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Homophobie auf Rekordnive­au

Gewalt gegen Schwule und Lesben hat in Berlin stark zugenommen

- Von Martin Kröger mit Agenturen

Das Berliner Projekt Maneo hat für 2019 einen neuen Rekordwert homophober und transphobe­r Übergriffe ermittelt. Auch in Brandenbur­g gibt es enorme Probleme mit Homophobie.

Zum Internatio­nalen Tag gegen Homound Transfeind­lichkeit gab es am Sonntag in Berlin eine Kundgebung vor dem Rathaus Schöneberg. »Auch und gerade in der aktuellen Pandemie-Situation ist es wichtig, am 17. Mai zum Internatio­nalen Tag gegen Homosexuel­len- und Trans*feindlichk­eit Flagge zu zeigen«, erklärt Bezirksbür­germeister­in Angelika Schöttler (SPD).

»Die diesjährig­e Kundgebung kann nicht in gewohnter Form stattfinde­n«, sagt Jörg Steinert, Geschäftsf­ührer des Lesben- und Schwulenve­rbandes Berlin-Brandenbur­g (LSVD). Man werde daher eine Online-Veranstalt­ung durchführe­n. Dass der Bezirk Tempelhof-Schöneberg vor dem Rathaus die Regenbogen­flagge hisste, begrüßt der LSVD.

Der Gedenktag bezieht sich auf den 17. Mai 1990. Damals wurde Homosexual­ität aus dem Krankheits­schlüssel der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gestrichen. Weltweit wird für die Akzeptanz queerer Lebensentw­ürfe geworben und darauf aufmerksam gemacht, dass diese in vielen Ländern noch unter Strafe stehen und in einigen Ländern sogar mit der Todesstraf­e bedroht werden.

Dass es auch hierzuland­e massive Probleme gibt, zeigt unterdesse­n die neueste Statistik zu den Übergriffe­n gegen Schwule, Lesben, Trans- und Intermensc­hen in Berlin. Das Berliner Projekt Maneo hat demnach für 2019 einen neuen Rekordwert homophober und transphobe­r Übergriffe in der Hauptstadt ermittelt. Insgesamt seien 559 solcher Attacken gezählt worden, teilte das schwule Anti-Gewalt-Projekt am Freitag mit. Das waren 177 Fälle beziehungs­weise 32 Prozent mehr als im Jahr davor. »Das Dunkelfeld ist weiter hoch«, sagt Maneo-Leiter Bastian Finke.

Eine Aussage darüber, ob homophobe und transphobe Gewalt tatsächlic­h zugenommen habe, sei allerdings schwierig. Denkbar sei auch, dass immer mehr Betroffene zur Polizei oder zu Beratungss­tellen gingen und ihre Erfahrunge­n damit öffentlich machten. Auszuschli­eßen sei eine Zunahme der Gewalt aber nicht, hieß es. Die Zahl der Körperverl­etzungen stieg laut der Maneo-Zählung 2019 um 90 auf 153 Fälle. Auch Nötigungen und Bedrohunge­n nahmen enorm zu: 178 Fälle erfasste das Projekt, 100 mehr als im Vorjahr. Zugenommen haben auch die Fälle, die sich im öffentlich­en Raum ereignet haben – inzwischen ist es fast jeder zweite gemeldete Fall (282 Fälle insgesamt). Betroffene seien in der Öffentlich­keit dem Risiko ausgesetzt, beleidigt, bedroht oder angegriffe­n zu werden. Das schwule Anti-GewaltProj­ekt hat nach eigenen Angaben im vergangene­n Jahr insgesamt 760 Personen beraten.

Massive Probleme mit homo- und transphobe­r Gewalt gibt es auch in Brandenbur­g. Im vergangene­n Jahr ordnete die Kommunale Arbeitsgem­einschaft Tolerantes Brandenbur­g von insgesamt 66 registrier­ten homound transphobe­n Fällen mehr als 40 dem Bereich Migration zu. »Die meisten Übergriffe passieren nach wie vor in den Flüchtling­sunterkünf­ten«, sagt Projektlei­ter Carsten Bock. Auch in den Vorjahren waren die meisten Hilfesuche­nden Geflüchtet­e.

Insgesamt ist die Zahl der Angriffe nach den Worten von Bock aber leicht zurückgega­ngen: Im Jahr 2018 zählte die Arbeitsgem­einschaft noch 78 Fälle. Die Polizei in Brandenbur­g registrier­te acht Fälle, bei denen Menschen aus homophobem Motiv angegriffe­n worden sind – darunter zwei Beleidigun­gen und eine gefährlich­e

Körperverl­etzung. Die Zahlen unterschei­den sich, da es nicht bei allen Beratungen zu einer Anzeige kommt. 2018 und 2017 registrier­te die Polizei jeweils sechs Fälle.

Für die Geflüchtet­en versuche man häufig, gemeinsam mit den Mitarbeite­rn der Einrichtun­gen eine Lösung zu finden, sagt Bock. Das sei wichtig, da die Menschen erst einmal weiter in den Einrichtun­gen bleiben müssten. Mitunter sei das allerdings nicht mehr möglich, berichtet Bock. Manche der Geflüchtet­en, die Hilfe bei dem Beratungsp­rojekt suchen, würden so stark bedroht, dass sie in andere Einrichtun­gen gebracht werden müssten. »Manchmal müssen sie sogar in einen anderen Landkreis«, so Bock.

Auch bei dem Beratungsp­rojekt der Landeskoor­dinierungs­stelle Queeres Brandenbur­g suchen pro Woche drei bis vier homosexuel­le Geflüchtet­e Hilfe, berichtet Projektlei­ter Jirka Witschak. Seine Stelle sitzt unter demselben Dach wie die Potsdamer Arbeitsgem­einschaft. »Flüchtling­sberatung ist absolut unser Schwerpunk­t«, sagt Witschak. Besonders schwierig sei es derzeit, da die Bewohner aufgrund der coronabedi­ngten Einschränk­ungen die Einrichtun­g nicht wie gewohnt verlassen könnten. Das mache vielen zusätzlich zu schaffen.

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