Vollendung der Warenhaus-Fusion?
Schließungspläne von Karstadt Kaufhof stoßen auf Kritik von Gewerkschaft und Städten
Fast die Hälfte seiner Standorte und Tausende Stellen will Karstadt Kaufhof im laufenden Insolvenzverfahren schließen. Bislang ist das aber nur Wunsch der Sanierer. »Es darf hier nicht zu einem Kahlschlag kommen.« Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, war einer der ersten, die sich nach Bekanntwerden der Pläne zur Schließung vieler Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof zu Wort meldeten. Noch immer seien diese traditionsreichen Kaufhäuser »wichtige Arbeitgeber und Versorgungszentren vor Ort«.
Es geht um mehr als mögliche Rückgänge bei den Gewerbesteuereinnahmen und steigende Arbeitslosigkeit. Seit vielen Jahren versuchen Kommunalbehörden, die teilweise verödeten Innenstädte wiederzubeleben, die unter der Konkurrenz von Shoppingmalls am Stadtrand und des Onlinehandels leiden. Diese Maßnahmen würden konterkariert, wenn jetzt große Warenhäuser im Zentrum dicht machen und eine Riesenimmobilie womöglich verfällt. Das wirkt nicht nur abschreckend beim Shoppen, für manche mittelgroßen Städte in strukturschwachen Gegenden ist Kaufhof oder Karstadt auch möglicherweise der Hauptanziehungspunkt.
Insofern ist nachvollziehbar, dass die Kommunalvertreter jetzt fordern, möglichst viele Kaufhäuser zu erhalten. Am Wochenende war bekanntgeworden, dass laut eines Sanierungskonzeptes im laufenden Insolvenzverfahren 80 der insgesamt rund 170 Warenhäuser geschlossen werden sollen. Ferner stehen rund 20 der 30 Filialen von Karstadt-Sport und 100 der 130 Reisebüros, die Kaufhof betreibt, vor dem Aus. Etwa 5000 Vollzeitstellen sollen abgebaut werden. Aktuell sind im Konzern rund 28 000 Menschen beschäftigt.
Anfang April hatte die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH beim Amtsgericht Essen einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gestellt, einer Art Insolvenzverfahren light, bei dem die Unternehmensführung weiter die Geschäfte leitet. Als Grund wurde der Corona-Lockdown angegeben. In einem Brief, in dem die Konzernführung jetzt die Mitarbeiter auf bevorstehende Kürzungen einstimmte, heißt es, das Unternehmen habe während der Komplettschließungen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Umsatz verloren. Aufgrund der anhaltenden Kaufzurückhaltung könnte sich die Summe noch verdoppeln.
Vor dem Insolvenzantrag hatte Karstadt Kaufhof einen staatlichen Rettungskredit beantragt, doch die Verhandlungen zogen sich nach Unternehmensangaben zu lange hin. Der alleinige Karstadt-Kaufhof-Eigentümer, die Immobilienholding Signa des österreichischen Milliardärs René Benko, kündigte zwar an, eine dreistellige Millionensumme investieren zu wollen. Doch dies scheint nicht zu reichen.
Die Standortschließungen sind indes noch lange nicht beschlossen. Sie sind erst einmal nur Teil eines Konzeptes, das Karstadt Kaufhof zusammen mit dem gerichtlich bestellten Sachwalter Frank Kebekus, der das
Insolvenzverfahren überwacht, und mit dem Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz als externem Berater ausgearbeitet hat. Darin sind die Schließungspläne nicht konkretisiert. Vermutlich ist das Konzept erst mal nur ein Druckmittel für die anstehenden Verhandlungen mit den Gläubigern. Aus informierten Kreisen hieß es, die Zahl der bedrohten Filialen könnte sich reduzieren, wenn die Vermieter und andere Beteiligte zu Zugeständnissen bereit seien. Zu Letzteren gehören einerseits Banken, die ausstehende Kredite bei Karstadt Kaufhof haben, und andererseits die Beschäftigten.
Deren Vertreter sind entsetzt. »Brutal« sei das, schimpft Stefanie Nutzenberger, für den Handel zuständiges Verdi-Bundesvorstandsmitglied. Die Gewerkschaft hatte Ende 2019 eine Beschäftigungs- und Standortsicherung samt Rückkehr zum Flächentarifvertrag bis 2025 mit der Konzernführung ausgehandelt, dabei als Entgegenkommen den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld akzeptiert. Die Einigung war Voraussetzung für die Verschmelzung von Kaufhof und Karstadt im Januar 2020. Damals gab es die große Befürchtung, dass bei der Fusion der größten deutschen Warenhauskonzerne, beide wirtschaftlich angeschlagen, viele Filialen besonders an Standorten mit zwei Kaufhäusern geschlossen und Doppelstrukturen in der Verwaltung beseitigt werden.
Im Windschatten der Coronakrise soll dies nun offenbar gelingen. »Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Coronakrise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen«, sagt Nutzenberger. Verdi fordert nun Unterstützung aus der Politik – »von den Bürgermeistern bis hin zur Bundespolitik«. Zumindest in den Kommunen wird die Gewerkschaft auf offene Ohren stoßen.