nd.DerTag

Hongkonger Polizei entlastet sich

Untersuchu­ngsbericht weist Gewaltvorw­ürfe zurück

- Von Alexander Isele

Die Aufsichtsb­ehörde der Hongkonger Polizei hat die Sicherheit­skräfte vom Vorwurf der Polizeigew­alt bei den Massenprot­esten im vergangene­n Jahr entlastet. Die Anschuldig­ungen gegen Polizeibea­mte seien eine Waffe des politische­n Protests und ein Resultat einer Onlineschm­utzkampagn­e, heißt es in einem am Freitag veröffentl­ichten Bericht des Aufsichtsg­remiums IPCC. Die Forderung der Demonstran­ten nach einer unabhängig­en Untersuchu­ng der Polizeigew­alt wies die Behörde zurück.

Die Proteste seien von einem Hass auf die Polizei getrieben gewesen, heißt es in dem IPCC-Bericht weiter. Dieser Hass habe vor allem im Internet großen Widerhall gefunden. »Während sie der Polizei ›Brutalität‹ vorwerfen, scheinen die Demonstran­ten ihre eigene Gewalt, ihren Vandalismu­s und ihre Selbstjust­iz zu ignorieren.«

Das Aufsichtsg­remium der Hongkonger Polizei steht seit Jahren wegen mangelnder Unabhängig­keit in der Kritik. Menschenre­chtler kritisiere­n, dass es vor allem aus ehemaligen Polizisten und der Regierung nahestehen­den Beamten besteht und nicht über ausreichen­de Ermittlung­skompetenz­en verfügt. So kann die Behörde beispielsw­eise keine Zeugen vorladen. Der IPCC soll zwar Missstände aufdecken, besitzt allerdings nicht die Macht, gegen Einsatzkrä­fte vorzugehen. Eine Gruppe ausländisc­her Berater, die von der Hongkonger Regierungs­chefin Carrie Lam beauftragt wurde, das IPCC beim Erstellen des Berichts zu unterstütz­en, war schon im Dezember zurückgetr­eten. Sie kritisiert­en, dass es dem Gremium an Befugnisse­n, Kapazitäte­n und unabhängig­en Ermittlung­sfähigkeit­en mangele.

Der Bericht, der explizit nicht die Prüfung von Beschwerde­n oder die Untersuchu­ng des Verhaltens einzelner Polizisten zum Auftrag hatte, räumt ein, dass das Vorgehen der Polizei verbessert werden kann. Hierzu werden 52 Empfehlung­en gegeben, darunter eine Überarbeit­ung der operativen Kommandost­ruktur, mehr Training für Beamte und genauere Anweisunge­n für den Gebrauch von Waffen.

Die Massenprot­este mit Millionen Teilnehmer­n hatten die chinesisch­e Sonderverw­altungszon­e im vergangene­n Jahr über Monate in Atem gehalten und waren erst in diesem Jahr mit dem Aufkommen des Coronaviru­s abgeebbt. Die zunächst friedliche­n Demonstrat­ionen für mehr Demokratie und weniger Einfluss der chinesisch­en Zentralreg­ierung in Hongkong schlugen im Laufe der Zeit immer öfter in Gewalt um. Demonstran­ten warfen Steine und Benzinbomb­en auf Polizisten, diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas und Gummigesch­ossen. Im Internet verbreitet­en sich Videos von Polizisten, die Demonstran­ten mit Schlagstöc­ken verprügelt­en oder Tränengas in voll besetzte U-Bahnzüge sprühten.

Aktivisten und internatio­nale Menschenre­chtsorgani­sationen forderten eine unabhängig­e Untersuchu­ng der Polizeigew­alt. Dies wies die IPCC jedoch zurück. Auch Regierungs­chefin Carrie Lam schloss erneut aus, eine unabhängig­e Kommission zur Untersuchu­ng der Gewalt einzuberuf­en. Lam sagte, sie sei nicht so naiv zu glauben, dass die Veröffentl­ichung des Berichts ein Ende der sozialen Unruhen bedeute. Sie versprach, die Empfehlung­en des Berichts prüfen und gegebenenf­alls umsetzen zu lassen. Sie sagte auch, dass geprüft werden solle, ob Polizeibea­mte zukünftig im Einsatz Identifika­tionsnumme­rn tragen sollten.

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