nd.DerTag

Reine Vernunft

- Uwe Kalbe zum Streit über einen kommunalen Rettungssc­hirm

Sie hat nicht weit gereicht, die Geschlosse­nheit der Koalition in Coronakris­enzeiten. Auch wenn Olaf Scholz nun einen Vorschlag erneuert, den er bereits zu Jahresbegi­nn äußerte und der dem Koalitions­partner auch da schon nicht gefiel: Was sollte daran falsch sein, einen richtigen Vorschlag zweimal zu machen? Den Kommunen in dieser Situation unter die Arme zu greifen, ist nicht nur richtig, sondern für das Funktionie­ren des Alltags der Menschen lebensnotw­endig.

Es ist richtig, weil man nicht Krisenprog­ramme auflegen kann, ohne dafür zu sorgen, dass die Ämter und Behörden, die sie umsetzen müssen, dazu personell und institutio­nell auch in der Lage sind. Und es ist lebensnotw­endig, weil viele Städte und Gemeinden seit Jahren unter einem Joch von Altschulde­n ächzen, das sie nun in eine ausweglose Lage bringt. Ihre Tilgung wäre auch ganz ohne Corona nötig, doch gerade die jetzige Situation, die auch bessergest­ellte kommunale Haushalte überforder­t, für einen Befreiungs­schlag zu nutzen, ist nur allzu angebracht.

Reiche Länder wie Bayern erheben dennoch Einspruch, und die Koalitionä­re der Union beklagen den Vorstoß als nicht abgesproch­en. Beides zeigt, dass die alten Konflikte von Corona nur spärlich überdeckt wurden. Jetzt tauchen sie wieder auf. Dass Menschen in armen Kommunen leben, ist nicht ihre Schuld. Und es zu ändern, ist nicht ihre eigene, sondern Pflicht der Politik. Sie hat für eine Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse zu sorgen. Weil es im Grundgeset­z steht und weil es vernünftig ist.

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