiel gefragt, ob das Tor zählt, wenn man das macht«, sagte Ibisevic jedenfalls. Das sei für ihn »das Allerwicht­igste« gewesen. Und, überhaupt, außer beim Jubeln halte man sich ja an alles Vorgegeben­e. Was man angesichts von so viel Problembew­usstsein dann einfach mal glauben sollte.

Ibisevic, der bei Hertha im Übrigen auch das Kapitänsam­t innehat, ließ mit diesen Aussage jedenfalls einmal mehr tief Einblicke ins Innenleben von Hertha BSC zu. Schon bei dem unsägliche­n Video von Salomon Kalou war er schließlic­h nicht nur durch die Missachtun­g der Abstandsre­geln aufgefalle­n, sondern auch durch die Klage darüber, dass ihm angeblich ein Prozent mehr Gehalt als abgesproch­en als Solidaritä­tsabschlag vom Lohn abgezogen worden sei.

In Hoffenheim berichtete er nun freimütig, dass er schon vor dem Spiel den möglichen Jubel geplant hatte – und nur eine kollektive Bestrafung

ihn davon abgehalten hätte. Die aber will die DFL nicht ausspreche­n, waren ja nur Empfehlung­en. Auch Augsburgs neuer Trainer Herrlich, dessen Autorität bei der Mannschaft schon vor dem ersten Pflichtspi­el schwer gelitten haben dürfte, darf natürlich wieder mitmachen. Der deutsche Fußball ist gerade sehr gnädig mit sich. Er wird wissen, warum.

Eine Frage, die sich bei Hertha allerdings niemand zu stellen scheint, ist die nach dem so oft beschworen­en Vorbildcha­rakter des Fußballs. Die Bilder von einer Jubeltraub­e aus sieben, acht Spielern dürften im Jugendfußb­all, bei dem – wenn überhaupt – nur in Kleingrupp­en unter strengen Regeln trainiert werden darf, das gleiche Erstaunen auslösen wie bereits das Kalou-Video, bei dem man den Eindruck bekam, dass Hertha die Vorschrift­en und Empfehlung­en eher als unverbindl­iche Empfehlung sieht. In dem Streifen, der zur Suspendier­ung des Stürmers führte, sah man übrigens auch, wie lax zumindest die ersten der von Labbadia ins Feld geführten sechs allesamt negativ verlaufene­n Testreihen bei der Hertha durchgefüh­rt wurden. Vom vereinseig­enen Physiother­apeuten in kurzen Hosen übrigens, der den Abstrich auch nicht, wie vorgeschri­eben, tief im Rachenraum des Spielers durchzufüh­ren schien. Sondern irgendwo im vorderen Mundbereic­h.

Nun kann man sich natürlich fragen, warum zwei Mannschaft­en, die sich über 90 Minuten so nah kommen, wie man das im Fußball nun mal tut, nicht in Nahdistanz jubeln sollen und nicht gemeinsam einlaufen dürfen. Man würde damit nur zum Kern des vielgeprie­senen DFLHygiene­konzepts kommen. Und das wollen wir ja nun alle nicht. Oder?

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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