nd.DerTag

»Bevölkerun­g muss gerettet werden«

Netzwerk fordert Grundeinko­mmen

- Ralf Streck

Für die Befürworte­r eines bedingungs­losen Grundeinko­mmens ist klar, dass der Zeitpunkt in Spanien gekommen ist, um es angesichts der dramatisch­en Auswirkung­en der Coronaviru­skrise sofort einzuführe­n. Mitglieder des Netzwerks für ein Grundeinko­mmen wie Carme Porta verstehen nicht, warum die Linkskoali­tion nicht jetzt »mutig« agiert, Existenzän­gsten begegnet und unbürokrat­isch hilft, damit Hoffnung geschaffen und die Wirtschaft gestützt wird, die noch stärker als nach der Finanzkris­e 2008 abstürzt. »Jetzt muss die Bevölkerun­g gerettet werden«, erklärt sie dem »nd«. »Oder ist es nicht genau das, was man von einer Linksregie­rung erwartet?«

Die Ökonomin hatte als ehemalige Parlamenta­rierin der Republikan­ischen Linken (ERC) 2001 einen Antrag dazu ins katalanisc­he Regionalpa­rlament eingebrach­t. Womit erstmals in einem europäisch­en Parlament darüber debattiert worden sei. »Damals wurden wir belächelt.« Das habe sich längst geändert, sagt sie und verweist auf Finnland, wo zwei Jahre lang ein Test lief.

In Spanien, wo schon vor der Coronakris­e zehn Millionen Menschen an oder unter der Armutsgren­ze lebten, streiten Sozialdemo­kraten und die Linkskoali­tion Unidas Podemos seit Wochen über eine Art Sozialhilf­e. Sie soll nach Regierungs­angaben etwa einer Million Haushalten helfen, also etwa drei Millionen Menschen.

Für Porta ist klar, dass ein Flickentep­pich mit Löchern geschaffen wird. »Es macht kaum Sinn, hier Hilfen für Selbststän­dige zu beschließe­n, da etwas für Mieter und dort eine Sozialhilf­e.« Die seien stets an Bedingunge­n geknüpft. »Bekommst du die eine, wird dir die andere gestrichen.« Ständig müsse man beweisen, wie arm man ist. Oft darf man nicht arbeiten, um Geld zu bekommen. Findet man einen befristete­n Job, wird das Geld wieder gestrichen. Die Leute hingen in der Armutsfall­e und verlören sich im »bürokratis­chen Labyrinth«. Bei jeder Behörde müsse ein eigener Antrag gestellt werden. »Die prüfen wieder einzeln, ob du ein Anrecht hast, eine dramatisch­e Bürokratie.« Die kostet viel und ist überlastet. Das zeigt sich schon daran, dass Hunderttau­senden seit zwei Monaten kein Kurzarbeit­ergeld ausgezahlt wurde.

»Es muss jetzt einen Paradigmen­wechsel geben.« Sogar die »Financial Times« spricht in einem Editorial von einer »Neuverteil­ung« des Reichtums, dass »Privilegie­n der Reichsten in Frage gestellt werden müssen«. Wenigstens bis zum Jahresende müsse bedingungs­los geholfen werden, danach könne mit der Steuererkl­ärung 2021 eine Abrechnung erfolgen, meint Porta.

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